Generalaudienz auf dem Petersplatz am 8. März

Kreative Suche nach

 Kreative Suche nach  TED-011
17. März 2023

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

In der vorigen Katechese haben wir gesehen, dass das erste »Konzil« in der Kirchengeschichte – ein Konzil, wie das Zweite Vaticanum –, das erste Konzil, in Jerusalem einberufen wurde wegen einer Frage, die mit der Evangelisierung verbunden war, der Verkündigung der guten Nachricht an die Nichtjuden – man hatte gemeint, dass die Verkündigung des Evangeliums nur den Juden gebracht werden sollte. Im 20. Jahrhundert hat das Zweite Vatikanische Ökumenische Konzil die Kirche als Gottesvolk, das in der Zeit pilgert, und als »ihrem Wesen nach ›missionarisch‹« (Dekret Ad gentes, 2) beschrieben. Was bedeutet das? Es gibt gleichsam eine Brücke zwischen dem ersten und dem letzten Konzil, im Zeichen der Evangelisierung, eine Brücke, deren Erbauer der Heilige Geist ist. Heute wollen wir dem Zweiten Vatikanischen Konzil Gehör schenken, um zu entdecken, dass das Evangelisieren immer ein kirchlicher Dienst ist und nie einsam, nie isoliert, nie individualistisch stattfindet. Die Evangelisierung findet immer »in ecclesia« statt, also gemeinschaftlich, und ohne Proselytenmacherei, denn das ist keine Evangelisierung.

Kirchliche Dimension

Denn der Evangelisierer gibt immer das weiter, was er oder sie selbst empfangen hat. Der heilige Paulus hat das als Erster geschrieben: Das Evangelium, das er verkündet hat und das die Gemeinden empfangen haben und an dem sie festhalten, ist dasselbe, das der Apostel seinerseits empfangen hatte (vgl. 1 Kor 15,1-3). Man empfängt den Glauben, und man gibt den Glauben weiter. Diese kirchliche Dynamik der Weitergabe der Botschaft ist verbindlich und garantiert die Au-thentizität der christlichen Verkündigung. Paulus schreibt auch an die Galater: »Auch wenn wir selbst oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten als das, das wir verkündet haben – er sei verflucht« (1,8). Das ist schön, und das ist eine gute Antwort auf viele Sichtweisen, die gerade in Mode sind…

Die kirchliche Dimension der Evangelisierung ist daher ein Kriterium zur Überprüfung des apostolischen Eifers. Eine notwendige Überprüfung, denn die Versuchung, »einsam« vorzugehen, lauert überall, besonders dann, wenn der Weg unwegsam wird und wir die Last des Einsatzes spüren. Ebenso gefährlich ist die Versuchung, einfacheren pseudo-kirchlichen Wegen zu folgen, die weltliche Logik der Zahlen und der Meinungsumfragen anzunehmen, auf die Kraft unserer Ideen, Pläne, Strukturen, »wichtiger Beziehungen« zu setzen. Das geht nicht, das soll ein wenig helfen, aber grundlegend ist die Kraft, die der Heilige Geist dir gibt, um die Wahrheit Jesu Christi zu verkünden, um das Evangelium zu verkünden. Die anderen Dinge sind nebensächlich.

Jetzt, Brüder und Schwestern, wollen wir uns unmittelbarer in die Schule des Zweiten Vatikanischen Konzils stellen und einige Nummern des Dekrets Ad gentes (AG), des Dokuments über die Missionstätigkeit der Kirche, noch einmal lesen. Diese Texte des Zweiten Vaticanums behalten weiterhin ihren vollen Wert auch in unserem komplexen und pluralistischen Kontext.

Zunächst lädt dieses Dokument, AG, dazu ein, die Liebe Gottes, des Vaters, als eine Quelle zu betrachten: Er »hat uns in seiner übergroßen Barmherzigkeit und Güte aus freien Stücken geschaffen und überdies gnadenweise gerufen, Gemeinschaft zu haben mit ihm in Leben und Herrlichkeit. Er hat
die göttliche Güte freigebig ausgegossen und gießt sie immerfort aus, so dass er, der
Schöpfer von allem, endlich ›alles in allem‹
(1 Kor 15,28) sein wird, indem er zugleich seine Herrlichkeit und unsere Seligkeit bewirkt« (Nr. 2). Dieser Abschnitt ist grundlegend, denn er sagt, dass die Liebe des Vaters an jeden Menschen gerichtet ist. Die Liebe Gottes gilt nicht nur einer kleinen Gruppe, nein… allen. Behaltet dieses Wort gut im Kopf und im Herzen: alle, keiner ausgeschlossen, so sagt der Herr. Und diese Liebe zu jedem Menschen ist eine Liebe, die jeden Mann und jede Frau erreicht durch die Sendung Jesu, Mittler des Heils und unser Erlöser (vgl. AG, 3), und durch die Sendung des Heiligen Geistes (vgl. AG, 4), der – der Heilige Geist – in einem jeden wirkt, sowohl in den Getauften als auch in den Ungetauften. Der Heilige Geist wirkt!

