Zum 10. Jahrestag der Wahl von Papst Franziskus

Als Geschenk wünsche ich mir Frieden

 Als Geschenk wünsche ich mir Frieden  TED-011
17. März 2023

Unser »Popecast«: Der Papst spricht in einem Podcast, der von den vatikanischen Medien zum zehnten Jahrestag seines Pontifikats produziert wurde, ein wenig über sich und sein Pontifikat.

»Das erste Wort, das mir einfällt, ist, dass es mir vorkommt, als wäre es gestern gewesen…«

Santa Marta, später Nachmittag. Dies ist kein übliches Interview, es gibt bereits viele über dieses runde Jubiläum. Es sind Gedanken, die den Faden einer für die Kirche intensiven Zeit aufnehmen: sein Pontifikat. Zehn Jahre, in »Spannung« gelebt, sagt er, in einer Zeit, die mehr ist als der Raum, erfüllt von Ereignissen, Begegnungen, Reisen und Gesichtern.

Franziskus wartet an der Tür stehend und stützt sich auf seinen Stock. Er lächelt angesichts des Mikrofons mit dem Logo der vatikanischen Medien und fragt: »Ein Podcast? Was ist das?« Die Antwort nach unserer Erklärung: »Schön, auf geht’s.« Dann meine Frage: Was möchte er anlässlich dieses Meilensteins für sein Leben und seinen Dienst den Menschen in der Welt mitteilen? Der Papst: »Die Zeit drängt… (»pressuroso«, sagt er, wobei er ein spanisches Wort etwas »Italienisch« ausspricht). Ich weiß nicht, ob man auf Italienisch »pressuroso« oder »pressante« sagt. Sie vergeht schnell. Und wenn du das Heute begreifen willst, ist es schon das Ges-tern. Und wenn du das Morgen verstehen willst, dann ist es noch nicht da. Und du stehst in dieser Spannung zwischen einem Heute, das schon Gestern und noch nicht Morgen ist. So zu leben, ist etwas Neues. Diese zehn Jahre waren so, glaube ich, wenn ich heute an meine zehn Jahre denke: Ja, ja, das ist dieser Zustand, voran! Eine Spannung, ein Leben in Spannung.«

Tausende von Audienzen, Hunderte von Besuchen in Diözesen und Pfarreien, vierzig internationale Apostolische Reisen. Vor drei Jahren die Reise in den Irak, wo er als erster Papst die verwundete Erde dieses Scharniers des Nahen Ostens berührt hat. »Es war wunderschön«, sagt er. Aber von all diesem in einem Jahrzehnt in jedem Winkel der Welt Erlebten behält der Papst eine besondere Erinnerung in seinem Herzen. »Der schönste Moment war die Begegnung mit den alten Menschen auf dem Petersplatz. Die alten Menschen sind weise und helfen mir sehr. Ich bin auch alt, nicht wahr? Aber die Alten sind wie der gute Wein, der diese Geschichte des Reifens hat. Die Begegnung mit alten Menschen erneuern mich und lassen mich jünger werden, ich weiß nicht warum… Das sind wunderschöne Momente.«

Es gab aber auch einige schlimme Momente, die alle mit dem Monstrum zu tun haben, das menschliches Leid verursacht, in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart: der Krieg… »Da gab es einige Momente, immer zum selben Thema. Ich möchte diese Kette schlimmer Momente zusammenfassen. Ich habe mit dem Besuch auf dem Soldatenfriedhof von Redipuglia begonnen, dann in Anzio der amerikanische Friedhof, als ich dort am 2. November die heilige Messe gefeiert habe, und dann habe ich das gesehen beim Gedenken an den 60. Jahrestag der Landung in der Normandie. Alle Staatsoberhäupter feierten und ich habe daran gedacht, dass zwanzig- bis dreißigtausend junge Menschen an diesem Strand ihr Leben verloren haben.« Und der Papst fährt fort: »Ich denke an die Mütter, die einen Brief erhalten: ›Sehr geehrte Frau …, ich habe die Ehre, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie die Mutter eines Helden sind. Das ist die Medaille.‹ Der Brief, die Medaille, aber der Sohn lebt nicht mehr.«

Der Einfluss des Krieges hat das Pontifikat geprägt: Von der Mahnwache zur Abwendung des Krieges in Syrien bis zur Barbarei, die sich seit über einem Jahr in der Ukraine abspielt. Dazwischen die durch das Unterwegssein auf der ganzen Erde aus persönlicher Anschauung bekannten Gräuel, gehört von den Opfern der Gewalt, nicht zuletzt in der Demokratischen Republik Kongo. Kleine Stücke, die sich zum einen großen globalen Krieg zusammensetzen.

Ich frage ihn, ob er habe damit gerechnet habe, dass er, Jorge Mario Bergoglio, der Bischof vom Ende der Welt, der Papst in der Zeit eines dritten Weltkriegs sein würde. »Damit habe ich nicht gerechnet… Ich dachte, Syrien sei etwas Einzelnes, aber dann kamen die anderen Konflikte, der Jemen, die Tragödie der Rohingya in Myanmar, als ich dorthin gegangen bin und gesehen habe, dass da ein Weltkrieg war. Aber hinter den Weltkriegen, hinter den Kriegen steht die Waffenindustrie, das ist teuflisch«, sagt Franziskus. »Mir hat ein Techniker gesagt, der gut Bescheid weiß: Wenn man ein Jahr lang keine Waffen produzieren würde, dann wäre der Hunger in der Welt vorbei. Das ist schrecklich.« Ein Papst in Kriegszeiten: »Es schmerzt mich, die Toten zu sehen, die jungen Männer – ob Russen oder Ukrainer, das interessiert mich nicht –, die nicht zurückkommen. Das ist hart.«

Ich frage ihn: Wenn also die Welt Ihnen heute, an diesem wichtigen Jahrestag Ihres Pontifikats, ein Geschenk machen würde, was sollte das dann sein? »Frieden, wir brauchen Frieden«, antwortet er sofort.

Der letzte Gedanke ist eine Anregung zum Nachdenken und die Bitte, etwas Persönliches zu sagen, die Träume, auf die man – wie er stets sagt – nicht verzichten darf, weil sie eng verbunden sind mit der Erinnerung und mit der Zukunft. Drei Träume hat der Papst für die Kirche, für die Welt und die Regierungsverantwortlichen, für die Menschheit: »Drei Worte: die Geschwisterlichkeit, das Weinen, das Lächeln… Die Geschwisterlichkeit der Menschen, wir sind alle Geschwister, die Geschwisterlichkeit wiederherstellen. Lernen, keine Angst haben, zu weinen und zu lächeln: Wenn jemand weinen und lächeln kann, dann ist das jemand, der mit beiden Beinen auf der Erde steht und auf den Horizont der Zukunft blickt. Wenn man vergisst, wie man weint, dann stimmt etwas nicht. Und wenn man zu lächeln vergisst, das ist noch schlimmer.«

»Danke«, sagt er zum Abschluss und macht ein Zeichen mit der Hand, weil er gewohnt ist, Dankesworte stets mit einem Segen zu begleiten. Und diesen Segen erteilt er allen, die über Radio Vatikan überall auf der Welt seine Stimme hören und die ihm in diesen Stunden Glückwünsche senden. »Ich danke euch, die ihr so wohlwollend mir gegen-über seid, so gut. Betet weiter für mich und danke! Ich wünsche euch das Beste.«

Der Papst geht voran. Die Tragödien bleiben ebenso am Horizont wie die Herausforderungen innerhalb und außerhalb der Kirche. »Aber die gute Laune ist immer nützlich«, sagt er. Er entlockt mir ein Lächeln. Denn als wir uns zum Abschied die Hand reichen wollen, hält er sie mir hin und sagt: »Hundert Lire.« Das ist nicht nur ein Scherz, sondern auch ein Zitat aus einem Film des italienischen Neorealismus, den er immer geliebt und oft zitiert hat. In diesem Fall handelt es sich um den Streifen »Miracolo a Milano« (Das Wunder von Mailand). »Erinnerst du dich an die Szene mit De Sica, der einen Wahrsager spielt?«

(Orig. ital. in O.R. 14.3.2023)

Von Salvatore Cernuzio