Liebe Schwestern,
liebe Brüder!
Herzlich heiße ich Sie, die Mitglieder der ökumenischen Delegation aus Finnland, willkommen. Danke, dass Sie auch in diesem Jahr nach Rom gekommen sind, um das Fest des heiligen Henrik mit einem noch stärker ökumenischen Akzent zu begehen: Es ist mir wirklich eine Freude, nicht nur lutherische und katholische, sondern auch orthodoxe und methodistische Vertreter zu empfangen. Liebe Schwester, ich danke Ihnen für Ihre von Herzen kommenden Worte und für das Beileid, das Sie mir zum Tod meines Vorgängers Benedikt XVI. ausgesprochen haben. Ich bin Ihnen auch dankbar für das, was Sie mit dem eindrucksvollen Bild der Ostsee zum Ausdruck gebracht haben: eine von der menschlichen Aktivität bedrohte Quelle des Lebens und ein Ort der Begegnung, der schmerzlich betroffen ist durch das Klima der Konfrontation, verursacht von der grausamen Sinnlosigkeit des Krieges. Krieg ist immer eine Niederlage, immer.
Ich möchte vor allem aufgreifen, was Sie über das Wasser gesagt haben, das uns Chris-ten an das in der Taufe empfangene Geschenk der Versöhnung erinnert. Wir haben vor Kurzem das Fest der Taufe des Herrn gefeiert. Der Sohn Gottes hat durch sein Eintauchen in das Wasser des Jordan zu Beginn seines öffentlichen Wirkens seinen Willen offenbart, ganz in unsere menschliche Situation einzutauchen. Und als in Christus Getaufte sind wir aus reiner Gnade in ihn eingetaucht worden: deshalb heißen wir Kinder Gottes nach seinem Bild und sind es, Brüder und Schwestern untereinander. Da wir die eine Taufe empfangen haben, sind wir als Glaubende vor allem aufgerufen, Dank zu sagen, weil unser Leben durch das Wasser der Taufe mit Gott, mit den anderen, mit der Schöpfung versöhnt worden ist. Wir sind versöhnte Kinder und daher sind wir aufgerufen, uns untereinander immer mehr zu versöhnen und Stifter von Versöhnung in der Welt zu sein.
Es ist schön, dies alles auch in der Gebetswoche für die Einheit der Christen zu finden. Wenn wir gemeinsam das nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis sprechen, bekennen wir »die eine Taufe zur Vergebung der Sünden«, aber in diesem Jahr denken wir auch über einige Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja nach: »Tut Gutes! Sucht die Gerechtigkeit!« (1,17). So hören wir das Echo unserer Taufe, die uns – als durch Gnade Gerechtfertigte – aufruft, ohne Gegenleistung die Werke der Gerechtigkeit zu tun, mit konkreten Ges-ten der Nähe gegenüber denjenigen, die Opfer von Ungerechtigkeit, Ausgrenzung, von verschiedenen Formen der Unterdrückung und vor allem von Kriegen sind. Als Zeugen des Glaubens an Christus, der in die Zerbrechlichkeit unseres menschlichen Wesens eingetaucht ist, sind wir gehalten, in die Wunden der Bedürftigen einzutauchen. Und dies sollen wir gemeinsam tun.
In der Gemeinschaft aller Getauften wissen wir uns untereinander hier und jetzt mit jeder Schwester und jedem Bruder in Chris-tus vereint, aber auch mit unseren Müttern und unseren Vätern im Glauben, die vor uns gelebt haben. Aus der vollkommenen Gemeinschaft im Himmel blicken sie auf uns und fordern uns auf, den Weg auf dieser Erde gemeinsam zu gehen. Der heilige Henrik, Zeuge des Glaubens, Bote der Hoffnung und Werkzeug der Liebe, ist einer von ihnen. Mit ihm feiern wir die ökumenische Gemeinschaft all der bekannten und unbekannten Heiligen, die aus dem Wasser der Taufe zu neuem Leben geboren worden sind. Daher können wir mit einem Blick sowohl die Ursprungsgnade der Taufe als auch das Ziel des ewigen Lebens erfassen: die Quelle des Lebens, die uns auf der Erde zu Kindern des Himmels gemacht hat, und den Himmel, wo die Heiligen uns erwarten und uns ermutigen. In all dem erkennen wir, wie groß die Einheit ist, die uns verbindet, und wie wichtig es ist, gemeinsam zu beten, eifrig zu arbeiten und einen intensiven Dialog zu führen, um die Spaltungen zu überwinden und gemäß dem Willen des Herrn eins zu sein in der dreifaltigen Gemeinschaft, damit die Welt glaubt (vgl. Joh 17,21).
Dessen sind wir uns sicher bewusst, aber das Bewusstsein allein reicht nicht aus. Man muss eine echte Leidenschaft pflegen, eine Leidenschaft, die aus der Liebe zur Einheit kommt, aus dem Wunsch, das Gegen-Zeugnis der historischen Zerrissenheit unter den Christen zu überwinden, welche die Einheit des Leibes Christi so sehr verletzt hat. Heute ist vor allem ein brennender Eifer für die Evangelisierung notwendig, denn wenn wir gemeinsam den Glauben verkünden, entdecken wir neu, dass wir Brüder und Schwes-tern sind, und werden uns bewusst, dass man den Namen des für alle geborenen, gestorbenen und auferstandenen Jesus nicht würdig verbreiten kann, ohne die Schönheit der Einheit zu bezeugen, Merkmal seiner Jünger.
Meine Lieben, während ich Ihnen erneut für Ihren stets erwarteten und willkommenen jährlichen Besuch danke, möchte ich heute gemeinsam mit Ihnen die Gabe dieser brennenden Leidenschaft erbitten, damit wir nicht müde werden zu lieben, zu hoffen, die Fernstehenden zu suchen, im Inneren zu brennen in dem Wunsch, Christus zu verkünden und die Einheit aufzubauen, die er so sehr wünscht. Wir wollen die Gabe eines neuen apostolischen Eifers erbitten, der uns jedes Mal die anderen Gläubigen als unsere Brüder und Schwestern in Christus wiederentdecken lässt, der uns spüren lässt, dass wir von Gott versöhnte Apostel sind, damit wir uns untereinander versöhnen und Stifter von Versöhnung für die Welt werden. Daher möchte ich Sie nun einladen, gemeinsam das Vaterunser zu sprechen, das Gebet der Kinder, das besser als jedes andere Gebet die Wirklichkeit unserer Taufe offenbart. Jeder kann es in seiner eigenen Sprache beten, aber wir wollen es gemeinsam sprechen: miteinander und füreinander. [Gebet des Vater-unser].
(Orig. ital. in O.R. 19.1.2023)