Audienz für Mitglieder des Jugendmissionsdienstes Sermig – Fraternität der Hoffnung

Der Traum von einer geschwisterlichen Welt

 Der Traum von einer geschwisterlichen Welt  TED-003
20. Januar 2023

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag und willkommen!

Danke, lieber Ernesto, für deine Begrüßung. Ich danke euch allen, dass ihr gekommen seid, und grüße auch all jene Mitglieder des Sermig [Servizio Missionario Giovani], die nicht kommen konnten und aus der Ferne teilnehmen.

Heute haben wir die Gelegenheit, gemeinsam dem Herrn für den Jugendmissionsdienst zu danken, der eine Art großer Baum ist, gewachsen aus einem kleinen Samen. So sind die Realitäten des Reiches Gottes beschaffen. Den kleinen Samen hat der Herr zu Beginn der 1960er-Jahre in Turin ausgesät. Es war eine sehr fruchtbare Zeit, wenn man nur an das Pontifikat des heiligen Johannes XXIII. und an das Zweite Vatikanische Konzil denkt. In jenen Jahren sind in der Kirche ausgehend vom Evangelium verschiedene Erfahrungen des Dienens und des gemeinschaftlichen Lebens gewachsen. Und dort, wo es eine Kontinuität gab durch einige Berufungen, auf die eine großherzige, treue Antwort erfolgte, haben diese Erfahrungen eine Struktur erhalten und sind gewachsen in dem Bemühen, den Zeichen der Zeit zu entsprechen.

»Arsenal des Friedens«

Der Jugendmissionsdienst Sermig gehört dazu. Er entstand in Turin aus einer Gruppe von Jugendlichen, aber man sollte besser sagen: aus einer Gruppe von Jugendlichen gemeinsam mit Jesus, dem Herrn. Im Übrigen hat er es ganz klar zu seinen Jüngern gesagt: »Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15,5). An den Früchten ist deutlich zu erkennen, dass man beim Sermig keinen reinen Aktivismus betrieben, sondern dass man Ihm Raum gegeben hat: Ihm, zu dem gebetet wird; Ihm, der angebetet wird; Ihm, der in den Kleinen und Armen erkannt wird; Ihm, der in den Ausgegrenzten aufgenommen wird. Immer ist Er es, mit dem Blick auf Ihn.

In der Geschichte des Sermig gibt es viele Ereignisse, viele Gesten, die man als kleine und große Zeichen des lebendigen Evangeliums deuten kann. Aber unter all diesen gibt es eines, das in diesem historischen Augenblick mit außerordentlicher Kraft hervortritt. Ich meine die Umwandlung des Waffenarsenals in das »Arsenal des Friedens«. Diese Tatsache spricht für sich. Es ist eine leider sehr aktuelle Botschaft, die beständig wiederholt werden muss.

Auch hier müssen wir aufpassen, dass wir den Weg nicht verlieren. Das Arsenal des Friedens ist – wie die anderen Realitäten des Sermig und die Werke der christlichen Gemeinschaft allgemein – ein Zeichen des Evangeliums, und das nicht so sehr aufgrund der Zahlen, mit denen man die Arbeit quantifiziert. Dabei darf man nicht stehenbleiben. Das Arsenal des Friedens ist eine Frucht von Gottes Traum, wir könnten sagen von der Macht des Wortes Gottes. Diese Macht spüren wir, wenn wir die Worte des Propheten Jesaja hören: »Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg« (2,4). Das ist der Traum Gottes, den der Heilige Geist in der Geschichte voranbringt durch sein treues Volk. So war es auch bei euch: durch den Glauben und den guten Willen von Ernesto, seiner Frau und der ersten Gruppe des Sermig ist es der Traum von vielen jungen Menschen geworden. Ein Traum, der Arme und Beine in Bewegung gesetzt hat, der Projekte, Aktionen beseelt und sich in der Um-wandlung eines Waffenarsenals in ein Arsenal des Friedens konkretisiert hat.

