Begegnung mit den Bischöfen, Priestern, Diakonen, Gottgeweihten, Seminaristen und pastoralen Mitarbeitern in der Konkathedrale Sankt Stephan in Budapest

Christus ist unsere Zukunft

 Christus ist unsere Zukunft  TED-018
05. Mai 2023

Liebe Brüder im Bischofsamt,

liebe Priester und Diakone,

gottgeweihte Frauen und Männer,

liebe Seminaristen,

liebe pastorale Mitarbeiter,

Brüder und Schwestern,

dicsértessék a Jézus Krisztus!

[Laudetur Jesus Christus!]

Ich freue mich, wieder hier zu sein, nachdem ich mit euch den 52. Eucharistischen Weltkongress erlebt habe. Es war ein Moment großer Gnade, und ich bin sicher, dass seine geistlichen Früchte euch begleiten. Ich danke Bischof Veres für sein Grußwort an mich und dafür, dass er den Wunsch der Katholiken Ungarns mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht hat: »In dieser sich verändernden Welt wollen wir bezeugen, dass Christus unsere Zukunft ist«. Chris-tus. Nicht: »Die Zukunft ist Christus«, nein: Christus ist unsere Zukunft. Nicht die Dinge verändern. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben für uns: die Veränderungen und den Wandel unserer Zeit zu deuten und zu versuchen, die pastoralen Herausforderungen so gut wie möglich zu meistern. Mit Christus und in Christus. Nichts ohne den Herrn, nichts fern vom Herrn tun.

Das ist aber möglich, wenn wir auf Chris-tus als unsere Zukunft schauen: Er ist »das Alpha und das Omega, […], der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung« (Offb 1,8), der Anfang und das Ende, der Grund und das letzte Ziel der Geschichte der Menschheit. Wenn wir in dieser Osterzeit seine Herrlichkeit betrachten, dessen, der »der Erste und der Letzte« (Offb 1,17) ist, können wir auf die Stürme, die unsere Welt manchmal heimsuchen, auf die rasanten und ständigen Ver-änderungen in der Gesellschaft und auch auf die Glaubenskrise im Westen blicken, ohne in Resignation zu verfallen und ohne die zentrale Bedeutung von Ostern aus den Augen zu verlieren: Der auferstandene Christus, das Zentrum der Geschichte, er ist die Zukunft. Unser Leben, so zerbrechlich es auch sein mag, liegt fest in seinen Händen. Wenn wir das vergessen, werden auch wir, Hirten und Laien, nach menschlichen Mitteln und Instrumenten suchen, um uns vor der Welt zu schützen, und uns in unsere bequemen und ruhigen religiösen Oasen zurückziehen; oder wir werden uns im Gegenteil den wechselnden Winden der Weltlichkeit anpassen und dann wird unser Christsein an Kraft verlieren und wir werden aufhören, Salz der Erde zu sein. Zurückkehren zu Christus, der die Zukunft ist, um nicht in die wechselvollen Winde der Weltlichkeit zu geraten, was das Schlimmste ist, was der Kirche passieren kann: eine verweltlichte Kirche.

Das sind also die beiden Interpretationen – ich möchte sagen, die beiden Versuchungen –, vor denen wir uns als Kirche immer hüten müssen: eine schwarzseherische Lesart der gegenwärtigen Geschichte, die sich aus dem Defätismus derer speist, die ständig behaupten, dass alles verloren ist, dass es die Werte der Vergangenheit nicht mehr gibt und dass wir nicht wissen, wo wir enden werden. Es ist schön, dass Hochwürden Sándor Gott dafür gedankt hat, dass er ihn »vom Defätismus befreit« hat! Und was hat er aus seinem Leben gemacht, eine große Kathedrale? Nein, eine kleine Notkirche, auf dem Lande. Aber er hat es geschafft, er hat sich nicht unterkriegen lassen. Danke, lieber Bruder! Und dann gibt es noch die andere Gefahr, nämlich die einer naiven Sicht auf die heutige Zeit, die sich stattdessen auf die Bequemlichkeit des Konformismus stützt und uns glauben macht, dass doch eigentlich alles in Ordnung sei, dass sich die Welt nun mal verändert hat und wir uns anpassen müssen – ohne Unterscheidung; und das ist schlecht. Gegen den schwarzseherischen Defätismus und den verweltlichten Konformismus schenkt uns das Evangelium neue Augen, es verleiht uns die Gnade der Unterscheidung, damit wir uns mit einer offenen Haltung, aber auch mit einem Geist der Prophetie auf unsere Zeit einlassen. Also, mit Offenheit für die Prophezeiung. Ich verwende das Adjektiv »prophetisch« nicht gerne, es wird zu oft benutzt. Substantiv: Prophezeiung. Wir erleben eine Krise der Substantive, und wir greifen so oft zu Adjektiven. Nein: Prophetie. Geist, offene Haltung, offen und mit Prophetie im Herzen.

