Liebe Leiter und Teilnehmer
am 27. Internationalen Kongress
der UNIAPAC!
Zunächst bitte ich um Verzeihung für die Verspätung. Danke, dass ihr geduldig auf mich gewartet habt! Heute waren die Begegnungen länger als vorgesehen, und ich bitte dafür um Verzeihung.
Ich begrüße euch und heiße euch herzlich willkommen zu dieser wichtigen Begegnung, um über euren Einsatz in eurer edlen Berufung als Unternehmer nachzudenken und ihn zu stärken (vgl. Enzyklika Laudato si’, 129). Wir dürfen nie vergessen, dass all unsere Fähigkeiten, einschließlich des geschäftlichen Erfolgs, Geschenke Gottes sind; sie sollten »klar auf die Entwicklung anderer Menschen und auf die Überwindung der Armut ausgerichtet sein, insbesondere durch die Schaffung vielfältiger Beschäftigungsmöglichkeiten« (Enzyklika Fratelli tutti, 123). Veränderung erfordert immer Mut. Der wahre Mut verlangt aber auch von uns, die göttliche Gnade in unserem Leben erkennen zu können. So schreibt der Psalmist: »Hoffe auf den Herrn, sei stark und fest sei dein Herz! Und hoffe auf den Herrn!« (Psalm 27,14).
Soziale Freundschaft
Ich bete dafür, dass ihr in diesen Tagen, die ihr gemeinsam verbringt, und vor allem dann, wenn ihr nach Hause und an eure Arbeitsplätze zurückkehrt, euch stets der Gnade und der Weisheit Gottes in eurem Leben bewusst bleibt, um eure Beziehungen in der Geschäftswelt und mit denen, die für euch arbeiten, von Gott leiten und lenken zu lassen. Wir sind aufgerufen, »schöpferisch Gu-tes zu tun, indem wir die Güter dieser Welt – nicht nur die materiellen, sondern alle Gaben, die wir vom Herrn erhalten haben – nicht dazu verwenden, uns zu bereichern, sondern um geschwisterliche Liebe und soziale Freundschaft hervorzubringen« (Angelus, 18. September 2022). Soziale Freundschaft entstehen lassen.
Das Thema eures Kongresses stellt euch und viele andere Handlungsträger der unternehmerischen Welt vor eine große Herausforderung: Eine neue Wirtschaft für das Gemeinwohl schaffen. Zweifellos braucht unsere Welt dringend »eine andere Wirtschaft, die leben lässt und nicht tötet, einschließt und nicht ausschließt, humanisiert und nicht entmenschlicht, Sorge trägt für die Schöpfung und sie nicht ausbeutet«.1 Bei der Fortsetzung der Reflexion über eine neue Wirtschaft, aber vor allem, wenn man beginnt, sie in die Praxis umzusetzen, geht es darum, sich vor Augen zu halten, dass »sich die wirtschaftliche Aktivität auf alle Menschen und alle Völker als Subjekte stützen [muss]. Alle haben das Recht, am Wirtschaftsleben teilzunehmen, und alle haben die Pflicht, je nach ihren eigenen Fähigkeiten zum Fortschritt ihres Landes und der gesamten Menschheitsfamilie beizutragen. […] Es ist eine Pflicht der Solidarität und der Gerechtigkeit, aber es ist auch der beste Weg, um die ganze Menschheit voranzubringen«.2
Daher muss jede »neue Wirtschaft für das Gemeinwohl« inklusiv sein. Zu oft wird der Slogan »niemanden abhängen« einfach dahergesagt, ohne jegliche Absicht, Opfer zu bringen und sich zu bemühen, um diese Worte tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen. In seiner Enzyklika Populorum progressio schrieb der heilige Paul VI.: »Entwicklung ist nicht einfach gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Wachstum. Wahre Entwicklung muss umfassend sein, sie muss jeden Menschen und den ganzen Menschen im Auge haben« (Nr. 14). Bei der Ausübung eures Berufs seid ihr als Firmenleiter und Unternehmer aufgerufen, als Sauerteig zu wirken, um sicherzustellen, dass die Entwicklung alle Menschen erreicht, vor allem aber die Ausgegrenzten, die Notleidenden, damit die Wirtschaft immer zum ganzheitlichen menschlichen Wachstum beitragen kann. Vergessen wir in diesem Zusammenhang nicht den wichtigen Beitrag, den der digitale Sektor in der Covid-19-Pandemie, die immer noch andauert, leistet. Während des »Lockdowns« haben die digitalen Arbeiter für den größten Teil der Gesellschaft die Bereitstellung und Lieferung der für das tägliche Leben notwendigen Güter sowie die Pflege unserer schwächeren Angehörigen gewährleistet und die grundlegenden wirtschaftlichen Tätigkeiten aufrechterhalten, trotz der Unterbrechung vieler offizieller Tätigkeiten.
