Mit dem Herzen sprechen
»Von der Liebe geleitet,
die Wahrheit bezeugen« (Eph 4,15)
Liebe Brüder und Schwestern!
Nachdem wir in den vergangenen Jahren über die Verben »hingehen und sehen« und »zuhören« als Voraussetzungen für eine gute Kommunikation nachgedacht haben, möchte ich in dieser Botschaft zum 57. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel das »Sprechen mit dem Herzen« thematisieren. Es ist das Herz, das uns dazu bewegt, hinzugehen, zu sehen und zuzuhören, und es ist das Herz, das uns zu einer offenen und einladenden Kommunikation bewegt. Nachdem wir uns im Zuhören geübt haben, was Warten und Geduld sowie den Verzicht auf eine vorurteilsbehaftete Behauptung unseres Standpunkts erfordert, können wir in die Dynamik des Dialogs und des Austauschs eintreten, die gerade darin besteht, herzlich zu kommunizieren. Wenn wir dem anderen mit reinem Herzen zugehört haben, werden wir auch in der Lage sein, die Wahrheit in Liebe zu sagen (vgl. Eph 4,15). Wir brauchen uns nicht davor zu fürchten, die Wahrheit zu verkünden, auch wenn sie manchmal unbequem ist, sondern davor, dies ohne Nächstenliebe zu tun, ohne Herz. Denn »das Programm des Christen ist – wie Benedikt XVI. schrieb – das ›sehende Herz‹«.1 Ein Herz, das mit seinem Pochen die Wahrheit unseres Seins offenbart und deshalb gehört werden sollte. Das führt dazu, dass sich der Zuhörende auf dieselbe Wellenlänge einstellt, so dass er im eigenen Herzen auch das Schlagen des anderen spüren kann. Dann kann das Wunder der Begegnung geschehen, das uns dazu bringt, aufeinander mit Mitgefühl zu schauen und die Schwächen des anderen mit Respekt zu betrachten, anstatt nach dem Hörensagen zu urteilen und Zwietracht und Spaltungen zu säen.
Jesus gibt uns zu bedenken, dass jeder Baum an seinen Früchten zu erkennen ist (vgl. Lk 6,44): »Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor und der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor. Denn wovon das Herz überfließt, davon spricht sein Mund« (V. 45). Um in der Lage zu sein, wahrheitsgemäß in Liebe zu kommunizieren, muss das eigene Herz gereinigt werden. Nur wenn wir mit reinem Herzen zuhören und sprechen, können wir über den Schein hinaussehen und das vage Rauschen überwinden, das uns, auch im Bereich der Information, nicht dabei hilft, in der Komplexität der Welt, in der wir leben, Unterscheidungen zu treffen. Der Aufruf, mit dem Herzen zu sprechen, ist eine radikale Herausforderung für unsere Zeit, die so sehr zu Gleichgültigkeit wie zu Empörung neigt, manchmal auch auf der Grundlage von Desinformation, die die Wahrheit verfälscht und instrumentalisiert.
Herzlich kommunizieren
Eine herzliche Kommunikation bedeutet, dass diejenigen, die uns lesen oder zuhören, unsere Anteilnahme an den Freuden und Ängsten, Hoffnungen und Leiden der Frauen und Männer unserer Zeit nachvollziehen können. Wer so spricht, liebt den anderen, weil er oder sie sich um ihn oder sie sorgt und seine Freiheit schützt, ohne sie zu verletzen. Wir können diesen Stil bei dem geheimnisvollen Wanderer erkennen, der sich nach der Tragödie auf Golgota mit den Jüngern auf ihrem Weg nach Emmaus unterhält. Der auferstandene Jesus spricht zu ihnen mit dem Herzen, er begleitet respektvoll den Weg ihres Schmerzes, er bietet sich an, statt sich aufzudrängen, und öffnet ihnen liebevoll den Blick für den tieferen Sinn des Geschehenen. Tatsächlich können sie hinterher voll Freude ausrufen, dass ihnen das Herz in der Brust brannte, als er sich mit ihnen auf dem Weg unterhielt und ihnen die Schriften erklärte (vgl. Lk 24,32).