In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf ein schönes Bild eingehen, das Jesus verwendet: das des Feigenbaums (vgl. Mk 13,28-29). Er bringt es im Zusammenhang mit dem Tempel in Jerusalem. Denen, die seine schönen Steine bewunderten und somit eine Art weltlichen Konformismus pflegten, indem sie sich auf den heiligen Raum und seine feierliche Pracht verließen, sagt Jesus, dass man auf dieser Erde nichts verabsolutieren darf, da alles unsicher ist und kein Stein auf dem anderen bleiben wird – wir lesen in diesen Tagen im Stundengebet das Buch der Offenbarung, wo uns gesagt wird, dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Und deshalb fügt er hinzu: Wenn alles vergehen wird, wenn die menschlichen Tempel einstürzen, wenn schreckliche Dinge geschehen und es heftige Verfolgungen geben wird, dann »wird man den Menschensohn in Wolken kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit« (V. 26). Und genau hier lädt er uns ein, auf den Feigenbaum zu schauen: »Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. So erkennt auch ihr, wenn ihr das geschehen seht, dass er nahe vor der Tür ist« (V. 28-29). Wir sind also aufgerufen, die Zeit, in der wir leben, mit ihren Veränderungen und Herausforderungen wie eine fruchtbare Pflanze anzunehmen, denn durch all das – so sagt das Evangelium – kommt der Herr. Und in der Zwischenzeit sind wir dazu aufgerufen, für diese unsere Zeit Sorge zu tragen, sie zu deuten, das Evangelium in sie hineinzusäen, die abgestorbenen Zweige des Bösen zu beschneiden und Frucht zu bringen. Wir sind gerufen zu einer Offenheit mit Prophetie.

Offenheit mit Prophetie: Es geht darum zu lernen, die Zeichen der Gegenwart Gottes in der Wirklichkeit zu erkennen, auch wenn diese nicht explizit vom christlichen Geist geprägt erscheint und herausfordernd daherkommt oder vieles in Frage zu stellen scheint. Und gleichzeitig geht es darum, alles im Licht des Evangeliums zu deuten, ohne dabei zu verweltlichen – gebt Acht! –, sondern als Verkünder und Zeugen der christlichen Prophetie. Hütet euch vor dem Prozess der Verweltlichung. In Verweltlichung zu verfallen, ist vielleicht das Schlimms-te, was einer christlichen Gemeinschaft geschehen kann. Wir sehen, dass auch hierzulande, wo die Glaubenstradition fest verwurzelt ist, die Ausbreitung des Säkularismus und seiner Begleiterscheinungen zu beobachten ist, was oft die Einheit und Schönheit der Familie bedroht, junge Menschen Lebensmodellen aussetzt, die von Materialismus und Hedonismus geprägt sind, und die Debatte über neue Themen und Herausforderungen polarisiert. Die Versuchung mag daher groß sein, sich zu verhärten, sich zu verschließen und eine »Kampfhaltung« einzunehmen. Aber solche Gegebenheiten können für uns Christen auch eine Chance sein, denn sie regen den Glauben und die Vertiefung bestimmter Themen an, sie laden uns ein, danach zu fragen, wie diese Herausforderungen in einen Dialog mit dem Evangelium treten können, und nach neuen Wegen, Mitteln und Ausdrucksformen zu suchen. In diesem Sinne stellte Benedikt XVI. fest, dass die verschiedenen Epochen der Säkularisierung der Kirche zugutekommen, weil »sie zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben. Die Säkularisierungen […] bedeuteten nämlich jedes Mal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche« (Begegnung mit in Kirche und Gesellschaft engagierten Katholiken, Freiburg im Breisgau, 25. September 2011). Angesichts jeder Art von Säkularisierung besteht die Herausforderung und die Aufforderung, die Kirche von aller Verweltlichung zu reinigen. Kommen wir auf dieses Wort zurück, das ist das Schlimmste: In Verweltlichung zu verfallen ist das Schlimms-te, was uns passieren kann. Es ist ein softes Heidentum, ein Heidentum, das einem nicht den Frieden raubt, warum? Weil es gut ist? Nein, weil man wie betäubt ist.