Und was wird im Arsenal des Friedens »fabriziert«? Was baut man dort auf? Dort werden in handwerklicher Arbeit die Waffen des Friedens hergestellt, die da sind: Begegnung, Dialog, Aufnahme. Und auf welche Art und Weise werden sie hergestellt? Durch die Erfahrung: Im Arsenal können die Jugendlichen in der Praxis Begegnung, Dialog und Annahme des anderen lernen. Das ist der Weg, denn die Welt ändert sich in dem Maße, in dem wir selbst uns ändern. Wenn auf der einen Seite Kriegsherren viele junge Menschen zwingen, gegen ihre Brüder und Schwestern zu kämpfen, so sind andererseits Orte notwendig, wo man die Geschwisterlichkeit erleben kann. Das ist das Wort: Geschwisterlichkeit. In der Tat nennt sich der Jugendmissiondienst Sermig »Fraternität der Hoffnung«. Aber man kann auch es auch andersherum sagen, das heißt: »Hoffnung der Fraternität, der Geschwisterlichkeit«. Der Traum, der die Freunde des Sermig beseelt, ist die Hoffnung auf eine geschwisterliche Welt. Es ist der »Traum«, den ich durch die Enzyklika Fratelli tutti (vgl. Nr. 8) in Kirche und Welt neu beleben wollte. Ihr teilt diesen Traum bereits, ja seid sogar ein Teil von ihm und tragt dazu bei, ihm Fleisch zu geben, ihm Hände, Augen, Beine zur Verfügung zu stellen, ihm Leben zu verleihen. Dafür möchte ich gemeinsam mit euch Gott danken, denn das ist ein Werk, das man nicht ohne Gott tun kann. Krieg kann man ohne Gott führen, aber Frieden stiftet man nur gemeinsam mit Ihm.

Begegnung und Harmonie

Liebe Freunde des Sermig, werdet nicht müde, das Arsenal des Friedens aufzubauen! Auch wenn das Werk bereits getan zu sein scheint, handelt es sich in Wirklichkeit immer um eine Baustelle. Das wisst ihr sehr gut, denn in diesen Jahren habt ihr das Arsenal der Hoffnung in San Paolo in Brasilien ins Leben gerufen sowie das Arsenal der Begegnung in Madaba in Jordanien, das Arsenal der Harmonie in Pecetto Torinese. Aber all diese Realitäten – Frieden, Hoffnung, Begegnung, Harmonie – werden nur mit dem Heiligen Geist, dem Geist Gottes aufgebaut. Er ist es, der Frieden, Hoffnung, Begegnung und Harmonie schafft. Und die Baustellen kommen voran, wenn diejenigen, die dort arbeiten, sich in ihrem Inneren vom Heiligen Geist »bearbeiten« lassen. Ihr werdet einwenden: Und wer nicht glaubt? Und wer kein Christ ist? Das mag uns als Problem erscheinen, aber sicher ist das kein Problem für Gott. Er, sein Geist, spricht zum Herzen jedes Menschen, der auf ihn zu hören versteht. Jeder Mann und jede Frau guten Willens kann in den Arsenalen des Friedens, der Hoffnung, der Begegnung und der Harmonie arbeiten.

Doch es braucht auch jemanden, dessen Herz tief im Evangelium verwurzelt ist. Eine Gemeinschaft des Glaubens und des Gebets ist notwendig, die das Feuer für alle am Brennen hält. Jenes Feuer, das Jesus auf die Erde gebracht hat und das nunmehr für immer brennt (vgl. Lk 12,49). Und hier sieht man auch die Bedeutung einer Gemeinschaft von Personen, die sich die Berufung und die Mission der Fraternität ganz zu eigen machen und sie dauerhaft voranbringen.

Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch aufrichtig für diese Begegnung und vor allem für euer Zeugnis und euren Einsatz. Macht weiter! Die Muttergottes behüte und begleite euch. Ich segne euch von Herzen und bitte euch, für mich zu beten. Danke.

(Orig. ital. in O.R. 7.1.2023)