Vigil mit den Jugendlichen im Tejo-Park

Freude ist missionarisch

 Freude ist missionarisch  TED-032
11. August 2023

Die Vigil am Samstagabend zählt für viele Jugendliche zu den Höhepunkten des Weltjugendtages. An die eineinhalb Millionen waren zusammengeströmt, um ihren Glauben zu feiern und Weltkirche zu erleben. Die Vigil bestand aus zwei Teilen: einer künstlerischen Performance, angereichert mit Musik und Drohnenvideos, sowie der Eucharis-tischen Anbetung, bei der es auch Momente der Stille gab. Zwischen den beiden Teilen sprach Papst Franziskus zu den jungen Menschen, wieder fast ausschließlich in freier Rede. »Habt keine Angst!«, rief er am Ende seiner Ausführungen den begeis-tert applaudierenden Jugendlichen zu. Im Folgenden die Ansprache im Wortlaut.

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Abend!

Es bereitet mir eine große Freude, euch zu sehen! Danke, dass ihr gereist seid, dass ihr euch aufgemacht habt und dass ihr hier seid! Und ich denke, dass auch die Jungfrau Maria reisen musste, um Elisabet zu sehen: »Sie stand auf und machte sich eilig auf den Weg« (vgl. Lk 1,39). Man fragt sich: Warum steht Maria auf und geht eilig zu ihrer Cousine? Gewiss, sie hat gerade erfahren, dass die Cousine schwanger ist, aber das ist sie ja auch selbst: Warum also hingehen, hatte es doch niemand von ihr verlangt? Maria macht eine nicht verlangte und nicht geschuldete Geste, Maria geht hin, weil sie liebt, und »wer liebt, der fliegt, der läuft mit Freude« (Nachfolge Christi, III, 5). Dies lässt uns die Liebe tun.

Die Freude Marias ist zweifach: Sie hatte gerade die Verkündigung des Engels erhalten, dass sie den Erlöser empfangen würde, und außerdem die Nachricht, dass ihre Cousine schwanger sei. Interessant ist also, dass sie nicht an sich selbst denkt, sondern an die andere. Warum? Weil die Freude missionarisch ist, die Freude ist nicht für einen selbst, sie soll etwas mitteilen. Ich frage euch: Ihr, die ihr hier seid, die ihr gekommen seid, um euch zu treffen, um die Botschaft Christi zu finden, um einen schönen Sinn des Lebens zu finden, wollt ihr das für euch behalten oder wollt ihr es den anderen bringen? Was meint ihr dazu? Ich höre nichts … Um es den anderen zu mitzuteilen, denn die Freude ist missionarisch! Lasst es uns alle gemeinsam wiederholen: Die Freude ist missionarisch! Und so bringe ich diese Freude zu den anderen.

Aber diese Freude, die wir besitzen, haben uns andere vorbereitet, sie zu empfangen. Schauen wir zurück auf all das, was wir erhalten haben: All das hat unsere Herzen für die Freude empfänglich gemacht. Wir alle haben, wenn wir zurückblicken, Menschen, die ein Lichtstrahl für unser Leben gewesen sind: Eltern, Großeltern, Freunde, Priester, Ordensleute, Katecheten, Gruppenleiter, Lehrer… Sie sind wie die Wurzeln unserer Freude.
Lasst uns jetzt einen Moment der Stille halten und an diejenigen denken, die uns im Leben etwas gegeben haben, die wie die Wurzeln der Freude sind. [Moment der Stille].

Seid ihr fündig geworden? Habt ihr Gesichter, Geschichten gefunden? Die Freude, die durch diese Wurzeln kam, ist das, was wir zu geben haben, denn wir haben Wurzeln der Freude. Und auf dieselbe Weise können wir Wurzeln der Freude für andere sein. Es geht nicht darum, eine vorübergehende Freude zu bringen, eine Freude des Augenblicks; es geht darum, eine Freude zu bringen, die Wurzeln schafft. Und ich frage mich: Wie können wir Wurzeln der Freude werden?