Die Aufgabe, mit den heutigen Gegebenheiten in einen Dialog zu treten, verlangt von der christlichen Gemeinschaft, dass sie präsent ist und Zeugnis ablegt, dass sie in der Lage ist, Fragen und Herausforderungen ohne Angst oder Starrheit anzuhören. Und das ist in der gegenwärtigen Situation nicht einfach, weil es auch im Inneren an Schwierigkeiten nicht mangelt. Besonders hervorheben möchte ich die Arbeits-überlastung von Pries-tern. Auf der einen Seite sind die Anforderungen in den Pfarreien und in der Seelsorge nämlich zahlreich, aber auf der anderen Seite gehen die Berufungen zurück und es gibt nur wenige Priester, die oft in fortgeschrittenem Alter sind und Anzeichen von Müdigkeit aufweisen. Dies ist ein Zustand, den es in vielen europäischen Ländern gibt. Deshalb ist es wichtig, dass sich alle – Hirten und Laien – mitverantwortlich fühlen: zuallererst im Gebet, denn die Antworten kommen vom Herrn und nicht von der Welt, vom Tabernakel und nicht vom Computer. Und dann in der Leidenschaft für die Berufungspastoral, indem wir nach Möglichkeiten suchen, um jungen Menschen mit Begeisterung die Faszination der Nachfolge Jesu auch auf dem Weg einer besonderen Weihe nahezubringen.

Es ist schön, was uns Schwester Krisztina erzählt hat … Aber ihre Berufung war eine schwierige! Denn um Dominikanerin zu werden, wurde sie zuerst von einem Franziskanerpater unterstützt, dann von den Jesuiten mit den Exerzitien... und am Ende wurde sie Dominikanerin. Bravo! Du bist einen schönen Weg gegangen! Es ist schön, was sie uns erzählt hat über das »Diskutieren mit Jesus«, über die Gründe, warum er gerade sie berufen hat – sie wollte, dass er ihre Schwestern beruft, nicht sie —: Es gibt einen Bedarf an Menschen, die zuhören und dabei helfen, gut mit dem Herrn zu diskutieren! Und generell ist es notwendig, eine kirchliche Reflexion anzustoßen – synodal, mit allen zusammen – um das pastorale Leben zu erneuern, ohne dass man sich damit begnügt, die Vergangenheit zu wiederholen, und ohne Angst davor zu haben, die Pfarrei in einem Gebiet umzugestalten, sondern die Evangelisierung als Priorität zu setzen und eine aktive Zusammenarbeit zwischen Priestern, Katecheten, pastoralen Mitarbeitern und Lehrern zu initiieren. Ihr seid bereits auf diesem Weg – bitte, hört nicht damit auf. Sucht nach Möglichkeiten, freudig für die Sache des Evangeliums zusammenzuarbeiten und gemeinsam, jeder mit seinem eigenen Charisma, die Pastoral als Verkündigung, als kerygmatische Verkündigung, das heißt jene, die das Gemüt bewegt, voranzubringen. In diesem Sinne ist es schön, was Dorina uns über die Notwendigkeit sagte, unsere Mitmenschen durch das Erzählen von Geschichten zu erreichen, durch Kommunikation, und so ihren Alltag zu bewegen. Und hier halte ich kurz inne, um die wunderbare Arbeit der Katecheten, dieses antiquum ministerium, hervorzuheben. Es gibt Orte in der Welt – denken wir zum Beispiel an Afrika –, wo die Evangelisierung von Katecheten vorangebracht wird. Katecheten sind Säulen der Kirche! Vielen Dank für das, was ihr tut. Und ich danke den Diakonen und Katecheten, die hier eine entscheidende Rolle bei der Weitergabe des Glaubens an die jüngeren Generationen spielen, und all jenen, Lehrern und Ausbildern, die sich im Bereich der Bildung großherzig engagieren: Danke, vielen Dank!