In einer Zeit der Geschichte, die von Polarisierungen und Gegensätzen geprägt ist – wovor leider auch die kirchliche Gemeinschaft nicht gefeit ist –, betrifft die Verpflichtung zu einer Kommunikation »mit offenem Herzen und offenen Armen« nicht nur diejenigen, die im Bereich der Information arbeiten, sondern liegt in der Verantwortung eines jeden. Wir alle sind dazu aufgerufen, die Wahrheit zu suchen und zu sagen, und zwar in Liebe. Gerade wir Christen werden immer wieder ermahnt, unsere Zunge vor dem Bösen zu hüten (vgl. Ps 34,14), denn mit ihr können wir, wie die Schrift lehrt, im gleichen Augenblick den Herrn preisen und die Menschen, die doch nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind, verfluchen (vgl. Jak 3,9). Ein böses Wort sollte nicht aus unserem Mund kommen, »sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, auferbaut und denen, die es hören, Nutzen bringt!« (Eph 4,29).
Manchmal öffnet ein liebevolles Wort selbst in den verhärtetsten Herzen eine Bresche. Auch in der Literatur finden wir Spuren davon. Ich denke an jene denkwürdige Seite in Kapitel XXI der Promessi Sposi (Die Verlobten), in der Lucia mit ihrem Herzen zum Ungenannten spricht, bis dieser, entwaffnet und bewegt von einer heilsamen inneren Krise, der sanften Macht der Liebe nachgibt. Wir erleben sie im bürgerlichen Zusammenleben, wo Freundlichkeit nicht nur eine Frage der »Etikette« ist, sondern ein echtes, richtiggehendes Gegenmittel zur Grausamkeit, die leider die Herzen und die Beziehungen vergiften kann. Wir brauchen sie in den Medien, damit die Kommunikation nicht eine die Gemüter erregende Missgunst schürt und zu Wut und Konfrontation führt, sondern den Menschen hilft, in Ruhe nachzudenken und die Realität, in der sie leben, kritisch und stets respektvoll zu erschließen.
Kommunikation von Herz zu Herz:
»Es genügt, richtig zu lieben,
um gut zu sprechen«
Eines der leuchtendsten und auch heute noch faszinierenden Beispiele für das »Sprechen mit dem Herzen« ist der heilige Kirchenlehrer Franz von Sales, dem ich kürzlich, 400 Jahre nach seinem Tod, das Apostolische Schreiben Totum amoris est gewidmet habe. Neben diesem wichtigen Jahrestag möchte ich bei dieser Gelegenheit an einen weiteren erinnern, der in dieses Jahr 2023 fällt: den hundertsten Jahrestag seiner Proklamation zum Patron der katholischen Journalisten durch Pius XI. mit der Enzyklika Re-rum omnium perturbationem. Franz von Sales, ein brillanter Intellektueller, produktiver Schriftsteller und tiefgründiger Theologe, war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Bischof von Genf – in schwierigen Jahren, die von heftigen Auseinandersetzungen mit den Calvinisten geprägt waren. Seine milde Haltung, seine Menschlichkeit, seine Bereitschaft zum geduldigen Dialog mit allen und besonders mit denen, die sich ihm widersetzten, machten ihn zu einem außergewöhnlichen Zeugen der barmherzigen Liebe Gottes. Man könnte von ihm sagen: »Eine süße Rede vermehrt Freunde und eine redegewandte Zunge vermehrt, was willkommen ist« (Sir 6,5). Eine seiner berühm-testen Aussagen, »das Herz spricht zum Herzen«, hat Generationen von Gläubigen inspiriert, darunter auch den heiligen John Henry Newman, der sie zu seinem Motto Cor ad cor loquitur machte. »Es genügt, richtig zu lieben, um gut zu sprechen«, war eine seiner Überzeugungen. Das zeigt, dass Kommunikation aus seiner Sicht niemals auf einen Kunstgriff, auf eine – wie wir heute sagen würden – Marketingstrategie reduziert werden darf, sondern dass sie der Spiegel der Seele ist, die sichtbare Oberfläche eines für die Augen unsichtbaren Kerns der Liebe. Für den heiligen Franz von Sales findet gerade »im Herzen und durch das Herz jener feine und intensive Prozess statt, durch den der Mensch Gott erkennt«.2 Indem er »richtig liebte«, konnte der heilige Franz sich mit dem taubstummen Martin verständigen und zu seinem Freund werden; daher gilt er auch als Schutzpatron von Menschen mit Kommunikationsstörungen.
