Audienz für die Teilnehmer an der Tagung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zum Thema »Ernährungskrisen und humanitäre Krisen: Wissenschaft und politische Maßnahmen zu Prävention und Abhilfe«

Eine Haltung universaler Solidarität entwickeln

 Eine Haltung universaler Solidarität entwickeln  TED-020
19. Mai 2023

Eminenz, Herr Präsident,

liebe Brüder und Schwestern!

An euch alle richte ich einen herzlichen Willkommensgruß anlässlich der Tagung zum Thema »Ernährungskrisen und humanitäre Krisen: Wissenschaft und politische Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe«, und ich danke Herrn Präsidenten von Braun für seine freundlichen Grußworte.

Das von euch gewählte Thema ist äußerst zeitgemäß, nicht nur für die akademische Debatte, sondern auch weil es zu einer weitsichtigen Führung und politischen Maßnahmen appelliert, um die Leiden vieler unserer Brüder und Schwestern zu lindern, die keine gesunde Ernährung und keinen Zugang zu ausreichender Nahrung haben. Ein Wissenschaftler hat vor einigen Monaten zu mir gesagt: »Wenn man ein Jahr lang keine Waffen produzieren würde, wäre der Hunger in der Welt besiegt.«

Es handelt sich um eine dringende Herausforderung, weil allzu oft Situationen, die von Naturkatastrophen, aber auch von bewaffneten Konflikten – ich denke insbesondere an den Krieg in der Ukraine –, politischer oder wirtschaftlicher Korruption und der Ausbeutung der Erde, unseres gemeinsamen Hauses, geprägt sind, die Nahrungsproduktion behindern, den Erhalt der Landwirtschaftssysteme unterminieren und die Nahrungsversorgung ganzer Bevölkerungen gefährlich bedrohen. Gleichzeitig haben sich diese verschiedenen Krisen verschlimmert durch die langfristigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, und wir erleben außerdem den Niedergang der geschwisterlichen Solidarität – das ist eine Tatsache: Krieg und Elend führen zum Niedergang der geschwisterlichen Solidarität –, und dieser Niedergang wird unter anderem von egoistischen Ansprüchen bestimmt, die in einigen gegenwärtigen Wirtschaftsmodellen vorhanden sind.

In dieser Perspektive muss man sich immer mehr zu Bewusstsein bringen, dass alles eng miteinander verbunden ist: Die heutigen Probleme verlangen eine Sichtweise, die in der Lage ist, jeden Aspekt der globalen Krise zu berücksichtigen (vgl. Fratelli tutti, 137). Ein wichtiges Element dieser Sichtweise ist das Verständnis, dass eine Krise auch zu einer Chance werden kann, zu einer günstigen Gelegenheit, die Fehler der Vergangenheit zu erkennen und daraus zu lernen.

In diesem Sinne hoffe ich, dass eure Tagung uns allen helfen möge, besser aus den Krisen herauszukommen, die wir derzeit durchmachen, indem wir nicht nur auf technische Lösungen setzen, sondern uns vor allem daran erinnern, wie wesentlich es ist, eine Haltung universaler Solidarität zu entwickeln, die auf der Geschwisterlichkeit, auf der Liebe und auf dem gegenseitigen Verständnis gründet. In diesem Zusammenhang unterstützt und ermutigt die Kirche aus ganzem Herzen eure Bemühungen, zusammen mit denen aller Menschen, die sich nicht nur dafür einsetzen, andere mit Nahrung zu versorgen oder auf Krisen zu antworten, sondern auch dafür, eine ganzheitliche Entwicklung des Menschen, die Gerechtigkeit unter den Völkern und die internationale Solidarität zu fördern und so das Gemeinwohl der Gesellschaft zu stärken.

Liebe Freunde, ich bringe erneut meine Dankbarkeit zum Ausdruck für euren wertvollen Dienst in Zusammenarbeit mit der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, und ich versichere euch meines Gebetsgedenkens, auf dass eure Arbeit Früchte tragen möge, um die mit der Nahrungskrise und anderen humanitären Krisen verbundenen zahlreichen Probleme zu bewältigen. Krisen sind etwas anderes als Konflikte. Konflikte sind in sich selbst geschlossen, aus einem Konflikt kommt man schwerlich konstruktiv heraus. Aus Krisen dagegen kann man herauskommen, muss man herauskommen, aber unter zwei Bedingungen: Aus einer Krise kann man nicht allein herauskommen, man braucht die Gemeinschaft, die Gruppe, um herauszukommen. Und andererseits kommt man aus einer Krise heraus, um sich zu verbessern, um immer voranzugehen, um Fortschritte zu machen. Daher danke ich euch für eure Haltung angesichts dieser Krise, um gemeinsam herauszukommen und besser herauszukommen. Auf euch alle rufe ich den überreichen Segen des allmächtigen Gottes herab, und ich bitte euch, für mich zu beten. Danke!

(Orig. ital. in O.R. 10.5.2023)