Exequien für den emeritierten Papst Benedikt XVI.

»Vater, in deine Hände übergeben wir seinen Geist«

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13. Januar 2023

Vatikanstadt. Bei der Trauerfeier für Benedikt XVI. am 5. Januar hat Papst Franziskus Weisheit und Feingefühl seines Vorgängers gewürdigt. Der Papst stand der Trauerfeier vor, zelebrierte aber wegen seines Knieleidens nicht selbst. Am Altar feierte der Dekan des Kardinalskollegiums, Kardinal Giovanni Bat-tista Re, die heilige Messe. In den an die Predigt von Franziskus anschließenden Fürbitten wurde zunächst auf Deutsch gebetet »für den emeritierten Papst Benedikt, der im Herrn entschlafen ist«.

Rund 50.000 Menschen waren auf den Petersplatz gekommen, um an den Exequien für den am Silvestertag Gestorbenen teilzunehmen. In den drei Tagen zuvor hatten knapp 200.000 Menschen dem im Petersdom aufgebahrten emeritierten Papst die letzte Ehre erwiesen. Rund eine halbe Stunde vor Beginn des Requiems wurde der verschlossene Holz-sarg mit dem Leichnam von zwölf Trägern auf den Vorplatz des Petersdoms gebracht. Der langjährige Privatsekretär von Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein, legte gemeinsam mit dem Zeremoniar ein Evangelienbuch auf den Holzsarg. Die Gläubigen beteten auf dem Platz den Rosenkranz.

An der heiligen Messe nahmen viele hochrangige Vertreter aus Religion und Politik teil. Der großen Delegation aus Deutschland gehörten unter anderen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas an. Zahlreiche Teilnehmer aus Bayern, das unter anderem durch Ministerpräsident Markus Söder und seine beiden Vorgänger vertreten war, schwenkten weiß-blaue Fahnen. Österreich wurde durch Altbundespräsident Heinz Fischer vertreten.

Italiens Präsident Sergio Mattarella war ebenso gekommen wie das belgische Königspaar, Königin Sophia von Spanien und die Staatspräsidenten von Polen, Portugal, Ungarn und Slowenien. Unter den rund 130 Kardinälen bei der Totenmesse waren Kardinal Chris-toph Schönborn (Wien) sowie Kardinal Reinhard Marx (München und Freising) und Kardinal Rainer Maria Woelki (Köln), Kardinal Jean-Claude Hollerich (Luxemburg) und Kardinal Joseph Zen Ze-kiun, emeritierter Bischof von Hongkong. Aus der katholischen Kirche in Deutschland und Österreich feierten unter anderem die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Bischof Georg Bätzing (Limburg) und Erzbischof Franz Lackner (Salzburg) sowie Bischof Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Bischof Stefan Oster (Passau) den Gottesdienst auf dem Petersplatz mit. Der Patriarch von Kilikien, Raphael Bedros XXI. Minassian, vertrat die armenisch-katholische Kirche. Ebenso vertreten war das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel durch Metropolit Emmanuel (Chalkedon) und Metropolit Polykarp (Italien), der Weltkirchenrat durch Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, das russisch-orthodoxe Moskauer Patriarchat durch den Außenamtsleiter Metropolit Antonij. Die Anglikanische Gemeinschaft repräsentierte der Erzbischof von Mauritius, Ian Ernst. Anwesend waren Vertreter aus Judentum und Islam, darunter Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und der Vizepräsident der italienischen islamischen Religionsgemeinschaft, Imam Yahya Pallavicini.

Im Anschluss an die Totenmesse wurde der Sarg unter dem Applaus der Anwesenden in den Petersdom getragen, wo in der Krypta die Beisetzung im kleinen Kreis stattfand. In seiner Predigt sagte Papst Franziskus:

»Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist« (Lk 23,46). Dies sind die letzten Worte des Herrn am Kreuz; sein letzter Seufzer – so könnte man sagen –, der das zu bestätigen vermag, was sein ganzes Leben kennzeichnete: ein ständiges Sich-Hingeben in die Hände seines Vaters. In diese Hände der Vergebung und des Mitgefühls, der Heilung und der Barmherzigkeit, diese Hände der Salbung und des Segens, die ihn dazu brachten, sich dann auch in die Hände seiner Brüder und Schwestern zu geben. Der Herr ließ sich in Offenheit für die Geschehnisse, die ihm auf seinem Weg begegneten, vom Willen Gottes fein bearbeiten, indem er alle Konsequenzen und Schwierigkeiten des Evangeliums auf seine Schultern nahm, bis seine Hände die Wundmale seiner Liebe zeigten: »Sieh meine Hände«, sagte er zu Thomas (Joh 20,27) und er sagt dies zu einem jedem von uns: »Sieh meine Hände«. Verwundete Hände, die sich uns entgegenstrecken und immerfort darreichen, damit wir Gottes Liebe zu uns erkennen und an sie glauben (vgl. 1 Joh 4,16).1

»Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist« – so lautet die Einladung und das Lebensprogramm, welches das Herz des Hirten inspiriert und es wie ein Töpfer (vgl. Jes 29,16) formen will, bis sich in ihm die Gesinnung Christi Jesu regt (vgl. Phil 2,5). Dankbare Hingabe im Dienst für den Herrn und sein Volk, die sich aus der Annahme einer gänzlich ungeschuldeten Gabe ergibt: »Du gehörst mir … du gehörst zu ihnen«, flüstert der Herr; »du stehst unter dem Schutz meiner Hände. Du stehst unter dem Schutz meines Herzens. Du bist behütet in meinen schützenden Händen, und gerade so befindest du dich in der Weite meiner Liebe. Bleib in meinen Händen und gib mir die deinen«.2 Die Nachsicht Gottes und seine Nähe ermöglichen es ihm, sich in die schwachen Hände seiner Jünger zu legen, um sein Volk zu speisen und mit dem Herrn zu sagen: Nehmt und esst, nehmt und trinkt, das ist mein Leib, Leib, der für euch hingegeben wird (vgl. Lk 22,19). Die vollkommene synkatabasis Got-tes.

