Generalaudienz in der »Aula Paolo VI« am 25. Januar

Glauben ist eine wunderbare Liebesgeschichte

  Glauben ist eine wunderbare Liebesgeschichte  TED-005
03. Februar 2023

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

Am vergangenen Mittwoch haben wir über Jesus als Vorbild der Verkündigung nachgedacht, über sein pastorales Herz, das immer auf die anderen ausgerichtet ist. Heute betrachten wir ihn als Lehrmeister der Verkündigung. Lassen wir uns leiten von der Episode, in der er in der Synagoge seines Heimatortes Nazaret predigt. Jesus liest einen Abschnitt aus dem Propheten Jesaja (vgl. 61,1-2), und dann überrascht er alle mit einer sehr kurzen »Predigt«, die nur aus einem Satz besteht, einem einzigen Satz. Er sagt: »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt« (Lk 4,21). Das war die Predigt Jesu: »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.« Das heißt, dass für Jesus jene Stelle des Propheten das Wesentliche enthält, das er über sich selbst sagen will. Jedes Mal, wenn wir über Jesus sprechen, sollten wir daher diese seine erste Verkündigung nachbilden. Sehen wir also, worin diese erste Verkündigung besteht. Es lassen sich fünf wesentliche Elemente erkennen.

Das erste Element ist die Freude. Jesus verkündigt: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; […] Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe« (V. 18), also eine frohe, eine freudige Botschaft. Frohe Botschaft: Man kann über Jesus nicht ohne Freude sprechen, denn der Glaube ist eine wunderbare Liebesgeschichte, die geteilt werden muss. Zeugnis geben von Jesus, in seinem Namen etwas für die anderen zu tun, bedeutet, zwischen den Zeilen des Lebens zu sagen, dass man ein so schönes Geschenk erhalten hat, dass kein Wort genügt, um es auszudrücken. Wenn dagegen die Freude fehlt, dann wird das Evangelium nicht übertragen, denn es ist – das Wort selbst sagt es – die gute Botschaft, und »Evangelium« bedeutet »gute Botschaft«, freudige Botschaft. Ein trauriger Christ kann von wunderschönen Dingen sprechen, aber alles ist umsonst, wenn die Botschaft, die er weitergibt, nicht freudig ist. Ein Denker hat einmal gesagt: »Ein Christ, der traurig ist, ist ein trauriger Christ«: Vergesst das nicht.

Kommen wir zum zweiten Aspekt: die Befreiung. Jesus sagt, dass er gesandt wurde, »damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde« (ebd.). Das bedeutet, dass jemand, der Gott verkündigt, keinen Proselytismus betreiben darf, nein, er darf keinen Druck auf die anderen ausüben, sondern muss ihnen das Leben erleichtern: Er darf keine Lasten auferlegen, sondern muss von ihnen befreien; Frieden bringen, nicht Schuldgefühle bringen. Gewiss, Jesus nachzufolgen bringt eine Askese mit sich, bringt Opfer mit sich; wenn alles Schöne sie verlangt, wie viel mehr dann noch die entscheidende Lebenswirklichkeit! Wer aber Christus bezeugt, verweist mehr auf die Schönheit
des Zieles als auf die Mühe des Weges. Wir haben sicher schon einmal jemandem von einer schönen Reise erzählt, die wir gemacht haben. Wir haben zum Beispiel über die Schönheit der Orte gesprochen, davon, was wir gesehen und erlebt haben, und nicht, wie lange wir gebraucht haben, um dort anzukommen, und über die Schlangen am Flughafen, nein! So muss jede Verkündigung, die des Erlösers würdig ist, Befreiung mitteilen. Wie die Verkündigung Jesu. Heute herrscht Freude, weil ich gekommen bin, um zu befreien.