Die Freude befindet nicht in der Bibliothek, die ein geschlossener Raum ist – auch wenn es notwendig ist, zu lernen! –, sondern sie ist woanders. Sie wird nicht hinter Schloss und Riegel aufbewahrt. Die Freude muss gesucht werden, sie muss entdeckt werden. Sie muss im Dialog mit anderen entdeckt werden, in dem wir die Wurzeln der Freude, die wir empfangen haben, weitergeben müssen. Und das ermüdet uns zuweilen. Ich stelle euch eine Frage: Ermüdet ihr manchmal? Denkt daran, was passiert, wenn man erschöpft ist: Man hat keine Lust mehr, etwas zu tun, und, wie wir auf Spanisch sagen, man wirft das Handtuch, weil man keine Lust mehr hat, weiterzumachen, und dann gibt man auf, hört auf zu gehen und fällt. Glaubt ihr, dass ein Mensch, der im Leben fällt, der einen Misserfolg hat, der sogar schwere, gewichtige Fehler begeht, dass sein Leben zu Ende ist? Nein! Was ist zu tun? Aufstehen! Und es gibt etwas sehr Schönes, das ich euch heute zur Erinnerung mitgeben möchte. Die Gebirgsjäger, die gerne auf Berge klettern, haben ein sehr schönes Lied, das so lautet: »In der Kunst des Kletterns – auf den Berg – kommt es nicht darauf an, nicht zu fallen, sondern darauf, nicht liegen zu bleiben.« Das ist schön!

Wer liegen bleibt, ist aus dem Leben »bereits in den Ruhestand getreten«, hat sich verschlossen, verschlossen für die Hoffnung, verschlossen für die Wünsche, und bleibt am Boden. Und wenn wir jemanden sehen, einen Freund von uns, der gefallen ist, was sollen wir tun? Ihn aufrichten. Achtet darauf, was man tut, wenn man einen Menschen aufrichten muss oder du ihm aufhelfen musst? Man schaut auf ihn herab. Die einzige Gelegenheit, der einzige Augenblick, in dem es erlaubt ist, auf eine Person herabzuschauen, ist, wenn man ihr aufhelfen muss. Wie oft, wie oft sehen wir Menschen, die so auf uns herabschauen, über unsere Schultern, von oben herab! Das ist traurig. Die einzige Art und Weise, die einzige Situation, in der es erlaubt ist, auf eine Person herabzuschauen, ist … sagt es laut: um ihr aufzuhelfen.

Nun, das ist sozusagen der Weg, die Ausdauer beim Gehen. Und um im Leben etwas zu erreichen, muss man sich im Gehen üben. Manchmal haben wir keine Lust zu gehen, wir haben keine Lust, uns anzustrengen, wir schreiben in den Prüfungen ab, weil wir keine Lust haben zu lernen, und wir kommen zu keinem Ergebnis. Ich weiß nicht, ob jemand von euch Fußball gefällt …, mir gefällt er. Was verbirgt sich hinter einem Tor? Eine Menge Training. Was steht hinter einem Ergebnis? Eine Menge Übung. Und im Leben kann man nicht immer tun, was man will, sondern was uns dazu bringt, der Berufung zu folgen, die wir in uns tragen – jeder hat seine eigene Berufung. Gehen. Und wenn ich hinfalle, stehe ich wieder auf oder jemand hilft mir, wieder aufzustehen; nicht liegen bleiben; und sich im Gehen üben, trainieren. Und all das ist möglich, nicht, weil wir einen Kurs über das Gehen machen – es gibt keine Kurse, die uns lehren, wie man im Leben geht: Das lernt man, man erlernt es von den Eltern, man erlernt es von den Großeltern, man erlernt es von den Freunden, indem man sich gegenseitig hilft. Im Leben lernt man und das ist das Training zum Gehen.

Ich überlasse euch diese Anregungen. Gehe, und wenn du fällst, stehe wieder auf; geh mit einem Ziel; trainiere jeden Tag im Leben. Im Leben ist nichts umsonst, alles muss bezahlt werden. Nur eines ist umsonst: die Liebe Jesu! Mit diesem Geschenk, das wir haben – die Liebe Jesu – und mit dem Antrieb zu gehen, lasst uns in der Hoffnung voranschreiten, lasst uns auf unsere Wurzeln schauen und vorwärts gehen, ohne Angst. Habt keine Angst. Danke! Tschüss!