Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag und noch einmal
frohe Weihnachten!
Diese liturgische Zeit lädt uns ein, über das Geheimnis von Weihnachten nachzudenken. Und da wir genau heute den 400. Todestag des heiligen Bischofs und Kirchenlehrers Franz von Sales begehen, können wir uns von einigen seiner Gedanken inspirieren lassen. Er hat viel über Weihnachten geschrieben. In diesem Zusammenhang freue ich mich anzukündigen, dass heute das Apos-tolische Schreiben zum Gedenken an diesen Jahrestag veröffentlicht wird. Der Titel lautet: Alles gehört der Liebe, in Anlehnung an ein bezeichnendes Wort des heiligen Franz von Sales. Denn in der Abhandlung über die Gottesliebe schrieb er: »Alles gehört der Liebe, alles liegt in der Liebe, alles ist für die Liebe, alles ist aus Liebe in der heiligen Kirche« (Franz von Sales, Abhandlung über die Got-tesliebe, Vorwort, in DASal III, 36.) Und es wäre wunderbar, wenn wir alle auf diesem so schönen Weg der Liebe wandeln könnten.
Wir wollen jetzt versuchen, das Geheimnis der Geburt Jesu etwas zu vertiefen, »in Gesellschaft« des heiligen Franz von Sales; so vereinen wir die beiden Gedächtnisfeiern.
Mitleid und Zärtlichkeit
Der heilige Franz von Sales schreibt einem seiner zahlreichen Briefe an die heilige Johanna Franziska von Chantal: »Es scheint mir, als sehe ich Salomo auf dem großen Thron aus Elfenbein, mit Gold überzogen und gemeißelt, der noch für kein Königreich geschaffen worden war, wie es in der Schrift heißt (vgl. 1 Kön 10, 18-20); also jenen König, der alle Könige an Herrlichkeit und Ehre übertraf (vgl. 1 Kön 10,23). Aber ich will hundertmal lieber das liebe kleine Kind in der Krippe sehen als alle Könige auf ihren Thronen«1: Das ist schön, was er dort gesagt hat. Jesus, der König des Universums, hat sich nie auf einen Thron gesetzt, nie: Er ist in einem Stall geboren – so sehen wir ihn dargestellt –, wurde in Windeln gewickelt und in eine Krippe gelegt; und am Ende ist er an einem Kreuz gestorben und in ein Leinentuch gewickelt in das Grab gelegt worden. Tatsächlich betont der Evangelist Lukas, wenn er über die Geburt Jesu berichtet, sehr das Detail der Krippe. Das bedeutet, dass es sehr wichtig ist, nicht nur als logistisches Detail, sondern als symbolisches Element, um was zu verstehen? Um zu verstehen, was für Art von Messias dort in Betlehem geboren ist, was für eine Art von König: wer Jesus ist. Wenn wir die Krippe betrachten, wenn wir das Kreuz betrachten, wenn wir sein einfaches Leben betrachten, können wir verstehen, wer Jesus ist. Jesus ist der Sohn Gottes, der uns erlöst, indem er Mensch wird, wie wir, indem er sich seiner Herrlichkeit ent-äußert und sich erniedrigt hat (vgl. Phil 2,7–8). Dieses Geheimnis sehen wir konkret im Mittelpunkt der Weihnachtsszene, also im Kind, das in einer Krippe liegt. Das ist »das Zeichen«, das Gott uns an Weihnachten gibt: So war es damals für die Hirten von Betlehem (vgl. Lk 2,12), so ist es heute, und so wird es immer sein. Wenn die Engel die Geburt Jesu verkündigen: »Geht hin, um ihn zu sehen«, dann ist das Zeichen: Ihr werdet ein Kind in einer Krippe finden. Das ist das Zeichen. Der Thron Jesu ist die Krippe oder die Straße, als er umherzog und verkündigte, oder das Kreuz am Ende des Lebens: Das ist der Thron unseres Königs.
Dieses Zeichen zeigt uns den »Stil« Gottes. Und was ist der Stil Gottes? Das dürfen wir nie vergessen: Der Stil Gottes ist Nähe, Mitleid und Zärtlichkeit. Unser Gott ist nahe, mitleidend und zärtlich. In Jesus sieht man diesen Stil Gottes. Mit diesem seinem Stil zieht Gott uns zu sich. Er ergreift uns nicht mit Gewalt, er zwingt uns nicht seine Wahrheit und seine Gerechtigkeit auf, er macht uns nicht zu Proselyten, nein: Er will uns anziehen mit der Liebe, mit der Zärtlichkeit, mit dem Mitleid. In einem anderen Brief schreibt der heilige Franz von Sales: »Der Magnet zieht das Eisen an, und der Bernstein zieht Heu und Stroh an. Nun denn, ganz gleich, ob wir Eisen sind aufgrund unserer Härte oder Heu aufgrund unserer Schwäche, wir müssen uns anziehen lassen von diesem kleinen himmlischen Kind.«2 Unsere Stärken, unsere Schwächen werden nur gelöst vor der Krippe, vor Jesus, oder vor dem Kreuz: der Jesus, der sich entäußert hat, der arme Jesus; aber immer mit seinem Stil der Nähe, des Mitleids und der Zärtlichkeit. Gott hat das Mittel gefunden, uns so anzuziehen, wie wir sind: mit der Liebe. Keine besitz-ergreifende und egoistische Liebe, wie die menschliche Liebe es leider so oft ist. Seine Liebe ist reines Geschenk, reine Gnade, sie ist ganz und gar für uns, für unser Wohl. Und so zieht er uns an, mit dieser wehrlosen und auch entwaffnenden Liebe, denn wenn wir diese Einfachheit Jesu sehen, dann werfen auch wir die Waffen des Hochmuts fort und gehen dorthin, demütig, um das Heil zu erbitten, um Vergebung zu erbitten, um Licht zu erbitten für unser Leben, um vorangehen zu können. Vergesst nicht den Thron Jesu: die Krippe und das Kreuz, das ist der Thron Jesu.
Ein weiterer Aspekt, der in der Krippe aufscheint, ist die Armut – dort ist wirklich Armut –, verstanden als Verzicht auf jede weltliche Eitelkeit. Wenn wir das Geld sehen, das für Eitelkeit ausgegeben wird: viel Geld für weltliche Eitelkeit; viele Anstrengungen, viel Streben nach Eitelkeit; während Jesus uns die Demut sehen lässt. Der heilige Franz von Sales schreibt: »Mein Gott! Wie viele heilige Gefühle lässt diese Geburt in unseren Herzen aufkommen! Vor allem aber lehrt sie uns den völligen Verzicht auf alle Güter, auf allen Prunk […] dieser Welt. Ich weiß nicht, aber ich finde kein anderes Geheimnis, in dem Zärtlichkeit und Nüchternheit, Liebe und Strenge, Sanftheit und Härte so lieblich miteinander vermischt sind«3: All das sehen wir in der Krippe. Ja, wir müssen achtgeben, nicht in die weltliche Karikatur von Weihnachten zu verfallen. Und das ist ein Problem, denn Weihnachten ist genau das.
Einfachheit und Nüchternheit
Heute sehen wir jedoch, dass es auch ein »anderes Weihnachten« – in Anführungszeichen – gibt. Es ist die Karikatur von Weihnachten, die Weihnachten auf ein konsumorientiertes und verkitschtes Fest reduziert. Es muss gefeiert werden, das muss es, aber das darf nicht Weihnachten sein, Weihnachten ist etwas anderes. Die Liebe Gottes ist nicht süßlich, das zeigt uns die Krippe Jesu. Die Liebe Gottes ist kein heuchlerisches Gutmenschentum, hinter dem sich die Suche nach Vergnügen und Annehmlichkeiten verbirgt. Unsere Vorfahren, die Krieg und auch Hunger kennengelernt hatten, wussten es gut: Weihnachten ist Freude und Festlichkeit, gewiss, aber in Einfachheit und Nüchternheit.
Und wir wollen mit einem Gedanken des heiligen Franz von Sales schließen, den ich auch im Apostolischen Schreiben aufgegriffen habe. Er legte ihn den Visitantinnen ans Herz – denkt nur! – zwei Tage bevor er starb. Und er sagte: »Schaut auf das Jesulein in der Krippe. Es erträgt Ungemach und Kälte und alles, was der himmlische Vater zulässt. Es weist aber auch die kleinen Erleichterungen, die seine Mutter ihm verschafft, nicht ab. Haben wir je gelesen, dass es seine Händchen nach der Mutterbrust verlangend ausgestreckt? Alles hat es der Sorge und Fürsorge seiner Mutter überlassen. Auch wir sollen nichts verlangen – nichts abschlagen, sondern alles, was Gott schickt, annehmen, Ungemach und Kälte.«4 Und darin, liebe Brüder und Schwestern, liegt eine große Lehre, die uns vom Jesuskind kommt durch die Weisheit des heiligen Franz von Sales: nichts zu verlangen und nichts abzuschlagen, alles anzunehmen, was Gott uns schickt. Aber Achtung! Immer nur aus Liebe, denn Gott liebt uns und will immer nur unser Wohl.
Betrachten wir die Krippe, die der Thron Jesu ist, betrachten wir Jesus auf den Straßen von Judäa, von Galiläa, der die Botschaft des Vaters verkündet, und betrachten wir Jesus auf dem anderen Thron, am Kreuz. Das ist es, was Jesus uns anbietet: den Weg, aber er ist der Weg der Glückseligkeit.
Euch allen und euren Familien eine gesegnete Weihnachtszeit und einen guten Beginn des neuen Jahres!
Fußnoten
1 An Mutter von Chantal, Annecy, 25. Dezember 1613 (Œuvres de Saint François de Sales, édition complète, Annecy, Tome XVI, 120-121).
2 An eine Ordensfrau, Paris, um den 6. Januar 1619 (Œuvres de Saint François de Sales, édition complète, Annecy, Tome XVIII, 334-335).
3 An eine Ordensfrau der Abtei Santa Caterina, Annecy, 25. oder 26. Dezember 1621, (Œuvres de Saint François de Sales, édition complète, Annecy, Tome XX, 212).
4 Franz von Sales, 23. Gespräch – Letzte Unterredung unseres seligen Vaters über verschiedene Fragen der Schwestern von Lyon, zwei Tage vor seinem seligen Tode, am Fest des heiligen Stephanus 1622, in DASal II, 329.
(Orig. ital. in O.R. 28.12.2022)