Lasst mich weiter sagen, dass gute pastorale Arbeit möglich ist, wenn wir in der Lage sind, jene Liebe zu leben, die der Herr uns aufgetragen hat und die eine Gabe seines Geistes ist. Wenn wir distanziert oder gespalten sind, wenn wir auf unseren Positionen und in unseren Gruppen verharren, bringen wir keine Frucht; denken wir da an uns selbst, an unsere Ideen und an unsere Theologien Es ist traurig, wenn man sich entzweit, weil man dann, statt als ein Team zu spielen, das Spiel des Feindes spielt: der Teufel ist derjenige, der entzweit, er ist ein Künstler darin, das ist seine Spezialität. Und wir sehen Bischöfe, die nichts miteinander zu tun haben, Priester, die mit dem Bischof im Streit liegen, ältere Priester, die mit den jüngeren in Konflikt geraten, Diözesanpriester mit Ordensleuten, Pries-ter mit Laien, Lateiner mit Griechen; da entsteht eine Polarisierung in Fragen, die das Leben der Kirche betreffen, aber auch in politischen und sozialen Belangen, und man verschanzt sich hinter ideologischen Positionen. Lasst keine Ideologien eindringen! Das Glaubensleben, der Glaubensakt darf nicht zu einer Ideologie verkürzt werden: das kommt vom Teufel. Nein, bitte: Die erste pastorale Aufgabe ist das Zeugnis der Gemeinschaft, denn Gott ist Gemeinschaft und er ist dort präsent, wo es geschwisterliche Nächstenliebe gibt. Lasst uns menschliche Spaltungen überwinden, um gemeinsam im Weinberg des Herrn zu arbeiten! Tauchen wir ein in den Geist des Evangeliums, seien wir verwurzelt im Gebet, vor allem in der Anbetung und im Hören auf das Wort Gottes, bilden wir uns beständig weiter und pflegen wir Geschwisterlichkeit, Nähe und Achtsamkeit gegenüber anderen. Ein großer Schatz ist uns in die Hände gelegt worden, lasst ihn uns nicht vergeuden, indem wir Dingen nachjagen, die im Vergleich zum Evangelium zweitrangig sind!

Und hier erlaube ich mir, euch das zu sagen: Hütet euch vor dem Geschwätz, dem Geschwätz unter Bischöfen, unter Priestern,
unter Ordensschwestern, unter Laien... Geschwätz zerstört. Es scheint so eine schöne Sache zu sein, das Geschwätz, ein zuckersüßes Bonbon; es ist schön, über andere zu tratschen. Man verfällt oft in dieses Verhalten. Seid vorsichtig, denn es ist der Weg in die Zerstörung. Wenn ein Gottgeweihter oder ein Laie, der ernsthaft lebt, es schaffen würde, niemals über andere zu tratschen, dann wäre er ein Heiliger, eine Heilige. Geht diesen Weg: kein Geschwätz. »Aber, lieber Pater, das ist schwierig, denn manchmal rutscht man aus: erst jene Bemerkung, dann eine andere...« Es gibt ein gutes Mittel gegen das Tratschen: das Gebet zum Beispiel; aber es gibt noch ein anderes gutes Mittel: sich auf die Zunge beißen. Weißt du? Du beißt dir auf die Zunge und schwatzt nicht. Einverstanden?

Und noch etwas möchte ich den Priestern sagen, um dem heiligen Volk Gottes das Antlitz des Vaters zu vermitteln und einen familiären Geist zu schaffen: Seien wir nicht streng, sondern bemühen wir uns um barmherzige und mitfühlende Blicke und Vorgehensweisen. In diesem Zusammenhang möchte ich eines hervorheben: Welches ist der Stil Gottes? Der erste Stil Gottes ist die Haltung der Nähe. Er selbst hat es im Deuteronomium gesagt: »Sag mir, welchem Volk sind seine Götter so nahe wie ich dir nahe bin?« Gottes Haltung ist Nähe, mit Mitgefühl und Zärtlichkeit. Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit: das ist der Stil Gottes. Lasst uns mit diesem Stil fortfahren. Ich selbst, bin ich den Menschen nahe, helfe ich den Menschen, bin ich mitfühlend oder verurteile ich alle? Bin ich liebevoll, sanft? Also, keine Starrheit, sondern Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit. In diesem Zusammenhang haben mich die Worte von Pater József beeindruckt, der an die Hingabe und den Dienst seines Bruders, des seligen János Brenner, erinnerte, der im Alter von nur 26 Jahren grausam ermordet wurde. Wie viele Zeugen und Bekenner des Glaubens hatte dieses Volk während der totalitären Regime des letzten Jahrhunderts! Ihr habt so viel erlitten! Der selige János hat so viel Leid am eigenen Leib erfahren, dass es für ihn ein Leichtes gewesen wäre, Groll zu hegen, sich zu verschließen und zu verhärten. Stattdessen war er ein guter Hirte. Das wird von uns allen verlangt, besonders von den Pries-tern: ein barmherziger Blick, ein mitfühlendes Herz, das immer vergibt, das immer vergibt, das immer vergibt, das einem hilft, neu anzufangen, das annimmt und nicht verurteilt und nicht wegschickt, das ermutigt und nicht kritisiert, das dient und nicht geschwätzig ist.

