Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
Herzliche heiße ich euch alle willkommen, Priester, Diakone, Seminaristen und Personal des Päpstlichen Nordamerikanischen Kollegs, und ich danke dem Rektor, Msgr. Powers, für seine freundlichen Worte. Ich erinnere mich an meinen Besuch im Kolleg im Mai 2015 und an die Feier der heiligen Messe in der Kapelle.
Liebe Freunde, euer Aufenthalt hier in Rom fällt mit dem synodalen Prozess zusammen, den die ganze Kirche derzeit unternimmt, ein Weg, der das Hören auf den Heiligen Geist und das Hören aufeinander einschließt, um zu unterscheiden, wie man den Gliedern des heiligen Gottesvolkes helfen kann, die Gabe der Gemeinschaft zu leben und missionarische Jünger zu werden. Das ist auch die Herausforderung und die Aufgabe, denen ihr euch stellen sollt, während ihr gemeinsam auf dem Weg seid, der zur Priesterweihe und zum pastoralen Dienst führt.
In diesem Zusammenhang möchte ich kurz mit euch über drei Elemente nachdenken, die ich als wesentlich für die Ausbildung des Priesters erachte: Dialog, Gemeinschaft und Mission. Wir können sie im Abschnitt aus dem Johannesevangelium sehen, der von Andreas und einem anderen Jünger Johannes des Täufers erzählt, die Jesus begegnen, eine gewisse Zeit mit ihm zusammen sind und dann andere zur Begegnung mit dem Herrn führen, vor allem Simon Petrus (vgl. Joh 1,35-42).
Zunächst: der Dialog. Als Jesus merkte, dass die Jünger ihm folgten, fragte er sie, was sie suchten. Als sie sich beim ihm nach dem Ort erkundigten, wo er wohnte, lud er sie ein: »Kommt und seht« (V. 38-39). Im Lauf eures Lebens und vor allem in dieser Zeit der Ausbildung im Seminar nimmt der Herr einen persönlichen Dialog mit euch auf und fragt euch: »Was sucht ihr?« Und er lädt euch ein, »zu kommen und zu sehen«, mit ihm zu sprechen, euer Herz zu öffnen und euch im Glauben und in der Liebe vertrauensvoll ihm zu schenken. Es geht darum, eine tägliche Beziehung zu Jesus zu pflegen, genährt vor allem vom Gebet, von der Meditation des Wortes Gottes, von der Hilfe der geistlichen Begleitung und vom schweigenden Hören vor dem Tabernakel. Vergesst das niemals: das schweigende Hören vor dem Tabernakel. Denn in diesen Momenten der vertrauten Beziehung zum Herrn können wir seine Stimme besser hören und entdecken, wie wir ihm und seinem Volk großherzig und von ganzem Herzen dienen können.
Der heilige Johannes sagt uns, dass die Jünger an jenem Tag »bei Jesus blieben« (vgl. V. 39). Das ist das zweite wichtige Element: Gemeinschaft. Dadurch, dass die Jünger bei Jesus blieben, lernten sie aus seinen Worten, aus seinen Gesten und sogar aus seinem Blick, was ihm wirklich wichtig war und was er verkünden sollte, denn dazu hatte ihn der Vater gesandt. Der Weg der Ausbildung des Priesters erfordert in ähnlicher Weise eine beständige Gemeinschaft: vor allem mit Gott, aber auch mit denjenigen, die im Leib Chris-ti, der Kirche, vereint sind. Ich lade euch ein, während eurer Jahre in Rom die Augen offen zu halten, um sowohl das Geheimnis der Einheit der Kirche zu sehen – offenbart in der legitimen Verschiedenheit, die aber in dem einen Glauben gelebt wird –, als auch das prophetische Zeugnis der Nächstenliebe, das die Kirche insbesondere hier in Rom durch ihre konkreten Akte des Teilens und der Hilfe für die Bedürftigen zum Ausdruck bringt. Ich hoffe, dass diese Erfahrungen euch helfen mögen, jene brüderliche Liebe zu entwickeln, die in der Lage ist, die heilige Größe des Nächsten zu erkennen, jeden Menschen in Gott zu finden, die Lästigkeiten des Zusammenlebens zu ertragen (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 92).
Schließlich: die Mission. Nachdem An-dreas eine Zeitlang bei Jesus geblieben war, machte er sich auf die Suche nach seinem Bruder Simon und brachte ihn zu Jesus (vgl. Joh 1,40-41). Hier sehen wir, wie das aus dem Dialog und der Gemeinschaft mit Jesus entstandene Zeugnis zur Mission wird: Die gerade eben berufenen Jünger ziehen durch ihr Zeugnis andere an. Jedes Mal, wenn Jesus Männer und Frauen beruft, tut er dies immer, um sie auszusenden, insbesondere zu den Wehrlosen und zu denen, die am Rand der Gesellschaft stehen, denen wir nicht nur dienen sollen, sondern von denen wir auch sehr viel lernen können. Die Menschen brauchen uns heute, damit wir ihre Fragen, ihre Ängste und ihre Träume anhören, so dass wir sie besser zum Herrn begleiten können, der neue Hoffnung weckt und das Leben aller erneuert. Während ihr durch die verschiedenen Apostolate in Ausbildung und Caritas, in denen ihr euch bereits engagiert, die geistlichen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit vollbringt, vertraue ich darauf, dass ihr immer Zeichen einer Kirche seid, die aufzubrechen und auf die Anderen zuzugehen weiß (vgl. Evangelii gaudium, 20), indem ihr die Gegenwart Jesu, sein Mitleid und seine Liebe mit unseren Brüdern und Schwestern teilt.
Liebe Freunde, ich bete dafür, dass eure Studienerfahrung in Rom und eure Ausbildung am Päpstlichen Nordamerikanischen Kolleg es euch erlauben mögen, in der treuen Liebe zu Gott und im demütigen Dienst an den Brüdern und Schwestern zu wachsen. Ich vertraue euch der mütterlichen Fürsprache der Unbefleckten Jungfrau Maria, Patronin des Kollegs und der Vereinigten Staaten, an und versichere euch meines Gebets für euch, für eure Familien und eure Heimatdiözesen. Euch allen erteile ich von Herzen meinen Segen und bitte euch, nicht zu vergessen, für mich zu beten. Danke.
(Orig. ital. in O.R. 14.1.2023)