· Vatikanstadt ·

Generalaudienz auf dem Petersplatz am 15. März

Verschiedenheit des Dienstes, Einheit der Sendung

 Verschiedenheit des Dienstes, Einheit der Sendung   TED-012
24. März 2023

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

Wir setzen die Katechesen über die Leidenschaft für die Evangelisierung fort: nicht nur über die »Evangelisierung«, sondern über die Leidenschaft für die Evangelisierung. Und in der Schule des Zweiten Vatikanischen Konzils wollen wir versuchen, besser zu verstehen, was es bedeutet, heute »Apostel« zu sein. Das Wort »Apostel« stellt uns die Gruppe der zwölf von Jesus auserwählten Jünger vor Augen. Manchmal bezeichnen wir einen Heiligen oder ganz allgemein die Bischöfe als »Apostel«: Sie sind Apostel, weil sie im Namen Jesu wirken. Aber sind wir uns bewusst, dass das Apostelsein jeden Christen betrifft? Sind wir uns bewusst, dass es einen jeden von uns betrifft? Tatsächlich sind wir berufen, Apostel – also Gesandte – zu sein in einer Kirche, die wir im Glaubensbekenntnis als »apos-tolisch« bezeichnen.

Zum Apostelsein berufen

Was also bedeutet es, Apostel zu sein? Es bedeutet, ausgesandt zu sein. Exemplarisch und grundlegend ist das Ereignis, in dem der auferstandene Christus seine Apostel in die Welt sendet und ihnen die Macht überträgt, die er selbst vom Vater empfangen hat, indem er ihnen seinen Geist schenkt. Wir lesen im Evangelium nach Johannes: »Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!« (20,21-22).

Ein weiterer grundlegender Aspekt des Apostelseins ist die Berufung, also der Ruf. So war es von Anfang an: Der Herr Jesus »rief die zu sich, die er selbst wollte, und sie kamen zu ihm« (Mk 3,13). Er stellte sie als Gruppe zusammen und gab ihnen den Titel »Apostel«, damit sie mit ihm seien und er sie aussende (vgl. Mk 3,14; Mt 10,1-42). Der heilige Paulus stellt sich in seinen Briefen so vor: »Paulus, […] berufener Apostel«, also Gesandter
(1 Kor 1,1), und auch: »Paulus, Knecht
Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert, das Evangelium Gottes zu verkünden« (Röm 1,1). Und er besteht darauf, dass er »zum Apostel berufen« sei, »nicht von Menschen oder durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und durch Gott, den Vater, der ihn von den Toten auferweckt hat« (Gal 1,1); Gott hat ihn schon im Mutterleib berufen, das Evangelium unter den Völkern zu verkünden (vgl. Gal 1,15-16).

Die Erfahrung der zwölf Apostel und das Zeugnis des Paulus hinterfragen auch uns heute. Sie laden uns ein, unsere Haltungen zu überprüfen, unsere Entschlüsse, unsere Entscheidungen zu überprüfen, auf der Grundlage dieser Fixpunkte: Alles hängt von einem unentgeltlichen Ruf Gottes ab; Gott erwählt uns auch für Dienste aus, die manchmal unsere Fähigkeiten zu übersteigen oder unseren Erwartungen nicht zu entsprechen scheinen; auf den als unentgeltliches Geschenk empfangenen Ruf muss man unentgeltlich antworten.

Das Konzil sagt: »Die christliche Berufung ist ihrer Natur nach auch Berufung zum
Apos-tolat« (Dekret Apostolicam actuositatem [AA], 2). Es handelt sich um einen Ruf, der allen gemeinsam ist, denn »gemeinsam [ist] die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Berufung zur Vollkommenheit, eines ist das Heil, eine die Hoffnung und ungeteilt die Liebe« (LG, 32).