Dienst am Evangelium

Außerdem ruft das Konzil in Erinnerung, dass es Aufgabe der Kirche ist, die Sendung Christi weiterzuführen, der »den Armen frohe Botschaft zu bringen gesandt war«. Deshalb – so das Dokument weiter – »muss sie unter Führung des Geistes Christi denselben Weg gehen, den Christus gegangen ist, nämlich den Weg der Armut, des Gehorsams, des Dienens und des Selbstopfers bis zum Tode hin, aus dem er dann durch seine Auferstehung als Sieger hervorging« (AG, 5). Wenn sie diesem »Weg« treu bleibt, dann ist die missionarische Tätigkeit der Kirche die »Kundgabe oder Epi-phanie und Erfüllung des Planes Gottes in der Welt und ihrer Geschichte« (AG, 9).

Brüder und Schwestern, diese kurzen Hinweise helfen uns, auch den kirchlichen Sinn des apostolischen Eifers eines jeden missionarischen Jüngers zu verstehen. Der apostolische Eifer ist keine Begeisterung, sondern etwas anderes; er ist eine Gnade Gottes, die wir bewahren müssen. Wir müssen den Sinn verstehen, denn im pilgernden und evangelisierenden Gottesvolk gibt es nicht aktive Träger und passive Träger. Es gibt nicht jene, die predigen, die auf die eine oder andere Weise das Evangelium verkündigen, und jene, die schweigen. Nein. In Evangelii gaudium heißt es: »Jeder Getaufte ist, unabhängig von seiner Funktion in der Kirche und dem Bildungsniveau seines Glaubens, aktiver Träger der Evangelisierung« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 120). Bist du Christ? »Ja, ich habe die Taufe empfangen…« Und evangelisierst du? »Was bedeutet das denn…?« Wenn du nicht evangelisierst, wenn du kein Zeugnis gibst, wenn du nicht jenes Zeugnis der Taufe gibst, die du empfangen hast, des Glaubens, den der Herr dir geschenkt hat, dann bist du kein guter Christ. Kraft der empfangenen Taufe und folglich der Eingliederung in die Kirche hat jeder Getaufte teil an der Sendung der Kirche und in ihr an der Sendung Christi, des Königs, Priesters und Propheten. Brüder und Schwestern, diese Aufgabe »ist überall und in jeder Lage ein und dieselbe, auch wenn sie, je nach Umständen, nicht in der gleichen Weise ausgeübt wird« (AG, 6). Das lädt uns ein, nicht zu verkalken oder zu versteinern; es erlöst uns aus jener Unruhe, die nicht von Gott kommt. Der missionarische Eifer des Gläubigen kommt auch zum Ausdruck als kreative Suche nach neuen Formen der Verkündigung und des Zeugnisses, nach neuen Formen, der verwundeten Menschheit zu begegnen, derer Christus sich angenommen hat. Kurz gesagt, nach neuen Formen, dem Evangelium zu dienen und der Menschheit zu dienen. Die Evangelisierung ist ein Dienst. Wenn jemand sich als Evangelisierer bezeichnet und jene dienende Haltung, jenes dienende Herz nicht besitzt und sich für einen Herren hält, dann ist er kein Evangelisierer, nein…, sondern ein armer Wicht.

Zur Quelle der Liebe des Vaters und zu den Sendungen des Sohnes und des Heiligen
Geistes zurückzukehren verschließt uns nicht in Räume statischer persönlicher Ruhe. Im Gegenteil, es bringt uns dazu, die Unentgeltlichkeit des Geschenks der Fülle des Lebens, zu der wir berufen sind, zu erkennen: dieses Geschenk, für das wir Gott loben und ihm danken. Dieses Geschenk ist nicht nur für uns, sondern es ist dazu da, es den anderen zu geben. Und es bringt uns auch dazu, das Empfangene in immer größerer Fülle zu leben und es mit den anderen zu teilen, mit Verantwortungsbewusstsein und indem wir gemeinsam die oft gewundenen und schwierigen Wege der Geschichte beschreiten, in wachsamer und tätiger Erwartung ihrer Erfüllung. Bitten wir den Herrn um die Gnade, diese christliche Berufung in die Hand zu nehmen und dem Herrn zu danken für das, was er uns geschenkt hat, für diesen Schatz. Und versuchen wir, ihn an die anderen weiterzugeben.

(Orig. ital. in O.R. 8.3.2023)