Liebe Brüder und Schwestern,
einen schönen Sonntag!
Das Evangelium dieses dritten Adventssonntags erzählt uns von Johannes dem Täufer, der im Gefängnis ist und seine Jünger zu Jesus schickt, um ihn zu fragen: »Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?« (Mt 11,4). Als Johannes von den Taten Jesu erzählen hört, wird er von Zweifeln geplagt, ob dieser wirklich der Messias sei oder nicht. Er hatte sich nämlich einen strengen Messias vorgestellt, der durch sein Kommen machtvoll Gerechtigkeit schaffen und die Sünder bestrafen würde. Jesus dagegen hat für alle Worte und Gesten des Mitgefühls, im Mittelpunkt seines Handelns steht die Barmherzigkeit, die vergibt: »Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet« (V. 5). Es wird uns allerdings guttun, uns mit dieser Krise Johannes des Täufers zu befassen, denn sie kann auch uns etwas Wichtiges sagen.
Der Text unterstreicht, dass Johannes im Gefängnis ist, und dies lässt außer an den konkreten Ort auch an die innere Situation denken, die er erlebt: Im Gefängnis herrscht Dunkelheit, es gibt keine Möglichkeit, klar zu sehen und weiter in die Ferne zu blicken. In der Tat gelingt es dem Täufer nicht mehr, Jesus als den erwarteten Messias zu erkennen. Er wird von Zweifeln geplagt und schickt die Jünger aus, um es zu überprüfen: »Geht und seht, ob er der Messias ist oder nicht.« Wir sind erstaunt, dass dies ausgerechnet Johannes widerfährt, der Jesus im Jordan getauft und seine Jünger auf ihn als das Lamm Gottes hingewiesen hatte (vgl. Joh 1,29). Das bedeutet aber, dass auch der größ-te Gläubige durch den Tunnel des Zweifels geht. Und das ist nichts Schlechtes; vielmehr ist es manchmal für das geistliche Wachstum unerlässlich: Es hilft uns zu verstehen, dass Gott immer größer ist, als wir ihn uns vorstellen; dass die Werke, die er vollbringt, im Vergleich zu unseren Berechnungen überraschend sind; dass sein Handeln immer anders ist und unsere Bedürfnisse und Erwartungen übertrifft; und deshalb dürfen wir nie aufhören, ihn zu suchen und uns zu seinem wahren Antlitz zu bekehren. Ein großer Theologe sagte, dass Gott schrittweise wiederentdeckt werden muss und wir dabei manchmal meinen, ihn zu verlieren (vgl. H. de Lubac, Auf den Wegen Gottes). Genau das tut der Täufer: Wenn er zweifelt, sucht er ihn von Neuem, befragt ihn, »diskutiert« mit ihm und entdeckt ihn schließlich neu. Johannes, der von Jesus als der Größte unter den von einer Frau Geborenen bezeichnet wird (vgl. Mt 11,11), lehrt uns, kurz gesagt, Gott nicht unseren Denkmustern anzupassen. Das ist immer die Gefahr, die Versuchung: uns einen Gott nach unseren Maßstäben zu machen, einen Gott, um ihn zu benutzen. Und Gott ist etwas ganz anderes.
Brüder und Schwestern, auch wir können uns manchmal in seiner Situation befinden, in einem inneren Gefängnis, unfähig, die Neuheit des Herrn zu erkennen, den wir vielleicht in der vermessenen Annahme gefangen halten, bereits alles über ihn zu wissen. Liebe Brüder und Schwestern, man weiß niemals alles über Gott, niemals! Vielleicht stellen wir uns einen mächtigen Gott vor, der tut, was er will, statt des Gottes der demütigen Sanftmut, der Barmherzigkeit und der Liebe, der bei seinem Wirken unsere Freiheit und unsere Entscheidungen respektiert. Vielleicht kommt auch uns in den Sinn, zu ihm zu sagen: »Bist wirklich Du, der so demütig ist, der Gott, der kommt, um uns zu retten?« Und etwas Ähnliches kann uns auch mit unseren Brüdern und Schwes-tern passieren: Wir haben unsere eigenen Vorstellungen, unsere Vorurteile, und wir versehen andere – vor allem die, von denen wir meinen, dass sie anders sind als wir – mit starren Etiketten. Der Advent ist also eine Zeit des Umdenkens, in der wir uns von der Größe der Barmherzigkeit Gottes überraschen lassen. Das Staunen: Gott lässt uns immer wieder staunen. (Wir haben es gerade in der Sendung »A Sua Immagine« gesehen, in der es um das Staunen ging). Gott ist immer derjenige, der in dir das Staunen weckt. Eine Zeit – der Advent – , in der wir durch die Vorbereitung der Krippe für das Jesuskind von Neuem lernen, wer unser Herr ist; eine Zeit, in der wir bestimmte Muster, bestimmte Vorurteile gegenüber Gott und unseren Brüdern und Schwestern hinter uns lassen. Der Advent ist eine Zeit, in der wir, statt über Geschenke für uns selbst nachzudenken, Worte und Gesten des Trostes an diejenigen richten können, die verwundet sind, so wie Jesus es mit den Blinden, den Tauben und den Lahmen getan hat.
Möge uns die Muttergottes in diesen Tagen der Vorbereitung auf Weihnachten als Mutter bei der Hand nehmen und uns helfen, in der Kleinheit des Kindes die Größe des kommenden Gottes zu erkennen.
Nach dem Angelus sagte der Papst:
Liebe Brüder und Schwestern!
Gestern wurde in Barbacena in Brasilien Isabel Cristina Mrad Campos seliggesprochen. Diese junge Frau wurde 1982 im Alter von 20 Jahren aus Glaubenshass getötet, weil sie ihre Würde als Frau und den Wert der Keuschheit verteidigt hatte. Möge ihr heroisches Beispiel vor allem junge Menschen inspirieren, großherzig Zeugnis zu geben für ihren Glauben und ihre Treue zum Evangelium. Einen Applaus für die neue Selige!
Mit Trauer und Sorge verfolge ich die Nachrichten aus dem Südsudan über die gewalttätigen Auseinandersetzungen der letzten Tage. Wir beten zu Gott um Frieden und nationale Versöhnung, dass die Angriffe aufhören und die Zivilbevölkerung stets geachtet werde.
Heute ist der Welttag der Berge, der dazu einlädt, die Bedeutung dieser wunderbaren Ressource für das Leben des Planeten und der Menschheit anzuerkennen. Das diesjährige Thema »Frauen versetzen Berge« – es stimmt, Frauen versetzen Berge! – erinnert uns an die Rolle der Frauen bei der Pflege der Umwelt und der Bewahrung der Traditionen der Bergvölker. Von den Bergbewohnern lernen wir den Sinn für Gemeinschaft und das gemeinsame Gehen.
Ich grüße euch alle, die ihr aus Rom, aus Italien und aus vielen Teilen der Welt gekommen seid. Ein besonderer Gruß gilt den Gläubigen aus Barcelona, Valencia, Alicante, Beirut, aus Kairo sowie aus Mexiko und Polen. Ich grüße die katholische tansanische Gemeinde in Italien, die Pfarrgemeinden aus Terni, Panzano in Chianti, Perugia, Nozza di Vestone, den Chor der Gebirgsjäger aus Rom und die Vertreter der Bürger, die in den am stärksten verschmutzten Gebieten Italiens leben, und ich wünsche eine gerechte Lösung für ihre schwerwiegenden Probleme und für die Krankheiten, die von dieser verschmutzten Umwelt verursacht werden.
Und ich möchte einen herzlichen Gruß an die Insassen des Gefängnisses »Due Palazzi« in Padua richten: ich grüße euch mit Zuneigung!
Und nun segne ich die »Bambinelli«, also die kleinen Figuren der Jesuskinder, die ihr, liebe Kinder und Jugendliche, mitgebracht habt und die ihr dann zu Hause in die Krippe legen werdet. Ich lade euch ein, vor der Krippe zu beten, dass die Weihnacht des Herrn den Kindern der ganzen Welt einen Lichtstrahl des Friedens bringen möge, vor allem denen, die gezwungen sind, die schrecklichen und dunklen Tage des Krieges zu erleben, dieses Krieges in der Ukraine, der so viele Leben zerstört, so viele Leben und so viele Kinder. Die Segnung der Jesuskinder… [Der Papst segnet sie].
Ich wünsche allen einen schönen Sonntag und einen guten Weg hin zum Geburtsfest Jesu. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen.