Den Tisch des Wortes Gottes reich decken, das war eine der zentralen Zielsetzungen aus den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils, das vor genau 60 Jahren als ersten Textentwurf jenen über die Liturgie der Kirche diskutierte. Heute prägt mit der dann erneuerten Leseordnung jeweils eines der drei ersten Evangelien im Neuen Tes-tament den Großteil der Sonntage eines gesamten Kirchenjahres. So wird uns von diesem ersten Adventssonntag an das Matthäusevangelium in diesem Lesejahr begleiten.
Von der Zollstation weg ruft Jesus den Zöllner Matthäus in seine Nachfolge. Für die Kirche San Luigi dei Francesi malte ihn Caravaggio beim Schreiben seines Evangeliums von oben durch den Engel Gottes inspiriert und doch unten auf der Erde unsicher balancierend, ein Knie auf einem wackeligen Hocker gestützt. In diesem berühmten Bild kann man vielleicht auch jene Stimmung wiederfinden, die die Schriftlesungen zum ersten Advent dieses Jahres prägen. Großes ist uns verheißen! Von Gott her kommt in der ersten Lesung aus dem Propheten Jesaja die große Vision vom endgültigen Friedensreich, in dem aus Schwertern Pflugscharen werden. Der freudige Blick auf das große Fest der Erlösten, den nicht einmal mehr der Tod in irgendeiner Weise trüben kann. Doch wie im Bild des Caravaggio hören wir im Evangelium, dass unser Leben von Unsicherheit geprägt ist. Mühsam balanciert die Menschheit auf äußerst unsicherem Untergrund. Es gibt nur ein Rezept: Bleibt wachsam! »Es ist Zeit, vom Schlafe aufzustehen!«, schreibt der Apostel Paulus der Gemeinde in Rom. Wachsam sein bezieht sich nicht einfach nur auf eine Form der Vorsicht, um der drohenden Gefahr rechtzeitig entgehen zu können. Wachsamkeit ist die Bildung des Herzens an den Verheißungen einer letzten Gerechtigkeit und einer letzten Versöhnung. Wachsamkeit ist die Bereitschaft, im Herzen anzunehmen, dass es Gott ist, der uns damit beschenkt.
So kennt der Advent als erste der geprägten Zeiten im Festkreis der Kirche stets zwei Schwerpunkte: Einerseits, die Haltung der Erwartung als Grundhaltung eines christlichen Lebens zu pflegen. Schon jetzt findest du in deinem Leben trotz aller Unsicherheiten und Herausforderungen die Spuren seiner Verheißung. Verschlafe sie nicht! Andererseits ist der Advent das Zugehen auf das große Fest der Menschwerdung. Im Kind von Bethlehem wird unüberbietbar sichtbar, dass Gott gerade im Schutzlosen, im Ausgesetzten und Wackeligen nicht aufhört, die Geschichte des Heiles zu schreiben.
Michael Max,
Rektor des Päpstlichen Kollegs
Santa Maria dell’Anima in Rom