Unser Gott lenkt die Geschichte der Menschheit in jedem Augenblick, nichts entzieht sich seiner Macht, die Zärtlichkeit und fürsorgliche Liebe ist. Sie wird gegenwärtig durch eine Geste, ein Ereignis, eine Person. Er blickt unaufhörlich auf unsere bedürftige, verwundete, verängstigte Welt, um ihr voll Mitleid und Barmherzigkeit zu helfen. Seine Art und Weise, einzugreifen und sich zu offenbaren, überrascht uns immer und erfüllt uns mit Freude. Sie lässt uns staunen, und tut dies in einem ganz eigenen Stil.
Die Lesung aus dem Galaterbrief gibt uns einen präzisen Hinweis, der uns hilft, dankbar seinen Plan unserer Erlösung und unserer Annahme als Kinder zu betrachten: »Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau« (Gal 4,4).
Und so ist das Kommen des Sohnes in menschlichem Fleisch der höchste Ausdruck seines göttlichen Weges der Erlösung. Gott, der die Welt so sehr geliebt hat, hat uns seinen Sohn gesandt, »geboren von einer Frau«, damit »jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat« (Joh 3,16). So wird er in Jesus, geboren von Maria, für immer und unwiderruflich »Gott-mit-uns« und geht als Bruder und Weggefährte an unserer Seite. Er ist gekommen, um zu bleiben. Nichts von dem, was uns ausmacht, ist ihm fremd, weil er wie »einer von uns« ist, nahe, ein Freund, in allem uns gleich außer der Sünde.
Und etwas Ähnliches dieser Art geschah vor fast 500 Jahren, in jenem komplizierten und schwierigen Augenblick für die Bewohner der Neuen Welt. Der Herr wollte die Verwirrung, die die Begegnung zwischen zwei verschiedenen Welten verursacht hatte, in Wiederherstellung von Sinn, in Wiederherstellung von Würde, in Öffnung für das Evangelium verwandeln, sie in Begegnung verwandeln. Und er tat dies, indem er Maria sandte, seine Mutter, in der Logik, an die uns heute das Evangelium erinnert: Nach der Verkündigung durch den Engel »machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa« (Lk 1,39). Die Muttergottes, die es eilig hat. So erreichte die Jungfrau von Guadalupe die gesegneten Landstriche Amerikas, wobei sie sich als »Mutter des einzig wahren Gottes, durch den das Leben ist« (vgl. Nican Mopohua) bezeichnete. Und sie kam, um die Geringsten zu trösten und ihre Not zu lindern, ohne jemanden auszuschließen, um sie als fürsorgliche Mutter in ihre Gegenwart, ihre Liebe und ihren Trost einzuhüllen. Sie ist unsere »mestizische« Mutter.
In diesem Jahr feiern wir das Fest von Guadalupe in einer für die Menschheit schwierigen Zeit. Es ist eine bittere Zeit, voller Kriegslärm, wachsender Ungerechtigkeit, Hungersnot, Armut, Leid. Es herrscht Hunger. Und obwohl dieser Horizont düster und beunruhigend erscheint, mit Vorzeichen noch größerer Zerstörung und Trostlosigkeit, ist es doch so, dass der Glaube, die göttliche Liebe und Güte, uns dennoch lehren und sagen, dass auch diese Zeit eine gnadenvolle Zeit des Heils ist, in der der Herr durch die Jungfrau Maria als Mestizin uns weiterhin seinen Sohn schenkt; in der er uns aufruft, Brüder und Schwestern zu sein; Egoismus, Gleichgültigkeit und Polarisierung beiseite zu lassen; in der er uns einlädt, uns »eilig« einer des anderen anzunehmen, auf die vergessenen und von unseren konsumistischen, apathischen Gesellschaften ausgegrenzten Brüder und Schwestern zuzugehen, unsere Brüder und Schwestern, die zurückgelassen werden. Und sie tut dies »eilig«: Die Mutter ist es, die Sorge trägt, die es eilig hat, die fürsorgliche Mutter.
Heute wie damals möchte die heilige Muttergottes von Guadalu-pe uns begegnen, wie sie einst Juan Diego auf dem Tepeyac-Hügel begegnet ist. Sie möchte bei uns bleiben. Sie bittet uns, es ihr zu erlauben, unsere Mutter zu sein, unser Leben für ihren Sohn Jesus zu öffnen und seine Botschaft anzunehmen, damit wir lernen, so zu lieben, wie er liebt. Sie ist gekommen um das Volk Amerikas auf diesem so harten Weg der Armut, der Ausbeutung, der sozio-ökonomischen und kulturellen Kolonialismen zu begleiten. Sie ist inmitten der »Karawanen«, die auf der Suche nach Freiheit und Wohlergehen Richtung Norden wandern. Sie ist inmitten des amerikanischen Volkes, das von einem grausamen, ausbeuterischen Heidentum in seiner Identität bedroht wird, verletzt von der aktiven Verkündigung eines praktischen und pragmatischen Atheismus. Und sie ist da. »Ich bin deine Mutter«, sagt sie uns. Die Mutter der Liebe, durch die wir leben.
Heute, am 12. Dezember, beginnt auf dem amerikanischen Kontinent die interkontinentale Guadalupe-Novene und damit ein Weg, der auf die Feier des 500. Jahrestages des Ereignisses von Guadalupe im Jahr 2031 vorbereitet. Ich fordere alle Glieder der pilgernden Kirche in Amerika auf, Hirten und Gläubige, an diesem Weg zum Fest hin teilzunehmen. Aber tut es bitte im wahren Geist von Guadalupe. Mir bereiten die ideologisch-kulturell eingefärbten Angebote verschiedener Art Sorge, die sich der Begegnung eines Volkes mit seiner Mutter bemächtigen wollen, die die Mutter keine Mestizin sein lassen wollen, die sie schminken wollen. Bitte, lassen wir nicht zu, dass die Botschaft durch weltliche und ideologische Muster »filtriert« wird. Die Botschaft ist einfach, sie ist zärtlich: »Bin ich, deine Mutter, denn nicht hier?« Und die Mutter darf man nicht ideologisieren.
Möge Jesus Christus, der von allen Nationen Ersehnte, auf die Fürsprache der Muttergottes von Guadalupe uns Tage der Freude und Zuversicht gewähren, damit der Friede des Herrn in unseren Herzen und in den Herzen aller Männer und Frauen guten Willens wohnen möge.
(Orig. span; ital. in O.R. 13.12.2022)