Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag, einen schönen Sonntag!
Im heutigen Evangelium sagt Jesus seinen Jüngern dreimal: »Fürchtet euch nicht!« (Mt 10,26.28.31). Kurz zuvor hat er von den Verfolgungen gesprochen, die sie um des Evangeliums willen zu erdulden hätten, eine Realität, die auch heute aktuell ist: Die Kirche hat in der Tat von Anfang an neben Freuden – und davon hatte sie viele! – auch zahlreiche Verfolgungen erfahren. Es scheint paradox: Die Verkündigung des Reiches Gottes ist eine Botschaft des Friedens und der Gerechtigkeit, die auf brüderlicher Liebe und Vergebung beruht, und doch stößt sie auf Widerstand, Gewalt, Verfolgung. Jesus sagt uns jedoch, dass wir uns nicht fürchten sollen: nicht, weil in der Welt alles gut gehen wird, nein, sondern weil wir für den Vater wertvoll sind und nichts, was gut ist, verloren gehen wird. Er sagt uns also, dass wir uns von der Angst nicht blockieren lassen dürfen, sondern dass wir uns vor etwas anderem fürchten sollen, vor einer einzigen Sache. Was ist das, was wir nach Jesu Worten fürchten sollen?
Wir entdecken dies durch ein Bild, das Jesus heute verwendet: das Bild der »Gehenna«, der »Hölle« (vgl. V. 28). Das »Gehenna«-Tal war ein Ort, den die Einwohner Jerusalems gut kannten: es war die große Müllhalde der Stadt. Jesus spricht davon, um zu sagen, dass die wahre Furcht, die man haben muss, die ist, sein Leben wegzuwerfen. Jesus sagt: »Ja, davor sollt ihr Angst haben.« Als wolle er sagen: Man muss nicht so sehr fürchten, missverstanden und kritisiert zu werden, Ansehen und wirtschaftliche Vorteile zu verlieren, um dem Evangelium treu zu bleiben, sondern vielmehr soll man sich davor fürchten, sein Leben mit der Jagd nach trivialen Dingen zu vergeuden, die das Leben nicht mit Sinn erfüllen.
Und das ist wichtig für uns. Auch heute noch kann man verspottet oder diskriminiert werden, wenn man bestimmten Modellen nicht folgt, die gerade in Mode sind, welche aber oft zweitrangige Wirklichkeiten in den Mittelpunkt stellen: zum Beispiel den Dingen zu folgen statt den Menschen, der Leistung statt den Beziehungen. Dazu einige Beispiele: Ich denke an Eltern, die arbeiten müssen, um die Familie zu ernähren, die aber nicht nur für die Arbeit leben dürfen: Sie brauchen Zeit, um mit ihren Kindern zusammen zu sein. Ich denke auch an einen Priester oder an eine Schwes-ter: Sie müssen sich in ihrem Dienst engagieren, dürfen aber nicht vergessen, sich Zeit für Jesus zu nehmen, sonst verfallen sie der geistlichen Weltlichkeit und verlieren das Bewusstsein dafür, wer sie sind. Und weiter denke ich an einen jungen Mann oder eine junge Frau, die tausend Verpflichtungen und Leidenschaften haben: Schule, Sport, verschiedene Interessen, die Handys und die sozialen Netzwerke, aber sie müssen Menschen treffen und große Träume verwirklichen, ohne ihre Zeit mit Dingen zu vergeuden, die vorübergehen und keine Spuren hinterlassen.
All das, liebe Brüder und Schwestern, bringt einen gewissen Verzicht gegenüber den Götzen der Effizienz und des Konsums mit sich, aber es ist notwendig, um sich nicht in den Dingen zu verlieren, die dann weggeworfen werden, wie dies damals in der Gehenna geschah. In den heutigen »Gehennas« dagegen landen oft Menschen: Denken wir an die Letzten, die oft als Ausschussware und unerwünschte Objekte behandelt werden. Dem, was zählt, treu zu bleiben, hat seinen Preis. Es kostet etwas, gegen den Strom zu schwimmen. Es kostet etwas, sich vom Einfluss des gängigen Denkens zu befreien. Es kostet etwas, von denen, die »auf der Welle reiten«, verdrängt zu werden. Doch das ist nicht wichtig, sagt Jesus: Was zählt, das ist, das höchste Gut, das Leben, nicht wegzuwerfen. Das allein muss uns erschrecken.
Fragen wir uns also: Wovor habe ich Angst? Davor, nicht das zu haben, was ich möchte? Davor, die Ziele nicht zu erreichen, die mir die Gesellschaft vorgibt? Vor dem Urteil der anderen? Oder davor, dem Herrn nicht zu gefallen und sein Evangelium nicht an die erste Stelle zu setzen? Maria, die immerwährende Jungfrau und weise Mutter, möge uns helfen, klug und mutig in unseren Entscheidungen zu sein.
Nach dem Angelus sagte der Papst:
Liebe Brüder und Schwestern!
Die Ereignisse, die sich vor einigen Tagen im Frauengefängnis von Támara in Honduras zugetragen haben, haben mich sehr betroffen gemacht. Eine schreckliche Gewalt zwischen rivalisierenden Banden hat Tod und Leid gebracht. Ich bete für die verstorbenen Frauen, ich bete für ihre Familien. Die Jungfrau von Suyapa, Mutter von Honduras, möge helfen, dass sich die Herzen der Versöhnung öffnen und Raum für ein geschwisterliches Miteinander schaffen, auch in den Gefängnissen.
In diesen Tagen jährt sich zum vierzigsten Mal der Tag, an dem Emanuela Orlandi verschwunden ist. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um der Familie, insbesondere der Mutter, noch einmal meine Verbundenheit zu bekunden und sie meiner Gebete zu versichern. Mein Gedenken gilt allen Familien, die den Schmerz über das Verschwinden eines geliebten Menschen ertragen müssen.
Ich grüße euch alle, die Römer und die Pilger aus Italien und aus verschiedenen Ländern, insbesondere die Gläubigen aus Bogotá, Kolumbien.
Ich grüße die Fraternität des Ordo Franciscanus Saecularis aus Pisa; die Jugendlichen aus Gubbio, Perugia und Spoleto; die Gruppe aus Limbadi, die den jungen Leo feiert; die Teilnehmer an der Motorrad-Pilgerfahrt aus Cesena und Longiano; die Ehrenamtlichen von »Radio Maria Italia«, die uns alle mit einem langen Banner einladen, uns »unter den Mantel« der Jungfrau und Mutter Maria zu stellen, um von Gott das Geschenk des Friedens zu erbitten. Und das erbitten wir besonders für das gequälte ukrainische Volk.
Ich wünsche allen einen schönen Sonntag. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen!