Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag und willkommen!
Ich entschuldige mich für die Verspätung, aber es war ein »höllischer« Vormittag.
Ich danke dem Vater Abtprimas für seine Worte und begrüße den Rektor und den Leiter des Päpstlichen Liturgischen Instituts, die Professoren und die Studenten. Mein Gruß gilt ebenso dem Kardinalpräfekten [des Dikas-teriums für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung] und dem Sekretär, danke für eure Anwesenheit. Ich freue mich, euch zu empfangen und schätze die Initiative,
eine mehrteilige Ausbildung zu organisieren, die an diejenigen gerichtet ist, die das Gebet in den Diözesangemeinschaften vorbereiten und leiten, in Gemeinschaft mit den Bi-schöfen und im Dienst der Diözesen.
Schule des geistlichen Lebens
Dieser Kurs, der jetzt seinen Abschluss findet, folgt den Hinweisen des Apostolischen Schreibens Desiderio desideravi über die liturgische Bildung. Denn die Pflege der liturgischen Feiern erfordert Ausbildung und Einsatz. Wir Bischöfe sind uns dessen in unserem Dienst bewusst, weil wir die Mitarbeit derer brauchen, die die Liturgie vorbereiten und uns helfen, unsere Sendung zu erfüllen, dem Gebet des heiligen Gottesvolkes vorzustehen. Dieser euer Dienst an der Liturgie erfordert über die vertiefte Kenntnis hinaus ein pastorales Feingefühl. Daher freue ich mich zu sehen, dass ihr euer Engagement des Studiums der Liturgie noch einmal erneuert. Sie ist, wie es der heilige Paul VI. ausgedrückt hat, »die erste Quelle jener Verbindung mit Gott, in der das göttliche Leben uns selbst mitgeteilt wird, die erste Schule unseres geistlichen Lebens« (Ansprache zum Abschluss der zweiten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils, 4. Dezember 1963). Deshalb besitzt man die Liturgie niemals ganz, man lernt sie nicht so wie Wissen, Berufe, menschliche Kompetenzen. Sie ist die erste Kunst der Kirche, die sie aufbaut und prägt.
Ich möchte euch einige Anregungen zum Nachdenken für diesen euren Dienst mitgeben, der im Kontext der Umsetzung der Liturgiereform steht.
Heute spricht man nicht mehr vom »Zerimoniar«, das heißt von demjenigen, der für die Pflege der »heiligen Zerimonien« zuständig ist. Die liturgischen Bücher sprechen heute vielmehr vom Zeremonienmeister. Und der Meister lehrt dich die Liturgie, wenn er dich zur Begegnung mit dem Pascha-Mysterium Christi führt; zugleich muss er alles so ordnen, dass die Liturgie Würde, Einfachheit und Ordnung ausstrahlt (vgl. Caeremoniale Episcoporum, 34). Der Dienst des Zeremonienmeisters ist Diakonie: er arbeitet im Dienst an der Gemeinde mit dem Bischof zusammen. Aus diesem Grund beauftragt jeder Bischof einen Zeremonienmeister, der diskret und umsichtig handeln soll, indem er den Ritus nicht über dessen Bedeutung stellt, sondern der helfen soll, Bedeutung und Geist das Ritus wahrzunehmen, indem er durch sein Handeln unterstreicht, dass der gekreuzigte und auferstandene Christus der Mittelpunkt ist.
Teilnahme des Gottesvolkes
Insbesondere in der Kathedrale koordiniert der für die bischöflichen Gottesdienste Verantwortliche als Mitarbeiter des Bischofs all jene, die im Rahmen der liturgischen Handlung einen Dienst verrichten, damit die fruchtbare Teilnahme des Gottesvolkes gefördert wird. Hier kommt erneut ein Grundprinzip des Zweiten Vatikanums zum Tragen: Wir müssen stets das Wohl der Gemeinschaft, die pastorale Sorge für die Gläubigen vor Augen haben (vgl. ebd., 34), um das Volk zu Christus zu führen und Christus zum Volk zu bringen. Das ist das Hauptziel, das auch an erster Stelle stehen muss, wenn ihr die Gottesdienste vorbereitet und leitet. Wenn wir dies vernachlässigen, werden wir eine schöne Ritualität haben, aber ohne Kraft, ohne Geschmack, ohne Sinn, weil sie das Herz und das Leben des Volkes Gottes nicht erreicht. Und das geschieht, wenn der Vorsteher der Liturgie de facto nicht der Bischof, der Priester ist, sondern der Zeremoniar, und wenn das Vorstehen in der Liturgie sich in Richtung des Zeremoniars verschiebt, dann ist alles aus. Der Vorsteher ist es, der der Liturgie vorsteht, nicht der Zeremoniar. Im Gegenteil, je verborgener der Zeremoniar ist, desto besser ist es. Je weniger er sich sehen lässt, desto besser. Aber er soll alles koordinieren. Christus ist es, der das Herz bewegt, es ist die Begegnung mit Ihm, die den Geist anzieht. »Eine Feier, die nicht evangelisiert, ist nicht authentisch« (Desiderio desideravi, 37). Sie ist ein »Ballett«, ein ästhetisches, wunderschönes Ballett, aber sie ist kein au-thentischer Gottesdienst.
Das Konzil hatte unter anderem das Ziel, die Gläubigen dahinzuführen, die Fähigkeit wiederzuerlangen, das liturgische Handeln in Fülle zu leben und weiterhin darüber zu staunen, was bei der Feier vor unseren Augen geschieht (vgl. Desiderio desideravi, 31). Man beachte, ich spreche nicht von der ästhetischen Freude, zum Beispiel, oder vom Sinn für Ästhetik, nein, sondern vom Staunen. Das Staunen ist etwas Anderes als ästhetisches Gefallen: Es ist die Begegnung mit Gott. Nur die Begegnung mit dem Herrn versetzt dich in Staunen. Wie kann man dieses Ziel erreichen? Die Antwort findet sich bereits in Sacrosanctum Concilium. Unter
Nr. 14 wird die Ausbildung der Gläubigen empfohlen, aber, so heißt es in der Konstitution, »es besteht keine Hoffnung auf Verwirklichung dieser Forderung, wenn nicht zuerst die Seelsorger vom Geist und von der Kraft der Liturgie tief durchdrungen sind und in ihr Lehrmeister werden. Darum ist es dringend notwendig, dass für die liturgische Bildung des Klerus gründlich gesorgt wird.« Der Lehrmeister selbst wächst also als Erster in der Schule der Liturgie und nimmt an der pas-toralen Sendung teil, den Klerus und die Gläubigen auszubilden.
Einer der komplexesten Aspekte der Reform ist ihre praktische Umsetzung, das heißt die Art und Weise, wie das, was die Konzilsväter festgelegt haben, in den Alltag übersetzt wird. Und zu den Hauptverantwortlichen für die praktische Umsetzung gehört der Zeremonienmeister, der gemeinsam mit dem Direktor des Büros für die liturgische Pas-toral die Diözese, die Gemeinden, die Priester und die anderen Beauftragten dahingehend begleitet, die vom Konzil aufgezeigte Gottesdienstpraxis umzusetzen. Das tut er vor allem durch die Feier selbst. Wie haben wir als Kinder gelernt, Messdiener zu sein? Indem wir unseren älteren Freunden dabei zusahen, wie sie es taten. Das ist die Formung durch die Liturgie, über die ich in Desiderio desideravi geschrieben habe. Würde, Einfachheit und Ordnung werden erreicht, wenn alle nach und nach im Lauf der Jahre verstehen, was sie tun müssen, indem sie am Ritus teilnehmen, ihn feiern, ihn leben. Sicher muss jeder wie in einem großen Orches-ter seinen Part kennen, die Bewegungen, Ges-ten, Texte, die er spricht oder singt. Dann kann die Liturgie eine Sinfonie des Lobes werden, eine von der lex orandi der Kirche erlernte Sinfonie.
An den Kathedralen werden Schulen für die liturgische Praxis eingerichtet. Das ist eine gute Initiative. Man denkt »mystagogisch« über das, was man feiert, nach. Man beurteilt den Stil des Feierns, um über Fortschritte und zu korrigierende Aspekte nachzudenken. Ich ermutige euch, die Leiter der Priesterseminare zu unterstützen, der Liturgie besser vorzustehen, Verkündigung, Ges-ten, Zeichen sorgsam zu vollziehen, damit die zukünftigen Priester zusammen mit dem Studium der liturgischen Theologie auch lernen, gut zu zelebrieren: und das ist der Stil des Vorstehens. Man lernt, wenn man täglich einem Priester zusieht, der weiß, wie man der Liturgie vorsteht, wie man zelebriert, weil er aus der Liturgie lebt, und wenn er zelebriert, dann betet er. Ich fordere euch auf, den für die Minis-tranten Verantwortlichen zu helfen, die Liturgie in den Pfarreien vorzubereiten, durch die Einführung kleiner Schulen für liturgische Bildung, welche Geschwisterlichkeit, Katechese, Mystagogie und Gottesdienstpraxis miteinander verbinden.
Wenn der für die Liturgie Verantwortliche den Bischof in eine Pfarrei begleitet, ist es gut, den Stil des Feierns zu schätzen, den man dort lebt. Es nützt nichts, eine schöne »Parade« abzuhalten, wenn der Bischof da ist, und danach ist alles genauso wie vorher. Eure Aufgabe ist nicht, den Ritus für einen Tag festzulegen, sondern eine Liturgie vorzuschlagen, die man nachahmen kann, mit jenen Anpassungen, die die Gemeinde aufgreifen kann, um im liturgischen Leben zu wachsen. So wächst nach und nach der Stil der Gottesdienstfeier in der Diözese. Denn in die Pfarreien zu gehen und nichts zu sagen angesichts von Liturgiefeiern, die ein wenig schlampig, vernachlässigt, schlecht vorbereitet sind, bedeutet, den Gemeinden nicht zu helfen, sie nicht zu begleiten. Vielmehr ist es gut, den Hirten mit Feingefühl, im Geist der Brüderlichkeit zu helfen, über die Liturgie nachzudenken, sie mit den Gläubigen vorzubereiten. Dabei muss der Zeremonienmeister große pastorale Klugheit walten lassen: Wenn er mitten unter dem Volk ist, wird er sofort verstehen und wissen, wie er die Mitbrüder begleiten kann, wie er den Gemeinden das vorschlagen kann, was angemessen und realisierbar ist, welches die notwendigen Schritte sind, um die Schönheit der Liturgie und des gemeinsamen Feierns wiederzuentdecken.
Und abschließend möchte ich euch ermahnen, die Stille zu pflegen. In der heutigen Zeit redet man und redet man… Stille. Insbesondere vor den Gottesdiensten. Oft ist es ein Moment, den man als soziales Treffen versteht, man redet miteinander: »Ah, wie geht es dir? Was machst du so, was machst du nicht?« Die Stille hilft der Versammlung und den Konzelebranten, sich auf das zu konzentrieren, was man gleich tun wird. Oft ist es in den Sakristeien vor und nach den Got-tesdiensten laut, aber die Stille hilft, sich für das Mysterium zu öffnen und sich darauf vorzubereiten: Die Stille ist es, die dich auf das Mysterium vorbereitet, die dessen Aneignung ermöglicht, das Echo des gehörten Wortes zum Klingen bringt. Geschwisterlichkeit ist schön, einander zu begrüßen ist schön, aber die Begegnung mit Jesus ist es, der unserer Begegnung untereinander, unserem Zusammenkommen Sinn verleiht. Wir müssen die Stille wiederentdecken und wertschätzen!
Prägnante Predigten
Das möchte ich ganz besonders unterstreichen. Und jetzt sage ich etwas, das mit der Stille zusammenhängt, aber es gilt für die Priester. Bitte, die Predigten: Sie sind ein Desaster. Manchmal höre ich jemanden sagen: »Ja, ich bin in der Pfarrei zur Messe gegangen. Eine gute Philosophievorlesung,
40, 45 Minuten. Acht, zehn Minuten: nicht mehr! Und immer ein Gedanke, eine Gemütsbewegung und ein Bild. Die Menschen sollen etwas mit nach Hause nehmen. In Evangelii gaudium habe ich das unterstrichen. Und ich habe das schon so oft gesagt, denn es ist etwas, das wir nie ganz verstanden haben: Die Predigt ist kein Vortrag, sie gehört zu den Sakramentalien. Die Lutheraner sagen, dass es ein Sakrament ist, ein Sakramentale – ich glaube, es sind die Lutheraner –, es ist ein Sakramentale, kein Vortrag. Man bereitet sie im Gebet vor, man bereitet sie mit apostolischem Geist vor. Bitte, die Predigten sind im Allgemeinen ein De-saster.
Meine Lieben, bevor ich euch einzeln begrüße, möchte ich euch nochmals ermutigen für das, was ihr im Dienst an der Umsetzung der uns von den Konzilsvätern anvertrauten Reform tut. Setzen wir uns alle dafür ein, das gute, bereits begonnene Werk fortzusetzen. Helfen wir den Gemeinden, die Liturgie zu leben, sich von ihr formen zu lassen, damit es sein möge, wie die Heilige Schrift sagt: »Wer durstig ist, der komme! Wer will, empfange unentgeltlich das Wasser des Lebens!« (Offb 22,17). Bieten wir allen das Wasser aus der Quelle an, das in reicher Fülle aus der Liturgie der Kirche hervorströmt.
Ich wünsche euch gute Arbeit und segne euch von Herzen. Und bitte betet für mich, vergesst es nicht. Danke!
(Orig. ital. in O.R. 21.1.2023)