Von diesem »Kriterium der Liebe« ausgehend, erinnert uns der heilige Bischof von Genf in seinen Schriften und mit seinem Lebenszeugnis daran, dass »wir sind, was wir kommunizieren«. Dies ist heutzutage eine unkonventionelle Lektion, in einer Zeit, in der, wie wir besonders in den sozialen Netzwerken erleben, die Kommunikation oft instrumentalisiert wird, damit die Welt uns so sieht, wie wir gerne wären und nicht so, wie wir sind. Der heilige Franz von Sales verbreitete zahlreiche Exemplare seiner Schriften in der Genfer Gemeinschaft. Diese »journalistische« Intuition verschaffte ihm einen Ruf, der schnell über die Grenzen seiner Diözese hinausging und bis heute anhält. Seine Schriften sind, wie der heilige Paul VI. feststellte, »eine äußerst angenehme, lehrreiche und anregende Lektüre«.3 Wenn wir uns die heutige Kommunikationslandschaft anschauen: Sind das nicht genau die Merkmale, über die ein Artikel, eine Reportage, ein Radio- oder Fernsehbeitrag oder ein Post in den sozialen Medien verfügen sollte? Mögen sich die, die im Bereich der Kommunikation tätig sind, von diesem Heiligen der Zärtlichkeit inspirieren lassen, indem sie mutig und frei die Wahrheit suchen und sagen, aber der Versuchung widerstehen, plakative und aggressive Ausdrücke zu verwenden.
Mit dem Herzen sprechen
im synodalen Prozess
Wie ich bereits Gelegenheit hatte, zu betonen, ist es »auch in der Kirche dringend […] notwendig, zuzuhören und aufeinander zu hören. Es ist das wertvollste und fruchtbarste Geschenk, das wir einander machen können«.4 Aus einem unvoreingenommenen, aufmerksamen und bereitwilligen Zuhören entsteht ein Sprechen gemäß dem Stil Got-tes, das von Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit genährt wird. Wir brauchen in der Kirche dringend eine Kommunikation, die die Herzen entzündet, die Balsam auf die Wunden ist und die den Weg unserer Brüder und Schwestern erhellt. Ich träume von einer kirchlichen Kommunikation, die es versteht, sich vom Heiligen Geist leiten zu lassen, freundlich und zugleich prophetisch; die es versteht, neue Formen und Wege für die wunderbare Botschaft zu finden, die in das dritte Jahrtausend weiterzutragen sie berufen ist. Von einer Kommunikation, die sich auf die Beziehung zu Gott und zum Nächsten, insbesondere zu den Bedürftigsten, konzentriert und die es versteht, das Feuer des Glaubens zu entfachen, anstatt die Asche einer selbstbezogenen Identität aufzubewahren. Von einer Kommunikation, deren Grundlage demütiges Zuhören und die parresia beim Sprechen ist, welche niemals die Wahrheit von der Liebe trennt.
