Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
Wir setzen unsere Reflexion über die Unterscheidung fort, insbesondere über die geistliche Erfahrung, die man als »Trost« bezeichnet und über die wir am vergangenen Mittwoch gesprochen haben, und fragen uns: Wie kann man den wahren Trost erkennen? Das ist eine sehr wichtige Frage für eine gute Unterscheidung, damit wir in der Suche nach unserem wahren Wohl nicht der Täuschung erliegen.
Liebe zum Herrn
und zum Nächsten
Einige Kriterien finden wir in einem Abschnitt aus den Geistlichen Übungen des heiligen Ignatius von Loyola. Der heilige Igna-tius sagt: »Wir müssen sehr acht haben auf den Verlauf unserer Gedanken; sind der Anfang, die Mitte und das Ende durchaus gut und auf etwas völlig Gutes gerichtet, so ist dies ein Kennzeichen des guten Engels. Wenn es aber im Verlauf der Gedanken, die er einflößt, auf etwas Schlechtes oder Ablenkendes hinausläuft oder auf etwas, das minder gut ist, als was die Seele vorher zu tun beabsichtigt hatte, oder wenn es die Seele schwächt oder beunruhigt oder verwirrt, indem es ihr den Frieden, die Ruhe und die Stille benimmt, die sie zwar besaß, so ist das ein klares Zeichen, dass es vom bösen Geist, dem Feinde unseres Fortschrittes und ewigen Heiles, herkommt« (Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen, Hrg. Alfred Feder SJ, Regensburg 1922, S. 150). Es stimmt nämlich: Es gibt einen wahren Trost, aber es gibt auch Tröstungen, die unwahr sind. Und daher muss man den Verlauf des Trostes gut verstehen: Wie verläuft er, und wohin bringt er mich? Wenn er mich zu etwas bringt, das weniger geht, das nicht gut ist, dann ist der Trost nicht wahr, ist er sozusagen »unecht«.
Und das sind wertvolle Hinweise, die einen kurzen Kommentar verdienen. Was bedeutet es, dass der Anfang auf etwas Gutes gerichtet ist, wie der heilige Ignatius über einen guten Trost sagt? Zum Beispiel kommt mir der Gedanke zu beten, und ich merke, dass er von Liebe zum Herrn und zum Nächs-ten begleitet ist, dass er mich einlädt, Gesten der Großherzigkeit, der Liebe zu vollbringen: Das ist ein guter Anfang. Es kann dagegen aber auch vorkommen, dass mir jener Gedanke kommt, um eine Arbeit oder eine Aufgabe, die mir anvertraut wurde, zu umgehen: Jedes Mal, wenn ich das Geschirr spülen oder die Wohnung putzen soll, überkommt mich ein großer Drang zu beten! Das kommt vor, in Klöstern. Aber das Gebet ist keine Flucht vor den eigenen Aufgaben, sondern im Gegenteil eine Hilfe, jenes Gute zu tun, das wir vollbringen sollen, hier und jetzt. Soweit zum Anfang.
Dann gibt es die Mitte: Der heilige Ignatius sagte, dass der Anfang, die Mitte und das Ende gut sein müssen. Das ist der Anfang: Ich verspüre den Drang zu beten und nicht das Geschirr zu spülen – geh, spüle das Geschirr und dann geh beten. Dann gibt es die Mitte, also das, was danach kommt, was auf jenen Gedanken folgt. Um bei dem genannten Beispiel zu bleiben: Wenn ich zu beten beginne und wie der Pharisäer im Gleichnis (vgl. Lk 18,9-14) dazu neige, selbstgefällig zu sein und die anderen zu verachten, vielleicht sogar mit dem Herzen vol-ler Groll und Bitterkeit, dann sind das Zeichen, dass der böse Geist jenen Gedanken als Zugangsschlüssel benutzt hat, um in mein Herz einzutreten und mir seine Gefühle zu übertragen. Wenn ich beten gehe und mir jener berühmte Satz des Pharisäers in den Sinn kommt – »ich danke dir, Herr, dass ich bete, dass ich nicht so bin wie die anderen Leute, die dich nicht suchen, die nicht beten« – dann endet dieses Gebet schlecht. Jener Trost im Gebet dient dazu, sich vor Gott wie ein Pfau zu fühlen. Und das ist die Mitte, die nicht geht.