Tatsächlich »sind wir aufgerufen, unserer Antwort an jene Arbeitnehmer Priorität zu verleihen, die sich am Rand der Arbeitswelt befinden […] Dazu gehören Geringqualifizierte, Tagelöhner, Beschäftigte im informellen Sektor, Wanderarbeiter und Flüchtlinge, diejenigen, die das tun, was als ›Arbeit der drei Dimensionen‹ bekannt ist: gefährlich, schmutzig und entwürdigend, und die Liste könnte fortgesetzt werden«.3
Wir müssen auch die Vorstellung aufgeben, dass die Inklusion der Armen und Ausgegrenzten durch unsere Bemühungen, finanziellen und materiellen Beistand zu leisten, erfüllt werden kann. In Laudato si’ heißt es: »Den Armen mit Geld zu helfen muss […], immer eine provisorische Lösung sein, um den Dringlichkeiten abzuhelfen. Das große Ziel muss immer sein, ihnen mittels Arbeit ein würdiges Leben zu ermöglichen« (Nr. 128). Tatsächlich ist die Tür zur Würde eines Menschen die Arbeit. Es genügt nicht, das Brot nach Hause zu bringen, sondern das Brot, das ich nach Hause bringe, muss verdient werden.
Die Arbeit muss verstanden und geachtet werden als ein Prozess, der weit über den kommerziellen Austausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinausgeht. In ers-ter Linie und vor allem ist sie »Teil des Sinns des Lebens auf dieser Erde, Weg der Reifung, der menschlichen Entwicklung und der persönlichen Verwirklichung« (ebd.) Die Arbeit »ist ein Ausdruck dafür, dass wir als Bild und Gleichnis Gottes, des Arbeiters, erschaffen wurden (vgl. Gen 2,3): ›Seit unserer Erschaffung sind wir zur Arbeit berufen‹«4, indem wir Gott nachahmen, der der erste Arbeiter ist.
Diese Arbeit sollte gut eingebunden sein in eine Wirtschaft der Fürsorge. »Die Fürsorge kann verstanden werden als ein Sorgetragen für die Menschen und für die Natur, indem man Produkte und Dienste für das Wachstum des Gemeinwohls anbietet. Eine Wirtschaft, die Sorge trägt für die Arbeit, indem sie Arbeitsmöglichkeiten schafft, die den Arbeiter nicht durch entwürdigende Arbeitsbedingungen und zermürbende Arbeitszeiten ausbeuten«.5 Damit meinen wir nicht nur die Arbeit, die mit der Pflege verbunden ist. »Die Fürsorge geht darüber hinaus, sie muss eine Dimension jeglicher Arbeit sein. Eine Arbeit, die keine Sorge trägt, die die Schöpfung zerstört, die das Überleben der künftigen Generationen gefährdet, missachtet die Würde der Arbeitnehmer und kann nicht als würdige Arbeit betrachtet werden. Im Gegensatz dazu ist eine Arbeit, die Sorge trägt, ein Beitrag zur Wiederherstellung der vollen Menschenwürde und wird zur Sicherung einer nachhaltigen Zukunft für künftige Generationen. Und unter diesen Aspekt der Sorge fallen in erster Linie die Arbeitnehmer«.6
Reform des Systems
Abschließend möchte ich mit euch die »gute Nachricht« teilen, dass in der Stadt
Assisi, wo der heilige Franziskus und seine ersten Ordensbrüder die Armut angenommen und den Wirtschaftsführern ihrer Zeit eine neue radikale Wirtschaft angeboten haben, tausend junge Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmer über die Schaffung einer neuen Wirtschaft gesprochen und einen Pakt verfasst und unterzeichnet haben, um das globale Wirtschaftssystem zu reformieren und das Leben aller Menschen zu verbessern. Ich möchte einige der wichtigsten Punkte mich euch teilen, aus zwei Gründen: Erstens, weil die jungen Menschen zu oft ausgegrenzt werden; zweitens, weil die Kreativität und das »neue« Denken oft von den jungen Menschen kommen und wir, die Menschen höheren Alters, den Mut haben müssen, innezuhalten und sie anzuhören. Wie die jungen Menschen die alten Menschen anhören müssen, so müssen wir alle die jungen Menschen anhören. Für eine neue Wirtschaft des Gemeinwohls haben diese jungen Menschen eine »Wirtschaft des Evangeliums« angeboten, die unter anderem Folgendes umfasst:
· eine Wirtschaft des Friedens und nicht des Krieges – denken wir daran, wie viel für die Herstellung von Waffen ausgegeben wird;
· eine Wirtschaft, die Sorge trägt für die Schöpfung und sie nicht ausbeutet – denken wir an die Rodungen von Waldflächen;
· eine Wirtschaft im Dienst des Menschen, der Familie und des Lebens, die jede Frau, jeden Mann, jedes Kind, jeden alten Menschen und vor allem die Schwachen und Verletzlichen achtet;
· eine Wirtschaft, in der Fürsorge an die Stelle von Ausgrenzung und Gleichgültigkeit tritt;
· eine Wirtschaft, die niemanden zurück-lässt, um eine Gesellschaft aufzubauen, in der die von der vorherrschenden Denkweise verworfenen Steine zu Ecksteinen werden;
· eine Wirtschaft, die die würdevolle und sichere Arbeit für alle anerkennt und schützt;
· eine Wirtschaft, in der die Finanz Freundin und Verbündete der Realwirtschaft und der Arbeit und nicht gegen sie ist7: denn die Finanz birgt die Gefahr, die Wirtschaft »flüssig«, ja sogar »gasförmig« zu machen; und wenn man mit dieser Flüssigkeit und Gasförmigkeit weitermacht, endet es wie ein Kettenbrief!
Heute gibt es Hunderte, Tausende, Millionen, vielleicht sogar Milliarden junger Menschen, die darum kämpfen, Zugang zu bekommen zu den offiziellen Wirtschaftssystemen, oder auch nur Zugang zu bekommen zu ihrer ersten bezahlten Arbeit, wo sie die akademischen Kenntnisse, die erworbenen Fähigkeiten, die Kraft und die Begeisterung in die Praxis umsetzen können. Ich möchte euch als Firmenleiter und reife und erfolgreiche Unternehmer ermutigen, ein neues Bündnis mit den jungen Menschen, die diesen Pakt geschaffen und sich darin verpflichtet haben, in Betracht zu ziehen. Es ist wahr, dass junge Menschen immer Probleme mit sich bringen, aber sie haben das Gespür, den richtigen Weg aufzuzeigen. Um mit ihnen unterwegs zu sein, sie zu lehren und von ihnen zu lernen; und gemeinsam »eine neue Wirtschaft für das Gemeinwohl« herauszubilden.
Danke für das, was ihr tut; danke, dass ihr hier seid. Ich segne diesen Weg, den ihr gehen werdet, den ihr bereits geht, und ich segne einen jeden von euch und eure Familien. Und vergesst auch ihr bitte nicht, für mich zu beten. Danke!
Fußnoten
1 Botschaft an die Teilnehmer von »Economy of Francesco«, 1. Mai 2019.
2 Kompendium der Soziallehre der Kirche, Nr. 333.
3 Videobotschaft zur 109. Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, 17. Juni 2021.
4 Botschaft an die 108. Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (IOA), 10.-21. Juni 2019.
5 Videobotschaft zum Internationalen Tag des Gebets und der Reflexion gegen Menschenhandel, 8. Februar 2021.
6 Videobotschaft zur 109. Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, 17. Juni 2021.
7 »Pact for the economy« der Teilnehmer von Economy of Francesco, Assisi, 24. September 2022.
(Orig. ital. in O.R. 21.10.2022)