Dritter Aspekt: das Licht. Jesus sagt, dass er gekommen ist, um »den Blinden das Augenlicht« zu bringen (ebd.). Es ist auffällig, dass in der ganzen Bibel vor Christus nie die Heilung eines Blinden vorkommt, nie. Denn es war ein verheißenes Zeichen, dass der Messias gekommen sei. Aber hier handelt es sich nicht nur um das physische Augenlicht, sondern um etwas, das das Leben in einem neuen Licht erscheinen lässt. Man »kommt ans Licht«, durch eine Neugeburt, die nur durch Jesus geschieht. Wenn wir darüber nachdenken, so hat das christliche Leben für uns so begonnen: mit der Taufe, die in der Antike als »Erleuchtung« bezeichnet wurde. Und welches Licht schenkt uns Jesus? Er bringt uns das Licht der Kindschaft: Er ist der vom Vater geliebte Sohn, der für immer lebt; und mit ihm sind auch wir für immer geliebte Kinder Gottes, trotz unserer Fehler und Makel. Dann ist das Leben kein blindes Vorangehen ins Nichts mehr, nein: Es ist keine Frage des Schicksals oder des Glücks. Es ist nichts, das nur vom Zufall oder von den Sternen abhängt, und auch nicht von der Gesundheit oder vom Geld, nein. Das Leben hängt von der Liebe ab, von der Liebe des Vaters, der für uns, seine geliebten Kinder, Sorge trägt. Wie schön, dieses Licht mit den anderen zu teilen! Habt ihr einmal darüber nachgedacht, dass das Leben eines jeden von uns – mein Leben, dein Leben, unser Leben – eine Geste der Liebe ist? Und eine Einladung zur Liebe? Das ist wunderbar! Aber oft vergessen wir das, angesichts der Schwierigkeiten, angesichts der schlechten Nachrichten, auch angesichts – und das ist schlimm – der Weltlichkeit, der weltlichen Lebensweise.

Vierter Aspekt der Verkündigung: die Heilung. Jesus sagt, dass er gekommen ist, »damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze« (ebd.) Zerschlagen ist jemand, der sich im Leben von etwas erdrückt fühlt: Krankheiten, Mühsal, eine Last auf dem Herzen, Schuldgefühle, Fehler, Laster, Sünden… Davon zerschlagen: Denken wir zum Beispiel an die Schuldgefühle. Wie viele von uns haben darunter gelitten? Denken wir an ein Schuldgefühl wegen diesem oder jenem… Zerschlagen werden wir vor allem von jenem Übel, das keine Medizin und kein menschliches Mittel heilen kann: die Sünde. Und wenn jemand Schuldgefühle hat wegen etwas, das er getan hat, und er fühlt sich schlecht… Aber die gute Nachricht ist, dass mit Jesus dieses alte Übel, die Sünde, die unüberwindbar erscheint, nicht mehr das letzte Wort hat. Das letzte Wort ist die ausgestreckte Hand Jesu, der dich von der Sünde wiederaufrichtet. Vater, wann tut er das? Einmal? Nein. Zwei? Nein. Drei? Nein. Immer. Jedes Mal, wenn es dir schlecht geht, hält der Herr stets die Hand ausgestreckt. Man muss sich nur daran festhalten und sich mitnehmen lassen. Die gute Nachricht ist, dass mit Jesus dieses alte Übel nicht mehr das letzte Wort hat: Das letzte Wort ist die ausgestreckte Hand Jesu, die dich voranbringt. Von der Sünde heilt Jesus uns immer. Und wie viel muss ich für die Heilung bezahlen? Nichts. Er heilt uns immer und unentgeltlich. Er lädt alle ein, die »mühselig und beladen« sind – er sagt es im Evangelium –, er lädt dazu ein, mit ihm zu gehen (vgl. Mt 11,28). Jemanden zur Begegnung mit Jesus zu begleiten, bedeutet also, ihn zum Arzt des Herzens zu bringen, der das Leben wiederaufrichtet. Und zu sagen: »Bruder, Schwester, ich habe keine Antworten auf viele deiner Probleme, aber Jesus kennt dich, Jesus liebt dich, er kann dich heilen und dein Herz beruhigen.« Wer Lasten zu tragen hat, braucht eine Liebkosung über die Vergangenheit. Oft hören wir: »Meine Vergangenheit müsste geheilt werden… ich brauche eine Liebkosung über jene Vergangenheit, die mich so sehr belas-tet…« Er braucht Vergebung. Und wer an Jesus glaubt, hat genau das den anderen zu schenken: die Kraft der Vergebung, die die Seele von jeder Schuld befreit. Brüder, Schwestern, vergesst das nicht: Gott vergisst alles. Wieso? Ja, er vergisst alle unsere Sünden, er hat keine Erinnerung daran. Gott vergibt alles, weil er unsere Sünden vergisst. Man muss sich dem Herrn nur nähern, und er vergibt uns alles. Denkt an das Evangelium, an den, der begonnen hat zu sagen: »Herr, ich habe gesündigt!« Jener Sohn… Und der Vater legt ihm die Hand auf den Mund. »Nein, ist gut, es ist nichts.« Er lässt ihn nicht ausreden… Und das ist schön. Jesus wartet auf uns, um uns zu vergeben, um uns zu heilen. Und wie oft? Einmal? Zweimal? Nein. Immer. »Aber Vater, ich tue immer wieder dasselbe…« Und auch er wird immer wieder dasselbe tun: dir vergeben, dich umarmen. Bitte, misstrauen wir dem nicht. So liebt man den Herrn. Wer Las-ten zu tragen hat und eine Liebkosung über die Vergangenheit braucht, Vergebung braucht, soll wissen, dass Jesus es tut. Und das ist es, was Jesus gibt: die Seele von jeder Schuld zu befreien. In der Bibel ist die Rede von einem Jahr, in dem man von der Schuldenlast befreit wurde: das Jubeljahr, das Gnadenjahr. So als wäre es der letzte Punkt der Verkündigung.

Denn Jesus sagt, dass er gekommen ist, um »ein Gnadenjahr des Herrn« auszurufen (Lk 4,19). Es war kein geplantes Jubeljahr, wie jene, die wir jetzt machen, wo alles geplant ist und man darüber nachdenkt, was man tun und lassen soll… Nein. Aber mit Christus kommt die Gnade, die das Leben neu macht, immer und erstaunt uns immer. Christus ist das tägliche, das stündliche Jubeljahr, das sich dir annähert, um dich zu liebkosen, um dir zu vergeben. Und die Verkündigung Jesu muss immer das Staunen der Gnade mit sich bringen. Dieses Staunen… »Ich kann es nicht glauben, mir ist vergeben worden.« Aber so groß ist unser Gott! Denn nicht wir sind es, die große Dinge tun, sondern es ist die Gnade des Herrn, der auch durch uns, unvorhersehbare Dinge tut. Und das sind Gottes Überraschungen. Gott ist ein Meister der Überraschungen. Immer überrascht er uns, immer wartet er auf uns. Immer. Das Evangelium begleitet uns zu einem Sinn für Wunder und Neuheit, der einen Namen hat: Jesus.

Er möge uns helfen, ihn zu verkündigen, wie er es will, indem wir Freude, Befreiung, Licht, Heilung und Staunen mitteilen. So teilt man Jesus mit.

Ein Letztes: Diese frohe Botschaft, von der das Evangelium spricht, wird »den Armen« gebracht (V. 18). Oft vergessen wir sie, und dennoch sind sie die ausdrücklich erwähnten Empfänger, weil sie von Gott besonders geliebt sind. Denken wir an sie, und denken wir daran, dass jeder von uns, um den Herrn anzunehmen, »innerlich arm« werden muss. Mit jener Armut, die uns sagen lässt: »Herr, ich brauche Vergebung, ich brauche Hilfe, ich brauche Kraft.« Diese Armut, die wir alle haben: innerlich arm werden. Es geht darum, jeden Anspruch auf Selbstgenügsamkeit zu überwinden, um zu verstehen, dass man die Gnade braucht, und dass man Christus immer braucht. Wenn jemand zu mir sagt: Vater, aber was ist der kürzeste Weg, um Jesus zu begegnen? Mach dich bedürftig. Bedürftig nach Gnade, bedürftig nach Vergebung, bedürftig nach Freude. Und er wird sich dir nähern.

(Orig. ital. in O.R. 25.1.2023)