Gedanken zum Sonntag - 19. März: Vierter Fastensonntag

Das innere Auge des Glaubens

 Das innere Auge des Glaubens  TED-011
17. März 2023

»Laetare Jerusalem! – Freue Dich, Jerusalem.« Der Eröffnungsvers der heiligen Messe an diesem 4. Sonntag der Fastenzeit gibt den Ton der Feier vor: Freude! Freude soll unter den Christen auf dem Weg nach Ostern herrschen. Nicht die ausgelassene Freude der Tage des Karnevals, sondern jene innere Freude, die aus dem Bewusstsein kommt, dass Gott, der Herr, der Hirte seines Volkes ist.

Gott, der Herr, ist ein Hirt, der die Herzen der Seinen kennt, der die Herde auf saftige Weiden führt und sie vor den Feinden bewahrt. Ein Hirt, der den Weg vorgibt, weil er selber der Weg ist. Ein Hirt schließlich, der seine Herde aus der Finsternis herausholt und ins Licht bringt, damit alle als Kinder des Lichtes leben, in Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.

Was das für den einzelnen Christen bedeutet, wird aus der Erzählung von der Heilung des Blindgeborenen aus dem Johannesevangelium deutlich. An ihm, der sein Leben bisher in Finsternis verbracht hat, wirkt Jesus ein doppeltes Wunder.

Zunächst heilt er ihn von seiner körperlichen Blindheit. Das geschieht aber nicht, ohne dass der Blindgeborene sein Teil dazu beitragen muss: Jesus streicht ihm einen Teig aus Erde und Speichel auf die Augen, aber der Blinde wird erst sehend, nachdem er sich gewaschen hat. Jesus wirkt das Wunder, aber der Mensch kann nicht rein passiv bleiben. Jesus schenkt die Gnade, die Gnade aber setzt die Natur voraus.

Mit der Heilung ist das Wunder aber noch nicht abgeschlossen. Jesus lässt sich nicht nur mit den körperlichen Augen sehen. Er gibt sich ihm als der Menschensohn, als der Erlöser zu erkennen. Diese Offenbarung öffnet ihm auch das innere Auge, das Auge des Glaubens. Und der geheilte Blinde nimmt Jesus an und bekennt ihm seinen Glauben. Auch hier schenkt Jesus die Gnade – aber es liegt am Menschen, sie anzunehmen.

In der Taufe ist jeder von uns mit dem Licht Christi erleuchtet worden, das jede Nacht erhellt. Um als Kinder des Lichtes leben zu können, muss dieses Licht angenommen und vom Glauben und von Taten des Glaubens
genährt werden. So führt es zur Freude, die die menschliche Vorstellung übersteigt.

P. Dr. Markus Graulich,
Untersekretär des Dikasteriums
für die Gesetzestexte