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Videoschaltung nach St. Petersburg zum 10. Nationalen Treffen der katholischen Jugendlichen Russlands

Im Winter des Krieges Samen der Versöhnung säen

 Im Winter des Krieges Samen der Versöhnung säen  TED-035
01. September 2023

Liebe Jugendliche, der Friede und

die Freude Jesu seien mit euch!

Vor drei Wochen haben wir in Lissabon den Weltjugendtag mit Jugendlichen aus der ganzen Welt gefeiert. Heute freue ich mich sehr, dass ich hier sein kann, um mit euch diesen Moment des Glaubens und der Hoffnung zu teilen. Das Motto des Weltjugendtags lautete: »Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg« (Lk 1,39). Ich möchte euch drei Gedanken in Bezug auf dieses Motto mitgeben, so dass ihr es weiter vertiefen könnt, in einer Reflexion, die ihr in Gruppen durchführen könnt, jeder seiner persönlichen Erfahrung entsprechend.

Der erste Gedanke: berufen sein und aufbrechen. Gott beruft, einen Weg zu gehen, Gott sendet uns aus, aufzubrechen und zu gehen. Jeder von euch ist wie Maria von Gott berufen. Ja, von Gott berufen; erwählt und berufen. Wir alle sind erwählt und berufen. Stellt euch die Frage: »Bin ich erwählt? Bin ich berufen?« Ja, der Herr hat euch von Beginn eures Lebens an berufen, er hat euch bei eurem Namen gerufen! Berufen, noch vor den Talenten, die wir haben, vor unseren Verdiensten, vor dem, was in uns dunkel und verletzt ist, vor allem anderen sind wir gerufen worden, sind wir beim Namen gerufen worden, von Angesicht zu Angesicht. Gott richtet sich nicht an eine Menge, nein. Gott richtet sich an jeden Menschen persönlich, von Angesicht zu Angesicht.

Elisabet, die unfruchtbar war, und Maria, die Jungfrau: Zwei Frauen, die Zeuginnen wurden. Zeuginnen für was? Für die verwandelnde Macht Gottes. Gott verwandelt. Diese Erfahrung der überfließenden Liebe Gottes ist es, die unbedingt geteilt werden muss. Deshalb ist Maria aufgestanden und ist unverzüglich, sofort aufgebrochen. Sie muss eilig aufstehen. Wenn Gott ruft, können wir nicht sitzenbleiben. Aufstehen und zwar eilig, weil die Welt, der Bruder, der Leidende, der, der uns nahe ist und die Hoffnung Gottes nicht kennt, sie empfangen muss, die Freude Gottes empfangen muss. Ich stehe eilig auf, um die Freude Gottes zu bringen. Das ist der erste Gedanke: berufen sein und aufbrechen.

Der zweite Gedanke: Die Liebe Gottes gilt allen, und die Kirche ist für alle da. Gottes Liebe erkennt man an seiner Gastfreundschaft. Gott nimmt immer auf, er ist schöpferisch, er schafft Raum, damit wir alle Platz finden, und er opfert sich für den anderen auf, er ist aufmerksam für die Bedürfnisse des anderen. Maria blieb drei Monate bei Elisabet und half ihr, wo es notwendig war. Diese beiden Frauen schaffen Raum für neues Leben, das geboren wird: Johannes der Täufer und Jesus. Aber sie schaffen auch Raum füreinander, sie tauschen sich aus. Die Kirche ist eine Mutter mit einem offenen Herzen, die aufzunehmen und zu empfangen weiß, vor allem diejenigen, die größere Fürsorge brauchen. Die Kirche ist eine liebevolle Mutter, weil sie das Haus derer ist, die geliebt werden, und das Haus derer, die berufen sind. Wie viele Wunden, wie viel Verzweiflung können geheilt werden, wo man sich angenommen fühlt. Und die Kirche nimmt uns auf. Daher träume ich von einer Kirche, wo niemand überflüssig ist, wo niemand zu viel ist. Bitte, die Kirche soll kein »Zollamt« sein, um auszuwählen, wer hineinkommt und wer nicht. Nein, alle, alle. Der Eintritt ist frei. Und dann soll jeder die Einladung Jesu spüren, ihm zu folgen, zu sehen, wie er vor Gott steht. Und für diesen Weg gibt es die Lehre und die Sakramente. Denken wir an das Evangelium, wo der Gastgeber des Mahls die Diener auffordert, die Menschen an den Kreuzungen der Straßen einzuladen und sagt: »Geht und bringt alle mit« (vgl. Mt 22,9). Vergesst dieses Wort nicht: alle. Die Kirche ist für alle da, für Alte und Junge, für Gesunde und Kranke, für Gerechte und Sünder. Das hat Jesus gemeint: alle, alle, alle.