Es ist ein Ruf, der sowohl jene betrifft, die das Weihesakrament empfangen haben, als auch die geweihten Personen, als auch einen jeden gläubigen Laien, Mann oder Frau, es ist ein Ruf, der an alle ergeht. Du bist gezwungen, den Schatz, den du durch deine christliche Berufung empfangen hast, weiterzugeben: Das ist die Dynamik der Berufung, das ist die Dynamik des Lebens. Es ist ein Ruf, der dazu befähigt, die eigene apostolische Aufgabe aktiv und kreativ zu erfüllen, im Schoße einer Kirche, in der »eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung [besteht]. Den Aposteln und ihren Nachfolgern wurde von Christus das Amt übertragen, in seinem Namen und in seiner Vollmacht zu lehren, zu heiligen und zu leiten. Die Laien hingegen« – ihr alle, die meisten von euch sind Laien – »die Laien hingegen, die auch am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi teilhaben, verwirklichen in Kirche und Welt ihren eigenen Anteil an der Sendung des ganzen Volkes Gottes« (AA, 2).

Was versteht das Konzil in diesem Rahmen unter der Zusammenarbeit der Laien mit der Hierarchie? Was versteht es darunter? Handelt es sich um eine rein strategische Anpassung an die neuen Situationen, die kommen? Durchaus nicht, nein: Da ist noch etwas mehr, das die augenblicklichen Umstände übersteigt und das seinen eigenen Wert auch für uns behält. So ist die Kirche, sie ist apos-tolisch.

Gleichheit der Würde

Im Rahmen der Einheit der Sendung darf die Vielfalt der Charismen und Dienste innerhalb des kirchlichen Leibes keinen Raum für privilegierte Kategorien schaffen: Hier gibt es keine Beförderung, und wenn du das christliche Leben als Beförderung verstehst – dass der, der oben steht, den anderen befiehlt, weil er es geschafft hat, die Karriereleiter hochzuklettern –, dann das ist kein Christentum. Das ist reines Heidentum. Die christliche Berufung ist keine Beförderung, um nach oben zu gelangen, nein! Sie ist etwas anderes. Und es gibt etwas Großartiges: Wenn auch einige nach Christi Willen vielleicht an einen wichtigeren Platz gestellt wurden und »als Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi«
(LG, 32). Wer hat mehr Würde in der Kirche: der Bischof, der Priester? Nein… wir alle sind Christen im Dienst der anderen. Wer ist wichtiger in der Kirche: die Ordensschwester oder der einfache, getaufte Mensch, das Kind, der Bischof…? Alle sind gleich, wir sind gleich, und wenn ein Teil sich für wichtiger hält als die anderen und mit erhobenem Haupt daherkommt, dann irrt er sich. Das ist nicht die Berufung Jesu. Die Berufung, die Jesus gibt, allen – auch jenen, die auf höheren Posten zu sein scheinen –, ist der Dienst, den anderen dienen, dich erniedrigen. Wenn du einen Menschen in der Kirche findest, der eine höhere Berufung hat und du siehst, dass er eitel ist, dann sollst du sagen: »der Arme«; bete für ihn, weil er nicht verstanden hat, was Gottes Berufung ist. Gottes Berufung ist Anbetung des Vaters, Liebe zur Gemeinschaft und Dienst. Das bedeutet es, Apostel zu sein, das ist das Zeugnis der Apostel.

Die Frage der Gleichheit der Würde verlangt von uns, viele Aspekte unserer Beziehungen, die für die Evangelisierung entscheidend sind, zu überdenken. Sind wir uns zum Beispiel der Tatsache bewusst, dass wir mit unseren Worten der Würde der Menschen Schaden zufügen und so die Beziehungen innerhalb der Kirche zerstören können? Während wir versuchen, mit der Welt einen Dialog zu führen, verstehen wir es auch, unter uns Gläubigen einen Dialog zu führen? Oder geht in der Pfarrgemeinde einer gegen den anderen, zieht einer über den anderen her, um weiter nach oben zu klettern? Verstehen wir, zuzuhören und die Meinungen des anderen zu verstehen, oder setzen wir uns durch, vielleicht sogar mit in Watte gepackten Worten? Zuhören, sich erniedrigen, im Dienst der anderen stehen: Das bedeutet dienen, das bedeutet Christ sein, das bedeutet Apostel sein.

Liebe Brüder und Schwestern, fürchten wir uns nicht, uns diese Fragen zu stellen. Fliehen wir vor der Eitelkeit, vor der Eitelkeit der Posten. Diese Worte können uns helfen zu überprüfen, wie wir unsere Taufberufung leben, wie wir unser Apostelsein leben in einer apostolischen Kirche, die im Dienst der anderen steht.

(Orig. ital. in O.R. 15.3.2023)