Vatikanstadt/Rom. Seine Sorge über das Schwinden des Glaubens in der jungen Generation hat der vatikanische Kurienerzbischof Rino Fisichella (71) zum Ausdruck gebracht. Vorrangiges Problem sei ein »Bruch in der Weitergabe des Glaubens«, sagte der Pro-Präfekt des Dikasteriums für die Evangelisierung und Beauftragter für das Heilige Jahr 2025, im Gespräch mit österreichischen Journalisten in Rom, die an einer von Kardinal Christoph Schönborn angeführten Pressereise teilnahmen, bei der Vertreterinnen und Vertreter österreichischer Medien verschiedene Einrichtungen der Römischen Kurie kennenlernten.
»In unsere Familien gibt es kaum mehr Willen, den Glauben an die neue Generation weiterzugeben«, so Fisichella. Kinder, die zur Vorbereitung auf die Erstkommunion kommen, wüssten oft gar nicht mehr, wie man ein Kreuzzeichen mache: »Sie haben von ihren Eltern die Zeichen des Glaubens nicht vermittelt bekommen.« Hinzukomme eine Kultur, die Religion in die Ecke gedrängt habe.
In früheren Jahrhunderten hätten der Mensch und Gott im Zentrum gestanden. »Anders war es nicht möglich. Heute ist es ganz einfach, ohne Gott zu leben«, beklagte Fisichella. Nicht für den Glauben sei das ein Problem. »Das ist ein Problem für den Menschen.« Eine Gesellschaft ohne Gott sei sehr gefährlich, »weil es keine Autorität mehr gibt, die die Würde des Menschen garantiert«.
Eine weitere Herausforderung sei, dass 25-Jährige heute eine andere Kultur lebten, digital mit Smartphones. Die Kirche spreche nicht mehr die Sprache der jungen Generation, so Fisichella. Diözesen und Pfarren nützten zwar das Internet. »Aber die Sprache ist verschieden. Sie verstehen uns nicht mehr. Das gilt auch, wenn wir über den Glauben sprechen.«
Insgesamt gebe es aber unter den Menschen ein Bedürfnis nach Spiritualität. Auch sei die Volksfrömmigkeit für die Kirche immens wichtig. »Wir erleben, dass unsere Pfarrgemeinden nicht so voll sind, aber Wallfahrtskirchen sind voll mit Pilgern und Gläubigen«, meinte Fisichella, der auch Beauftragter des Vatikan für das Heilige Jahr 2025 in Rom ist.
»Spiritualität und Religiösität gehören zur Natur des Menschen«, sagte der Erzbischof. Das Jubiläumsjahr sei ein Ereignis und eine Tradition, »aber die Pilger kommen auch, um eine spirituelle Erfahrung zu machen«. 32 Millionen Pilgerinnen und Pilger werden zum Heiligen Jahr in der Ewigen Stadt erwartet. Allein rund 100.000 werden nach Schätzungen zu Fuß nach Rom pilgern.