Und der dritte Gedanke: Es ist entscheidend, dass die Jungen und die Älteren füreinander offen sind. Wenn die Jungen den älteren Menschen begegnen, dann haben sie die Chance, den Reichtum ihrer Erfahrungen und Erlebnisse zu empfangen. Und die alten Menschen finden in der Begegnung mit den Jugendlichen die Verheißung einer hoffnungsvollen Zukunft. Es ist wichtig, dass ihr Jugendlichen einen Dialog mit den alten Menschen führt, dass ihr mit den Großeltern sprecht, dass ihr den Großeltern zuhört, dass ihr jene Lebenserfahrung anhört, die über die eurer Eltern hinausgeht. Der Ort der Begegnung zwischen Maria und Elisabet sind die Träume. Beide haben geträumt. Die Jugendlichen träumen, die alten Menschen träumen. Gerade der Traum, die Fähigkeit zu träumen, die Vision der Zukunft, ist das, was die Generationen zusammengehalten hat und zusammenhält, wie der Prophet Joël sagt: »Eure Alten werden Träume haben und eure jungen Männer haben Visionen« (vgl. 3,1). So erträumen die Alten vieles: Demokratie, Einheit der Nationen… Und die Jungen sind prophetisch, sie sind berufen, »Handwerker« der Umwelt und Friedensstifter zu sein. Elisabet stärkt mit der Weisheit des Alters – sie war betagt – Maria, die jung und voll der Gnade war, geführt vom Heiligen Geist.

Liebe Jugendliche, ich will keine lange Predigt halten. Ich fordere euch auf, Brückenbauer zu sein. Erbauer von Brücken zwischen den Generationen, indem ihr die Träume derer erkennt, die euch auf dem Weg vorangegangen sind. Das Bündnis zwischen den Generationen, erhält die Geschichte und die Kultur eines Volkes lebendig. Von euch, den russischen Jugendlichen, wünsche ich die Berufung, Friedensstifter zu sein inmitten von so vielen Konflikten, inmitten von so vielen Polarisierungen, die es überall gibt und die unsere Welt bedrängen. Ich lade euch ein, Samen auszusäen, und zwar die Samen der Versöhnung, kleine Samen, die in diesem Winter des Krieges im frostigen Boden noch nicht keimen, aber in einem zukünftigen Frühling erblühen werden. So habe ich in Lissabon gesagt: Habt den Mut, die Ängste durch Träume zu ersetzen. An die Stelle der Ängste die Träume zu setzen. Ersetzt die Ängste durch Träume! Seid keine Verwalter von Ängsten, sondern Unternehmer von Träumen. Gönnt euch den Luxus, Großes zu träumen!

Liebe Jugendliche, ich danke euch für die Zeit, die ihr mir geschenkt habt, dafür, dass ihr ein wenig von euren Träumen und Hoffnungen, von euren Ängsten und Leiden mit mir geteilt habt. Ich danke Warwara für ihr Zeugnis in Bezug auf die Familie. Mein Dank gilt Alexander für sein Lebenszeugnis. Danke! Und ich danke euch allen für das Zeugnis, das ihr heute gebt, bei dieser Begegnung.

Ich lade euch ein, den Blick auf Maria zu richten, den Herrn zu finden, ihn im Herzen zu empfangen und ihn gleich, eilig zu denen zu bringen, die weit weg sind, ihn zu demjenigen zu bringen, der es braucht. Seid Zeichen der Hoffnung, Zeichen des Friedens und der Freude, wie Maria, damit auch ihr mit derselben »Demut seiner Magd« die Geschichte, in der ihr lebt, verändern könnt. Setzt euch ein für die Zukunft, verankert in den Wurzeln der Großeltern. Ich grüße euch voller Zuneigung. Ich freue mich, dass ich mit euch gesprochen habe. Ich erteile euch meinen Segen. Ich bete für euch, und bitte vergesst nicht, für mich zu beten.

(Orig. span.; ital. in O.R. 26.8.2023)