Die Herzen entwaffnen durch die Förderung einer Sprache des Friedens
»Sanfte Zunge bricht Knochen«, heißt es im Buch der Sprichwörter (25,15). Es ist heute notwendiger denn je, mit dem Herzen zu sprechen, um dort, wo Krieg herrscht, eine Kultur des Friedens zu fördern und dort, wo Hass und Feindschaft wüten, Wege für Dialog und Versöhnung zu öffnen. Im dramatischen Kontext globaler Konflikte, den wir derzeit erleben, ist es dringend notwendig, eine nicht feindselige Kommunikation zu fördern. Es ist notwendig, die Gewohnheit zu überwinden, »den Gegner schnell zu diskreditieren und mit demütigenden Schimpfwörtern zu versehen, anstatt sich einem offenen und respektvollen Dialog zu stellen«.5 Wir brauchen dialogbereite Kommunikatoren, die für eine ganzheitliche Abrüstung eintreten und sich für den Abbau der Kriegspsychose engagieren, die sich in unsere Herzen einnis-tet, so wie es der heilige Johannes XXIII. in der Enzyklika Pacem in Terris prophetisch angemahnt hat: »Der wahre Friede kann nur durch gegenseitiges Vertrauen fest und sicher bestehen« (vgl. Nr. 61). Ein Vertrauen, das Kommunikatoren braucht, die sich nicht verschanzen, sondern die mutig und kreativ sind, bereit dazu, Risiken einzugehen, um eine gemeinsame Basis zu finden, auf der man einander begegnen kann. Wie vor sechzig Jahren leben wir heute in einer dunklen Stunde, in der die Menschheit eine Eskalation des Krieges befürchtet, welche so schnell wie möglich eingedämmt werden muss, auch im Bereich der Kommunikation. Man kann nur bestürzt darüber sein, wie leichtfertig zur Zerstörung von Völkern und Gebieten aufgerufen wird. Das sind Worte, die leider oft in kriegerische Handlungen von abscheulicher Gewalt münden. Deshalb ist jede Kriegsrhetorik abzulehnen, ebenso wie jede Form von Propaganda, die die Wahrheit manipuliert und zu ideologischen Zwecken verbiegt. Stattdessen sollte auf allen Ebenen eine Kommunikation gefördert werden, die dazu beitragen kann, die Bedingungen für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Völkern zu schaffen.
Als Christen wissen wir, dass für das Schicksal des Friedens die Bekehrung des Herzens entscheidend ist, denn der Virus des Krieges kommt aus dem Inneren des menschlichen Herzens.6 Aus dem Herzen kommen die richtigen Worte, um die Schatten einer verschlossenen und geteilten Welt zu vertreiben und eine bessere Zivilisation aufzubauen als die, die wir übernommen haben. Es handelt sich um eine Anstrengung, die von jedem von uns verlangt wird, die aber vor allem das Verantwortungsbewusstsein der im Bereich der Kommunikation Tätigen erfordert, damit sie ihren Beruf als Sendung verstehen.
Möge der Herr Jesus, das reine Wort, das aus dem Herzen des Vaters kommt, uns dabei helfen, unsere Kommunikation frei, sauber und herzlich zu gestalten.
Möge der Herr Jesus, das fleischgewordene Wort, uns helfen, auf das Klopfen der Herzen zu hören, uns als Brüder und Schwestern wiederzuentdecken und die Feindseligkeit, die spaltet, abzubauen.
Möge der Herr Jesus, das Wort der Wahrheit und der Liebe, uns dabei helfen, die Wahrheit in Liebe zu sagen, damit wir uns untereinander als Hüter des anderen fühlen.
Rom, St. Johannes im Lateran,
24. Januar 2023, Gedenktag des heiligen
Franz von Sales.
Fußnoten
1 Enzyklika Deus caritas est, 31 b).
2 Apostolisches Schreiben Totum amoris est (28. Dezember 2022).
3 Apostolisches Schreiben Sabaudiae gemma zum 400. Jahrestag der Geburt des heiligen Kirchenlehrers Franz von Sales (29. Januar 1967).
4 Botschaft zum 56. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel (24. Januar 2022).
5 Enzyklika Fratelli tutti (3. Oktober 2020), 201.
6 Vgl. Botschaft zum 56. Weltfriedenstag, 1. Januar 2023.