Und dann gibt es das Ende: den Anfang, die Mitte und das Ende. Das Ende ist ein Aspekt, dem wir bereits begegnet sind: Wohin bringt mich ein Gedanke? Wohin bringt mich zum Beispiel der Gedanke zu beten? Hier kann es beispielsweise passieren, dass ich mich sehr einsetze für ein schönes und verdienstvolles Werk, dass aber dieses mich anspornt, nicht mehr zu beten, weil ich von vielen Dingen in Anspruch genommen bin. Ich entdecke, dass ich immer aggressiver und verbitterter werde; ich meine, dass alles von mir abhängt, bis ich das Vertrauen in Gott verliere. Hier ist ganz offensichtlich der böse Geist am Werk. Ich beginne zu beten, dann im Gebet fühle ich mich allmächtig und meine, dass alles in meinen Händen sein muss, weil ich der Einzige – oder die Einzige – bin, der die Dinge voranbringen kann: Ganz offensichtlich ist dort nicht der gute Geist. Ich muss den Verlauf der Gefühle und den Verlauf der guten Gefühle, des Tros-tes gut erforschen, wenn ich etwas tun will. Wie der Anfang ist, wie die Mitte ist und wie das Ende ist.
Tägliche
Gewissenserforschung
Der Stil des Feindes – wenn wir vom Feind sprechen, sprechen wir vom Teufel, denn der Teufel existiert, es gibt ihn! –, sein Stil, das wissen wir, besteht darin, heimtückisch, verkappt aufzutreten: Er beginnt bei dem, was uns am meisten am Herzen liegt, und dann zieht er uns nach und nach zu sich: Das Böse verschafft sich insgeheim Zutritt, ohne dass der Mensch es merkt. Und mit der Zeit wird die Sanftheit zur Härte: Jener Gedanke entpuppt sich als das, was er wirklich ist.
Darum ist die geduldige, aber unverzichtbare Erforschung des Ursprungs und der Wahrheit der eigenen Gedanken wichtig; es ist eine Einladung, aus der Erfahrung zu lernen, aus dem, was uns geschieht, um nicht immer wieder dieselben Fehler zu machen. Je besser wir uns selbst kennen, desto mehr erkennen wir, wo der böse Geist sich einschleicht, seine »Passwörter«, die Eingangs-türen zu unserem Herzen – es sind die Stellen, an denen wir am empfindlichsten sind –, um in Zukunft darauf zu achten. Jeder von uns hat empfindliche Stellen, Schwachstellen der eigenen Persönlichkeit: Und dort schleicht sich der böse Geist ein und führt uns auf den unrechten Weg oder bringt uns vom rechten Weg ab. Ich gehe beten, aber er bringt mich vom Gebet ab.
Die Beispiele könnten nach Belieben weitergeführt werden, wenn wir über unseren Tageslauf nachdenken. Daher ist die tägliche Gewissenserforschung so wichtig: bevor man den Tag beendet, ein wenig innehalten. Was ist geschehen? Nicht in den Zeitungen, nicht im Leben: Was ist in meinem Herzen geschehen? War mein Herz aufmerksam? Ist es gewachsen? War es ein Weg, wo alles vorübergezogen ist, ohne mein Wissen? Was ist in meinem Herzen geschehen? Und diese Erforschung ist wichtig, es ist das wertvolle Bemühen, das Erlebte unter einem bestimmten Gesichtspunkt noch einmal zu betrachten. Sich bewusst zu werden, was geschieht, ist wichtig, es ist ein Zeichen, dass die Gnade Gottes in uns wirkt und uns hilft, in Freiheit und Bewusstsein zu wachsen. Wir sind nicht allein: Der Heilige Geist ist mit uns. Schauen wir, wie die Dinge verlaufen sind.
Der echte Trost ist eine Art Bestätigung der Tatsache, dass wir das vollbringen, was Gott von uns will, dass wir auf seinen Wegen wandeln, auf den Wegen des Lebens, der Freude, des Friedens. Denn bei der Unterscheidung geht es nicht einfach nur um das Gute oder um das Bestmögliche, sondern um das, was gut ist für mich, hier und heute: Darin soll ich wachsen, indem ich mir bei anderen Angeboten, die anziehend, aber realitätsfern sind, Grenzen setze, um bei der Suche nach dem wahren Guten nicht der Täuschung zu unterliegen.
Brüder und Schwestern, ich muss verstehen, immer besser verstehen, was in meinem Herzen vor sich geht. Und dafür bedarf es der Gewissenserforschung, um zu sehen, was heute geschehen ist. »Heute bin ich dort zornig geworden, ich habe Jenes nicht getan…« Aber warum? Über die Gründe hinausgehen bedeutet, die Wurzel dieser Verfehlungen zu suchen. »Naja, heute war ich glücklich, aber es war mir lästig, dass ich jenen Leuten helfen sollte, aber am Ende hat dieses Helfen mich erfüllt.« Und da ist der Heilige Geist. Lernen, im Buch unseres Herzens zu lesen, was im Laufe des Tages geschehen ist. Tut es, nur zwei Minuten lang, aber es wird euch guttun, das versichere ich euch.
(Orig. ital. in O.R. 30.11.2022)