Diese Haltung ist das Training für die Offenheit, eine Offenheit, die Prophetie ist: das heißt, den Trost des Herrn in Situationen von Schmerz und Armut in der Welt weiterzuvermitteln, den verfolgten Christen, den Migranten auf der Suche nach Gastfreundschaft, den Menschen anderer Ethnien, allen Menschen in Not nahe zu sein. Ihr habt in dieser Hinsicht großartige Beispiele der Heiligkeit, wie den heiligen Martin. Seine Geste, den Mantel mit dem Armen zu teilen, ist viel mehr als ein Werk der Nächstenliebe: Es ist das Bild der Kirche, nach dem wir uns richten sollten, es ist das, was die Kirche Ungarns als Prophetie in das Herz Europas einbringen kann: Barmherzigkeit, Nähe. Aber ich möchte auch an den heiligen Stephan erinnern, dessen Reliquie hier neben mir zu sehen ist: Er, der die Nation als erster der Mutter Got-tes anvertraute, der ein unerschrockener Verkündiger des Evangeliums und Gründer von Klöstern und Abteien war, konnte auch gut zuhören, mit allen in Dialog treten und sich um die Armen kümmern: Er senkte für sie die Steuern und gab in Verkleidung Almosen, um nicht erkannt zu werden. Das ist die Kirche, von der wir träumen sollten: eine Kirche, die fähig ist zum gegenseitigen Zuhören, zum Dialog, zur Fürsorge für die Schwächsten; eine Kirche, die offen ist für alle, eine Kirche, die mutig ist in der Weitergabe der Prophetie des Evangeliums an jeden Einzelnen.

Liebe Brüder und Schwestern, Christus ist unsere Zukunft, denn er ist es, der die Geschichte lenkt, er ist der Herr über die Geschichte. Eure Bekenner des Glaubens waren fest davon überzeugt: die vielen Bischöfe, Priester, Ordensmänner und -frauen, die während der atheistischen Verfolgung gemartert wurden; sie zeugen von dem felsenfesten Glauben der Ungarn. Und das ist keine Übertreibung, davon bin ich überzeugt: ihr habt einen felsenfesten Glauben, und dafür danken wir Gott. Ich möchte an Kardinal Mindszenty erinnern, der so sehr an die Macht des Gebets glaubte, dass man es hier auch heute noch fast wie eine Volksweisheit wiederholt: »Solange eine Million Ungarn beten, habe ich keine Angst vor der Zukunft«. Seid offen, seid offen, seid Zeugen der Prophetie des Evangeliums, aber vor allem seid Frauen und Männer des Gebets, denn davon hängen die Geschichte und die Zukunft ab. Ich danke euch für euren Glauben und eure Treue, für all das Gute, das ihr seid und das ihr tut. Ich kann das mutige und geduldige Zeugnis der ungarischen Schwestern der Gesellschaft Jesu nicht vergessen, die ich in Argentinien kennengelernt habe, nachdem sie Ungarn während der Verfolgung verlassen hatten. Das waren Frauen, die Zeugnis ablegten, es waren gute Frauen! Mit ihrem Zeugnis haben sie mir viel Gutes getan. Ich bete für euch, dass ihr nach dem Vorbild eurer großen Glaubenszeugen niemals von innerer Müdigkeit erfasst werdet, die uns in Mittelmäßigkeit verfallen lässt, und dass ihr voll Freude voranschreitet. Und ich bitte euch, weiterhin für mich zu beten.