Eine Loreto-Schwester aus Kenia lehrt gewaltfreie Konfliktlösung

Die Verschiedenheit wertschätzen

 Die Verschiedenheit wertschätzen  TED-051
23. Dezember 2022

Sr. Teresia glaubt, dass Friede möglich ist, dass die Teufelskreise von Gewalt und Ungerechtigkeit durchbrochen werden können und dass die Medien Konfliktparteien zusammenbringen können, indem sie »beide Seiten sehen«.

Sr. Teresia Wamuyu Wachira ist in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterin, die sich seit Langem für eine Kultur des Friedens und der gewaltfreien Konfliktlösung in ihrem Heimatland Kenia einsetzt. Insbesondere ihre Unterstützung von kenianischen Mädchen und Frauen wurde seit 1991 weiteren Kreisen bekannt.

Sr. Teresia gehört dem Institutum Beatae Mariae Virginis (IBMV) an, den »Loreto-Schwestern«, einer 1609 von der Engländerin Mary Ward gegründeten Kongregation von Ordensfrauen, die sich der Erziehung widmen. Sie ist Titularprofessorin (Senior Lecturer) und Studiengangsleiterin für Friedens- und Konfliktstudien an der St. Paul’s University in Nairobi, einer christlichen ökumenischen Institution, sowie Co-Präsidentin von Pax Christi International. Außerdem hält sie weltweit Vorträge, zu denen sie eingeladen wird.

Friedensjournalismus

In einem Interview mit Vatican News zeigt sich Sr. Teresias spürbar große Leidenschaft, mit der sie afrikanischen Studenten Kompetenzen in friedlicher Konfliktlösung vermittelt. Zum Studiengang an der St. Paul’s University, den sie leitet, sagt sie: »Wir lehren dort gewaltfreie Wege zur Friedensstiftung. Dazu gehört auch der Friedensjournalismus, da wir festgestellt haben, dass unsere Medien Konfliktsituationen noch weiter eskalieren lassen. Das ist dann der Fall, wenn Journalis-ten Partei ergreifen und Konflikte verschärfen, entweder durch ihre Worte oder dadurch, wie sie die Botschaft kommunizieren und kontextualisieren, das ›Framing‹. Wenn du über zwei Konfliktparteien berichtest, solltest du nicht hingehen und eine von ihnen verteufeln. Die Medien sollten einen Blick auf beide Seiten werfen und herausfinden, wie sie diese beiden Seiten, diese beiden Gemeinschaften, an einen Tisch bringen können. Man kann den Beteiligten helfen, soweit zu kommen, dass sie offen sind für Mediation. Deshalb ist uns Vermittlung wichtig. Sie ist der Schlüssel zu unserer Ausbildung an St. Paul’s.«

»Die Medien sollten den Menschen helfen, zu sehen, was die andere Seite sieht«, fügt sie hinzu. »Die Medien müssen, gerade in Afrika, versöhnend wirken und Brückenbauer sein, statt Partei zu ergreifen. Vor allem in Zeiten des Wahlkampfs entstehen manchmal Konflikte nur durch die Art und Weise, wie die Medien eine bestimmte Nachricht präsentiert haben.«

Sr. Teresia glaubt auch, dass die Afrikaner traditionelle afrikanische Methoden der Konfliktlösung wiederentdecken und anwenden sollten. Denn die traditionelle afrikanische Gesellschaft verfüge über bewährte Methoden friedlicher Konfliktbewältigung. Sie bezeichnet dies als »alternative Mediation«: »Die Ältesten versammeln sich, hören beide Konfliktparteien an und finden durch Zuhören und Dialog einen gemeinsamen Nenner. Die traditionelle Vermittlung legt den Schwerpunkt auf Harmonie und Gemeinschaftsbildung. Wir müssen an diesen Werten festhalten und sie an die Studenten weitergeben«, betonte sie und fügte hinzu: »Es geht nicht einfach nur um den Konsens. Es geht darum, sich in die anderen hineinzuversetzen und so zu fühlen wie sie.«

Einstellung ändern

Junge Leute wüssten ganz genau, was richtig und was falsch sei, meint Sr. Teresia. Aber sie bräuchten Herausforderungen, gerade auch in Bezug auf die schädliche und toxische Nutzung sozialer Kommunikationsmittel: »Ich werfe oft einen Blick hinein, um zu sehen, was unsere jungen Studenten im Internet und in den Blogs der sozialen Netzwerke veröffentlichen. Manchmal fordere ich sie heraus: ›Gibt es keine andere Art, das auszudrücken, was ihr sagen wollt, ohne Hassreden zu verwenden? Warum denkt ihr, ihr müsst die andere Person herabsetzen? Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr auf der anderen Seite ständet?‹ Und ich stelle fest: Wenn man erst einmal diesen Weg eingeschlagen hat, fängt man an, seine Einstellung zu ändern. Denken wir immer daran: Junge Menschen kennen die Wahrheit… Junge Leute sind sehr kreativ und leisten durch Kunst und Musik bereits einen wichtigen Beitrag zur Friedensstiftung. Es ist nicht so, als ob wir ihnen etwas völlig Neues beibringen würden«, unterstreicht die Schwester. »Ich sage meinen Studenten immer, dass es keine Rolle spielt, was da draußen passiert. Geht hin und verändert etwas, und fangt bei euch selber an!«

Zunächst allerdings müssten die Erwachsenen vorbildliche Friedensstifter sein. »Wenn wir junge Menschen lehren, friedlich zu sein, dann müssen wir uns fragen, ob wir Erwachsene friedlich sind? Wie kommunizieren die Eltern, Ehemann und Ehefrau, miteinander, wenn sie uneins sind?«

Und was ist mit Afrikas lokalen ethnischen Konflikten und Stammesfehden? Sr. Teresia ist überzeugt, dass die ethnischen Konflikte in Afrika von Politikern weitergeführt werden, die die Stammeszugehörigkeit als Mittel zur Erlangung politischer Macht zu ihrem eigenen Vorteil oder dem ihrer Familie und Freunde instrumentalisieren. »Es sind Männer, die Macht wollen um jeden Preis. Bei diesem ganzen Gerede über ›mein Volk‹ geht es darum, einen Mann in eine Machtposition zu hieven.«

»Wir sollten das Anderssein der Menschen nicht immer so betonen. Wir alle gleichen uns. Die verschiedenen Ethnien und Stämme in Afrika sollten gewürdigt werden. Wenn Gott gewollt hätte, hätte er uns so geschaffen, dass wir alle identisch wären. Aber Gott will, dass wir unsere Unterschiede zu schätzen wissen. Die Kulturen der jeweils anderen zu schätzen heißt, dass ich nie auf die Idee komme, dass meine Kultur besser oder überlegen sei. Es gibt immer gute Dinge, die ich von den Kulturen der anderen übernehmen kann. Es geht darum, wertzuschätzen, dass wir verschiedene Blumen sind, die in ein und demselben Garten wachsen. Afrika ist wie ein Puzzle: Wenn es zusammengesetzt ist, ist es wunderschön. Jedes Puzzleteil ist anders, aber Teil eines Ganzen.«

#sistersproject

Von Paul Samasumo