Betende Hingabe, die sich still zwischen den Kreuzungspunkten und Widersprüchen, denen sich der Hirte stellen muss (vgl. 1 Petr 1,6-7), und der vertrauensvollen Aufforderung, die Herde zu hüten (vgl. Joh 21,17) herausbildet und verfeinert. Wie der Meister trägt er auf seinen Schultern die ermüdende Last des Eintretens für andere und die Zermürbung der Salbung für sein Volk, vor allem dort, wo das Gute zu kämpfen hat und die Brüder und Schwestern in ihrer Würde bedroht werden (vgl. Hebr 5,7-9). In dieser Begegnung der Fürsprache bringt der Herr die Sanftmut hervor, die fähig ist, zu verstehen, anzunehmen, zu hoffen und alles zu wagen – über das Unverständnis, das dies hervorrufen kann, hinaus. Es ist eine unsichtbare und unbegreifliche Fruchtbarkeit, die entsteht, wenn man weiß, in wessen Hände man sein Vertrauen gelegt hat (vgl. 2 Tim 1,12). Betendes und anbetendes Vertrauen, das den Hirten verstehen lässt, was zu tun ist und sein Herz und seine Entscheidungen den Zeiten Gottes anpasst (vgl. Joh 21,18): »Weiden heißt lieben, und lieben heißt auch, bereit sein zu leiden. Und lieben heißt: den Schafen das wahrhaft Gute zu geben, die Nahrung von Gottes Wahrheit, von Gottes Wort, die Nahrung seiner Gegenwart«.3

Und auch Hingabe, die vom Trost des Geis-tes getragen ist, der ihm bei seiner Sendung immer vorausgeht: in dem leidenschaftlichen Bestreben, die Schönheit und die Freude des Evangeliums zu vermitteln (vgl. Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 57), im fruchtbaren Zeugnis derer, die wie Maria in vielerlei Hinsicht beim Kreuz bleiben, in jenem schmerzvollen, aber starken Frieden, der weder angreift noch unterdrückt, und in der hartnäckigen, aber geduldigen Hoffnung, dass der Herr seine Verheißung erfüllen wird, wie er es unseren Vätern und seinen Nachkommen für immer verheißen hat (vgl. Lk 1,54-55).

Auch wir, die wir fest mit den letzten Worten des Herrn und dem Zeugnis, das sein Leben geprägt hat, verbunden sind, möchten als kirchliche Gemeinschaft in seine Fußstapfen treten und unseren Bruder den Händen des Vaters anvertrauen: Mögen diese Hände der Barmherzigkeit seine mit dem Öl des Evangeliums brennende Lampe vorfinden, das er während seines Lebens verbreitet und bezeugt hat (vgl. Mt 25,6-7).

Der heilige Gregor der Große lud am Ende seiner Pastoralregel einen Freund dazu ein und forderte ihn auf, ihm diese geistliche Weggemeinschaft zuteilwerden zu lassen: »Inmitten der Stürme meines Lebens tröstet mich die Zuversicht, dass du mich auf der Planke deiner Gebete über Wasser hältst, und dass du mir, wenn die Last meiner Fehler mich niederzieht und demütigt, die Hilfe deiner Verdienste leihst, um mich emporzuholen.« Dies ist das Bewusstsein des Hirten, dass er nicht allein tragen kann, was er in Wirklichkeit nie allein tragen könnte, und deshalb weiß er sich dem Gebet und der Fürsorge des Volkes zu überlassen, das ihm anvertraut wurde.4

Das gläubige Volk Gottes versammelt sich, es begleitet das Leben dessen, der sein Hirte war und vertraut es dem Herrn an. Wie im Evangelium die Frauen am Grab, so sind wir hier mit dem Wohlgeruch der Dankbarkeit und der Salbung der Hoffnung, um ihm noch einmal die Liebe zu erweisen, die nicht vergeht; wir wollen dies mit derselben Salbung und Weisheit, mit demselben Feingefühl und derselben Hingabe tun, die er uns im Laufe der Jahre zu schenken wusste. Wir wollen gemeinsam sagen: »Vater, in deine Hände übergeben wir seinen Geist.«

Benedikt, du treuer Freund des Bräutigams, möge deine Freude vollkommen sein, wenn du seine Stimme endgültig und für immer hörst!

Fußnoten

1 Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est, 1.

2 Vgl. Ders., Homilie in der Chrisam-Messe, 13. April 2006.

3 Ders., Homilie in der heiligen Messe zur Amtseinführung, 24. April 2005.

4 Ebd.