Sr. Alphonsa berichtet von ihrem Besuch in der Zentralafrikanischen Republik

Missionarische Präsenz in einem vom Krieg zerrütteten Land

 Missionarische Präsenz in einem  vom Krieg zerrütteten Land  TED-006
10. Februar 2023

Sr. Alphonsa Kiven, eine Tertiarschwes-ter des heiligen Franziskus, hat die meis-te Zeit ihres Lebens als Ordensfrau in Führungspositionen verbracht. Nachdem sie in ihrer Heimat Kamerun Provinzoberin war, ist sie nun in ihrer dritten Amtszeit Generalrätin. Sr. Alphonsa wollte schon immer Missionarin sein. Anlässlich ihres Goldenen Ordensjubiläums blickt sie zurück und erzählt, wie der Herr ihren Wunsch auf sehr unerwartete Weise erfüllt hat…

Das Wort »Mission«, damit bin ich eingetreten. Das war schon immer mein Traum… Im Noviziat hatte ich viel über das Leben von Heiligen gelesen. Ich mochte schon immer diejenigen unter ihnen, die in ihrer Jugend viel zu kämpfen hatten – wie Franziskus, Augustinus, Theresia vom Kinde Jesus –, und dann Berichte über Menschen, die in die Mission gingen, ganz allein, weit weg, die sich den Herausforderungen stellten. Diese Geschichten haben mich fasziniert.

Während meiner Zeit im Generalat wurde ich in schwierige Missionen geschickt, vor allem in Konfliktsituationen oder Kriegsgebiete. Als es 2015 in der Zentralafrikanischen Republik zu Gewaltausbrüchen kam, haben wir von den erschreckenden Vorkommnissen gelesen. Man beschloss, dass ich dorthin gehen sollte, weil ich in meiner Zeit als Provinzialoberin in Kamerun dort zwei Missionsstationen eröffnet hatte. Deshalb war Zentralafrika für mich schon immer mein »Lieblingskind«. Alles, was mit dem Land zu tun hat, geht mir unter die Haut.

Also begannen wir, Sachen für die Menschen dort zu sammeln. Dann bemerkte ich, wie in mir ein Konflikt begann: meine Liebe zur Mission an einem herausfordernden Ort auf der einen und die Realität auf der anderen Seite, das waren zwei verschiedene Dinge. Mehrere Leute versprachen, für mich zu beten. Eine Schwes-ter versprach mir, während meines Besuchs in Zentralafrika jeden Tag eine Stunde eucharistische Anbetung für mich zu halten.

Ich verließ Rom und wurde von zwei Schwestern abgeholt. Unser Lastwagen wurde vom kamerunischen Militär bis zur Grenze eskortiert. Es ist sehr schwierig, in Worte zu fassen, was ich fühlte. Was mir durch den Kopf ging, war die Frage: »Wo werden wir wohl angegriffen werden?« Ich saß ganz steif im Auto, weil ich solche Angst hatte. Wir verloren an der Grenze viel Zeit, und es wurde schon dunkel. Ich sagte mir: »Wenn wir angegriffen werden, werden wir nicht einmal wissen, wo wir sterben.«

Wir erreichten das Bischofshaus in Berbérati gegen 21 Uhr bei Vollmond. Die Kinder drängten sich um mich herum, tanzten und sangen: »La mère est arrivée (Mutter ist da)!« Mir liefen die Tränen über die Wangen, als einige an meinem Ordensgewand zogen und andere wollten, dass ich sie auf die Arme nehme. Ich kam voller Angst, angespannt und starr an und wurde vom Jubel der Kinder empfangen. In diesem Moment war das einzige französische Wort, an das ich mich erinnern konnte: »Merci«. Ich ging abends zu Bett und konnte nicht in Worte fassen, was da mit mir geschehen war. Ich war ganz verwirrt durch die Freude der Kinder.

Meine Tätigkeit in dieser Woche bestand darin, nach dem morgendlichen Aufstehen zu beten, mich bei den Soldaten zu bedanken, die uns und die Menschen in der Nacht bewacht hatten (Gott sei Dank hatte ich mein Französisch wiedergefunden), dann ging ich zu den Kindern, um mit ihnen zu sprechen und ihnen das Frühstück zu bringen. (Alle Kinder waren gut genährt).

Tagsüber traf ich mich mit verschiedenen Gruppen. Sie waren alle sehr froh, dass ich mich mit ihnen zusammensetzte, sogar die Muslime. Das Oberhaupt der Muslime sagte eines Tages zu mir: »L’Évêque et les Soeurs sont Allah pour nous« (der Bischof und die Schwestern sind für uns wie Allah). In diesem Moment habe ich Gott gedankt. Ich konnte nur dastehen und den Mann ansehen. Ich konnte mich an kein einziges französisches Wort erinnern.

Ich verbrachte auch Zeit mit den Schwestern, hörte denen zu, die traumatisiert und überfordert waren von der schwierigen Situation, in der sie fast ein Jahr lang gelebt hatten. Ich dankte ihnen dafür, dass sie ihren Glauben bekannt hatten und Zeugnis gegeben hatten für die franziskanischen Werte der Präsenz und des Mitgefühls. Ich erzählte ihnen, dass ich gesehen hatte, wie die Kinder sich am Habit der Schwestern festhielten, wenn eine von ihnen aus dem Haus ging. Ich verbrachte Zeit mit den Frauen und hörte ihnen zu. Sie erzählten mir ihre Geschichten. So viele Menschen waren gestorben. Einige Frauen hatten miterlebt, wie ihre Männer und Kinder in ihrer Gegenwart getötet wurden, wie ihre Häuser niedergebrannt wurden, alle Arten von Gräueltaten. Das sind die Geschichten, die ich mir anhörte. Dann ging ich in ihr Dorf, ein lebendiges Dorf, in dem ich schon einmal gewesen war. Dort hatte es eine wunderschöne Moschee gegeben. Jetzt war sie vollkommen zerstört. Ich ging durch dieses Dorf wie über einen Friedhof und fragte Gott: »Warum?« Als ich in das Haus des Bischofs zurückkehrte, konnte ich ihnen nur sagen: »Ich habe es gesehen.« Das war alles. Und sie antworteten: »Merci, ma mère. Merci.« Ihre Dankbarkeit war mehr, als ich ertragen konnte. Ich weine nicht leicht. Aber als ich dort stand, flossen die Tränen in Strömen.

Mit den Kindern gab es viele frohe Momente. Sie wussten, dass jeden Nachmittag, wenn sie mit der Schule fertig waren, Süßigkeiten verteilt wurden. Die Schwes-tern stellten sie in einer Reihe auf – es waren über hundert –, und meine Aufgabe war es, jedem ein Bonbon zu geben. Und dann wurden sie vor Freude ganz laut! Die Freude der Kinder war der allergrößte Kontrast.

So habe ich meine Woche in Berbérati verbracht. Was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, ist der Kontrast zwischen meiner Angst und der Dankbarkeit und Freude der Menschen, die alles verloren hatten. Alles. Man schätzte mich nicht wegen der Decken und der Dinge, die ich mitbrachte. Ich wurde für meine Anwesenheit geschätzt. Mein Besuch in der Zentralafrikanischen Republik während dieser Zeit des gewaltsamen Konflikts war eine Reise, bei der mein Glaube gestärkt wurde und ich erlebte, wie Gott durch das Zeugnis unserer Schwestern für das Evangelium wirkt.

#sistersproject

Von Sr. Alphonsa Kiven,
mit Sr. Bernadette Mary Reis FSP