Als Missionsbenediktiner gefällt mir das heutige Evangelium besonders gut. Es scheint genau das auszudrücken, was unser missionsbenediktinisches Charisma im Speziellen und unser Charisma als Christen im Allgemeinen ausmacht: die Nachfolge. Warum? Schauen wir uns den Text (Mt 4, 12-23) genauer an.
Zunächst verlässt Jesus seine Vaterstadt Nazareth. Nazareth, das übersetzt »behüten« heißt, ist der Ort, an dem Maria durch den Heiligen Geist Jesus empfängt. »Verbum caro hic factum est« – »Das Wort ist hier Fleisch geworden«, lautet die Aufschrift am Altar der Verkündigungsbasilika in Nazareth.
Christsein heißt Missionar sein. Wir müssen unseren Standort, der uns »hütet«, der uns empfangen hat, verlassen, um Christus verkünden zu können. Der heilige Benedikt, nach dessen Regel wir Benediktiner leben, verließ um 500 n. Chr. die Hauptstadt des Imperiums und zog sich in die Einsamkeit von Subiaco zurück, wo er drei Jahre in einer Höhle lebte. Hier konnten sein Herz und sein Geist wachsen, bevor er die ersten Mönche um sich versammeln konnte und sein erstes Kloster gründete.
Wenn wir unseren Standort nie verlassen, werden wir starr und das Christsein wird zur Routine. Auch wir müssen – wie Jesus – nach Sebulon (=Wohnung) und Naftali (=Kampf) gehen, um, im geistlichen Kampf gewachsen an Gotteserfahrung in der Einsamkeit unseres »Bei-uns-Wohnens«, in die Welt hinausgehen zu können.
Nachdem Jesus seinen Standort gewechselt hat, beginnt er zu predigen. Und was verkündet er? Die Umkehr, »metanoeite«, »kehrt um«, vielmehr: »Denkt um!«, lesen wir im griechischen Urtext. Umdenken heißt wiederum das Gewohnte, die Wohlfühlregion zu verlassen und auch Wege zu beschreiten, die noch unbekannt sind. Auch der heilige Benedikt konnte erst nach seinen Erfahrungen in der Höhle ein Leben der Selbsthingabe an Gott beginnen und Menschen als Jünger gewinnen. Auch wir brauchen diese »Wüstenerfahrungen«, um in unserem Glauben zu wachsen und Menschen durch unser Glaubensleben von Chris-tus begeistern zu können. Es ist zu wenig, zu sagen: »Ich bin Christ.« Christsein muss gelebt werden, um andere zu beleben. Das setzt ein Umdenken voraus, das uns an unsere persönlichen Grenzen führt.
Jesus trifft zwei Brüder, Andreas und Simon. Auf seine Aufforderung, ihm zu folgen, lassen sie sofort alles liegen und folgen ihm nach. Mission heißt, alles liegen und stehen lassen, um Christus nachzufolgen. Da ist zum Nachdenken keine Zeit. Wenn Gott ruft, musst du ihm folgen!
Wir Missionsbenediktiner sind seit über 130 Jahren in alle Welt gesandt worden. Viele von uns sind aus der Mission nie wieder zurückgekehrt. Sie sind Christus bis zum Tod nachgefolgt. Als Christen müssen wir bereit sein, auf alles zu verzichten – vor allem auf uns selbst im Dienst am Anderen – um des Reiches Gottes willen.
Br. Immanuel Lupardi OSB,
Missions-benediktiner von St. Ottilien
und Student am Päpstlichen
Athenäum Sant’Anselmo in Rom.