· Vatikanstadt ·

Sr. Joana Aparecida Ortiz erzählt von ihrer Mission im Landesinneren Brasiliens

In den Gesichtern der indigenen Kinder habe ich das Antlitz Gottes erkannt

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14. Juli 2023

Die Ordensfrau Joana Aparecida Ortiz lebt seit 2010 unter der zweitgrößten indigenen Bevölkerungsgruppe Brasiliens im Bundesstaat Mato Grosso do Sol und erzählt von ihrer Mission an der Seite »ihres Volkes«. Die Franziskanerin Unserer Lieben Frau von Aparecida hat einen Traum zu einer anspruchsvollen Realität gemacht: »Ich hatte keine Zweifel an dem eindringlichen Ruf, den Gott in diesem Moment an mich richtete, nämlich eine solidarische und prophetische Präsenz zu sein und mich den Missionaren anzuschließen.«

Der Schmerz, den die Menschen fühlen, ist unser Schmerz. Als Franziskanerin Unserer Lieben Frau von Aparecida, als Tochter dieser Region Mato Grosso do Sul im zentralen westlichen Teil Brasiliens, wo die zweitgrößte Gruppe indigener Bevölkerung des Landes lebt, »wo ein Ochse mehr wert ist als ein indigenes Kind, wo Soja mehr wert ist als ein Zedernbaum«, fühlte ich mich 2010 berufen, diesem Volk, das mein Volk ist, nahe zu sein.

Inspiration
durch einen Traum

Ich fühlte eine schreckliche Angst, ohne zu wissen, was mit mir geschah, als ich träumte, dass die indigene Bevölkerung zu unserem Haus kam und um Hilfe bat. In der nächsten Nacht setzte sich der Traum fort, und in ihm sah ich meine Mutter (die zweifellos indigenes Blut hatte), die mir einen Umschlag überreichte und mich bat, ihn zum Lager der Indigenen zu bringen. Später ging der Traum weiter: Ich übergab den Umschlag einem alten Mann aus einem Dorf an der Straße. Der alte Indio sagte mir: »Wir wollen nicht das Geld, wir wollen eine Präsenz.«

Als ich aufwachte, war ich erschüttert von diesem Traum und dachte, es sei um mich geschehen. Wie hätte ich einen solchen Auftrag erfüllen sollen, da wir als Kongregation kein Haus im Dorf hatten? Damals lernte ich mit Hilfe der Konferenz der Ordensleute Brasiliens den CIMI kennen: den Indigenen Missionsrat, eine Einrichtung der katholischen Kirche Brasiliens. So begann ich meine Reisen durch die Dörfer im landwirtschaftlich geprägten Bundesstaat Mato Grosso do Sul.

Die traurige Realität
von Leid und Schmerz

Mein Gott, wie viel Schmerz und Leid habe ich gesehen! Von Dorf zu Dorf, von Lager zu Lager, am Straßenrand, in den indigenen Reservaten und auf dem Gelände der Fazendas. Ich sah, wie die Hütten vieler Menschen in Brand gesteckt wurden und dass Kinder unterernährt waren. Und in diesem Moment sah ich auch, wie sich CIMI-Missionare um ein kleines Mädchen kümmerten, das stark unterernährt war und trotz der Behandlung am nächsten Tag starb.

»Ich zweifelte nicht an dem eindringlichen Ruf, den Gott in diesem Moment an mich richtete, bei meinem Volk zu bleiben und dort eine solidarische und prophetische Präsenz zu sein, mich diesen Missionaren und Missionarinnen anzuschließen.

Ich erkannte, dass mich das Charisma meiner Kongregation in diese Richtung drängte: »Lasst uns den Namen von Aparecida ehren! Wir wollen die Plätze verlassen, wo bereits viele Menschen vorbeikommen. Wir wollen in die Keller gehen, wo es kein Gedränge gibt«, so pflegte unsere Gründerin, Mutter Clara Maria de Azevedo e Souza, zu sagen.

Der Herr
ist an unserer Seite

2012 schloss ich den CIMI-Grundkurs ab. Als Missionarin dieser Organisation verstand ich jetzt, im Antlitz der indigenen Völker das Antlitz Gottes zu sehen. Als Mitglied einer Kongregation konnte ich mich nun an der Missionsarbeit beteiligen, indem ich vor Ort präsent war. Im Jahr 2015 wurde die CIMI wegen ihres Einsatzes für die Rechte der indigenen Gemeinschaften vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geladen. Ich war an diesem Prozess beteiligt und konnte zum Teil erleben, was Christus vor dem Hohen Rat aufgrund falscher Anschuldigungen erlebte, weil er die Freiheit seines Volkes wollte. Wir wurden verfolgt, verleumdet, diffamiert, aber nicht besiegt, weil wir überzeugt sind, dass der Herr mit uns geht. Wir haben diesen Kampf gewonnen.

Seit elf Jahren gehe ich diesen Weg mit den indigenen Völkern. Ich spüre, dass es noch viel zu tun gibt. Aber die größte Freude ist es, den Protagonismus der Indigenen zu sehen, die heute ihre eigenen Räume und Rechte erobern. »Nie wieder ein Brasilien ohne uns!« Diesen Satz sagte Sonia Guajajara, als sie Anfang des Jahres ihr Amt als Ministerin für die indigenen Völker Brasiliens antrat. Als Kongregation bekräftigen wir unsere Verpflichtung zur Unterstützung und Präsenz, damit das Land der indigenen Völker als eigenes abgegrenztes Gebiet anerkannt und auch ihre Rechte respektiert werden.

Heute sehe ich als Frau mit indigenem Blut in meinen Adern diese Mission als einen eindringlichen Ruf Gottes in meinem Leben. Ich stamme aus diesem Volk, und zu ihm bin ich zurückgekehrt und ein anderer Mensch geworden. Auch wenn meinem Volk noch immer nicht die Demarkierung seines Landes und seine Rechte garantiert werden, so hat es doch seine Rolle als Protagonist erobert.

#sistersproject

Von Sr. Joana Aparecida Ortiz