Liebe Brüder und Schwestern,
einen schönen Sonntag!
Das Evangelium der heutigen Liturgie (vgl. Joh 1,29-34) enthält das Zeugnis, das Johannes der Täufer über Jesus ablegt, nachdem er ihn im Jordan getauft hat. Es lautet: »Er ist es, von dem ich gesagt habe: nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war« (V. 29-30).
Diese Erklärung, dieses Zeugnis, offenbart den Geist des Dienens, der Johannes prägt. Er war gesandt worden, um den Weg für den Messias zu bereiten, und hatte dies getan, ohne sich selbst zu schonen. Menschlich gesehen würde man erwarten, dass er einen »Preis« erhalten würde, einen herausragenden Platz im öffentlichen Leben Jesu. Aber nein. Johannes, der seinen Auftrag erfüllt hat, weiß, wie man zur Seite tritt. Er zieht sich zurück, um Platz für Jesus zu machen. Er hat gesehen, wie der Geist auf ihn herabkam (vgl. V. 33-34), er hat auf ihn als das Lamm Gottes hingewiesen, das die Sünde der Welt hinwegnimmt, und nun hört er seinerseits demütig zu. Vom Propheten wird er zum Jünger. Er predigte zu den Menschen, er sammelte Jünger um sich und bildete sie lange Zeit heran. Doch er bindet niemanden an sich. Und das ist schwierig, aber es ist das Zeichen des wahren Erziehers: die Menschen nicht an sich zu binden. Johannes tut dies: er lässt seine Jünger in die Fußstapfen Jesu treten. Es geht ihm nicht darum, eine Anhängerschaft für sich zu gewinnen, Prestige und Erfolg zu erlangen, sondern er gibt Zeugnis und tritt dann einen Schritt zurück, damit viele die Freude haben, Jesus zu begegnen. Wir können sagen: er öffnet die Tür und geht dann fort.
Mit diesem Geist des Dienens, mit seiner Fähigkeit, Platz für Jesus zu schaffen, lehrt uns Johannes der Täufer etwas Wichtiges: die Freiheit von Anhänglichkeiten. Ja, denn es ist leicht, an Rollen und Positionen zu hängen, am Bedürfnis, geschätzt, anerkannt und belohnt zu werden. Das ist zwar natürlich, aber nicht gut, denn Dienen bedeutet Unentgeltlichkeit, Fürsorge für andere ohne eigenen Nutzen, ohne Hintergedanken, ohne Erwartung einer Gegenleistung. Es wird auch uns guttun, wie Johannes die Tugend zu pflegen, zu gegebener Zeit zur Seite zu treten und zu bezeugen, dass Jesus der Bezugspunkt im Leben ist. Zur Seite treten, lernen, Abschied zu nehmen: Ich habe diesen Auftrag erledigt, ich bin diesem Menschen begegnet, ich trete zur Seite und mache Platz für den Herrn. Wir müssen lernen, zur Seite zu treten und nicht etwas als Gegenleistung für uns anzunehmen.
Denken wir darüber nach, wie wichtig dies für einen Priester ist, der berufen ist, zu predigen und Gottesdienst zu feiern, nicht aus Geltungsdrang oder wegen eigener Vorteile, sondern um andere zu Jesus zu begleiten. Denken wir daran, wie wichtig dies für die Eltern ist, die ihre Kinder unter so vielen Opfern großziehen, sie dann aber in Freiheit ihren eigenen Weg im Beruf, in der Ehe, im Leben gehen lassen müssen. Es ist gut und richtig, dass die Eltern weiterhin ihre Anwesenheit zusichern und ihren Kindern sagen: »Wir lassen euch nicht allein.« Aber diskret und ohne Aufdringlichkeit. Freiheit zu wachsen. Und das gilt auch für andere Bereiche wie die Freundschaft, das Leben als Ehepaar, das Gemeinschaftsleben. Sich von den Anhänglichkeiten des eigenen Ich befreien und zu wissen, wie man sich zurücknimmt, kos-tet mich etwas, aber es ist sehr wichtig: Es ist der entscheidende Schritt, um im Geist des Dienens zu wachsen, ohne eine Gegenleistung zu suchen.
Brüder und Schwestern, versuchen wir uns zu fragen: Sind wir in der Lage, den anderen Platz zu machen? Ihnen zuzuhören, ihnen ihre Freiheit zu lassen, sie nicht an uns zu binden, verbunden mit dem Anspruch auf Anerkennung? Manchmal auch, um sie zu Wort kommen zu lassen. Nicht zu sagen: »Aber du hast doch keine Ahnung.« Sie zu Wort kommen lassen, Platz machen für andere. Ziehen wir die Anderen zu Jesus oder zu uns selbst? Und noch einmal, dem Beispiel des Johannes folgend: Können wir uns darüber freuen, dass Menschen ihren eigenen Weg gehen und ihrer Berufung folgen, auch wenn das bedeutet, dass sie sich ein Stück weit von uns entfernen? Freuen wir uns aufrichtig und ohne Neid über ihre Erfolge? Das bedeutet, andere wachsen zu lassen.
Maria, die Magd des Herrn, möge uns helfen, frei zu sein von Anhänglichkeiten, um für den Herrn Platz zu machen und den anderen Raum zu geben.
Nach dem Angelus sagte der Papst:
Brüder und Schwestern, wir wollen das gepeinigte ukrainische Volk nicht vergessen, das so sehr leidet! Bleiben wir ihnen nahe mit unseren Gefühlen, mit unserer Hilfe, mit unserem Gebet.
Und nun grüße ich euch, die hier versammelten Römer und Pilger. Ich grüße insbesondere die spanischen Gläubigen aus Murcia und die Gläubigen aus Sciacca auf Sizilien. Möge euer Besuch am Grab des Petrus euren Glauben und euer Zeugnis stärken.
Ich wünsche euch allen einen schönen Sonntag. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen.