Erzbischof von Canterbury, Primas der anglikanischen Gemeinschaft

von Justin Welby

JERUSALEM, ISRAEL - JUNE 26:  Archbishop of Canterbury Justin Welby arrives to pray at the Western ...
17. März 2023

Zum ersten Mal bin ich Papst Franziskus zwei oder drei Monate nach meinem Amtsbeginn begegnet, und ich war sehr nervös. Ich hatte noch nie einen Papst getroffen. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ich wusste nicht, was für ein Mensch er war. Wie sind hineingegangen, ich habe mich hingesetzt, und er hat mir gesagt: »Ich bin älter als du…« Und ich habe gedacht: »Oh Mamma mia, das ist einer von denen… [die alles besser wissen]« Aber er hat hinzugefügt: »… drei Tage!« Denn er hatte das Pontifikat drei Tage vor meinem Amtsantritt begonnen. Dieser Anfang hat mir viel über Papst Franziskus verraten und meine Erfahrung von ihm geprägt. Ich habe seine außerordentlich tiefe Menschlichkeit erlebt, die in Bezug auf die Wahrheit keine Kompromisse eingeht und jedem Menschen einen unendlichen Wert zuspricht. Viele sagen genau das – ich sage das –, aber er lebt es. Das Zweite ist eine bemerkenswerte Offenheit in der Herangehensweise in Bezug auf die Moral. Er versucht, die Probleme aus einem anderen Blickwinkel, auf andere Weise zu sehen. Vielleicht ist das sein Background als Jesuit. Ich weiß es nicht, das geschieht häufig bei den Jesuiten, aber das Ergebnis ist, dass er die Probleme von einem überraschenden Gesichtspunkt aus angeht. Wenn du mit ihm über die vielen Probleme sprichst, die die Kirche zu bewältigen hat, dann sieht er in das Herz des Menschen und findet Mittel und Wege, so zu lieben, dass die verhärteten Teile des Herzens befreit werden können. Als Drittes möchte ich über ihn sagen, dass die Einfachheit, die bei ihm zutage tritt, eine authentische Einfachheit ist. Diese drei Dinge – die bemerkenswerte Kapazität seines Intellekts und Charakters, die Tiefe seines Herzens und seine Einfachheit – ermöglichen es ihm, auf außerordentliche Weise diejenigen zu erreichen, die außerhalb der Kirche sind, wie dies der heilige Johannes Paul II. tat. Da ist eine Tiefe, die ein Segen für die ganze Kirche ist, nicht nur für die römisch-katholische Kirche.