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Gedanken zum Sonntag - 29. Januar: 4. Sonntag im Jahreskreis

Selig seid ihr!

 Selig seid ihr!  TED-004
27. Januar 2023

Auf die berühmte Frage, ob man mit der Bergpredigt regieren könne, haben Politiker seit Jahrhunderten mit einem klaren »Nein« geantwortet. Lediglich vom ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker ist mir bekannt, dass er betont habe, sich humane Politik nur mit der Bergpredigt vorstellen zu können.

Eins steht fest: Gott hat andere Maßstäbe als wir! Gott sei Dank!

So hat er zum Beispiel das Schwache in der Welt erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und er hat das Niedrige und das Verachtete – das, was nichts ist – erwählt, um das, was etwas ist, zu vernichten (vgl. 1Kor 1,27—28). Diese göttliche Logik lässt sich am besten mit der »Torheit des Kreuzes« (vgl. 1 Kor 1,18) erklären. Diese »Torheit« ist den Weisen und Gelehrten zum Fingerzeig geworden – bis heute. Deshalb ist das Kreuz mehr ein Zeichen denn ein Symbol. Es ist ein Zeichen der Überlegenheit göttlicher Weisheit über die begrenzte Weisheit der Menschen. Deshalb haben wir Mühe, sie zu verstehen.

Wir lesen: »Als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf den Berg.« Jesus wird wie ein neuer Moses dargestellt. Jener stieg auf den Gottesberg, um das Gesetz des Bundes zu empfangen. Jesus hingegen steigt auf den Berg, um selbst das Gesetz des neuen Bundes zu verkünden. Jesus braucht nichts zu empfangen, da in ihm schon die ganze Fülle der Weisheit wohnt. Das Gesetz, das Jesus verkündet, ist ein Gesetz des Lebens. Er verkündet das, wofür er in die Welt gekommen ist: um die Menschen zu retten.

Jesus verkündet mit Vollmacht: »Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm. Und er öffnete seinen Mund, er lehrte sie und sprach.« Der Lehrer sitzt und spricht. Die Jünger hören zu.

Und was hören die Jünger? Einen Lobpreis auf »Antihelden«. Diese werden nicht nur seliggepriesen, sondern sollen sich sogar freuen und jubeln. Das ist wirklich eine Torheit!

Oder vielleicht doch nicht? Wer schon alles hat oder sich vor den Menschen groß macht, der hat schon seinen Lohn erhalten (vgl. Mt 6,2) und braucht auf nichts mehr zu hoffen. Er hat alles schon aus eigener Kraft erreicht und verkümmert irgendwann in seiner Selbstreferenzialität. Wer aber erkennt, dass er Gott nichts zu bieten hat, da ihm alles, was er ist und hat von Gott selbst geschenkt worden ist, der erfährt sich als Empfangender und kann sich in Gottes Hand fallen lassen. Er steht mit leeren Händen vor Gott und glaubt, dass nur Gott sie ihm füllen kann. Er ist offen für die Gnade.

Immer wieder hat man der Kirche vorgeworfen, sie vertröste die Menschen nur auf ein Jenseits. Ich bin überzeugt davon, dass die Kirche die einzige »Institution« ist, die von Anfang an nicht ver-tröstet, sondern ganz konkret trösten kann, da sie auf das einzige Fundament unseres Trostes und unserer Hoffnung errichtet ist: auf Jesus Christus selbst, der diejenigen seligpreist, die von anderen verachtet werden und der den Verzagten Trost schenkt.

Br. Immanuel Lupardi OSB ist Missionsbenediktiner von St. Ottilien in Oberbayern und Student am Päpstlichen Athenäum Sant’Anselmo in Rom.