Liebe Bischöfe,
Priester,
gottgeweihte Männer und Frauen,
Seminaristen und pastorale Mitarbeiter,
guten Morgen!
Good morning!
Ich freue mich, bei euch zu sein, in dieser christlichen Gemeinschaft, die so schön ihr »katholisches«, das heißt allumfassendes Gesicht zeigt: eine Kirche, die aus Menschen aus vielen Teilen der Welt besteht, die zusammenkommen, um den einen Glauben an Christus zu bekennen. Bischof Hinder, dem ich für seinen Dienst und für seine Worte danke, sprach gestern von »einer kleinen Herde, die aus Migranten zusammengesetzt ist«: Wenn ich also jeden von euch begrüße, denke ich auch an die Völker, denen ihr angehört, an eure Familien, die ihr mit ein wenig Heimweh im Herzen tragt, an eure Herkunftsländer. Da ich Gläubige aus dem Libanon hier sehe, versichere ich sie meines besonderen Gebets und meiner Verbundenheit mit diesem geliebten Land, das so ermattet ist, so geplagt, so wie allen Völkern, die im Nahen Osten leiden. Es ist schön, einer Kirche anzugehören, die sich aus verschiedenen Geschichten und Gesichtern zusammensetzt, die in dem einen Antlitz Jesu zum Einklang finden. Und diese Vielfalt – ich habe sie in diesen Tagen gesehen – ist der Spiegel dieses Landes, der Völker, die es besiedeln, aber auch der Landschaft, die es prägt und die, obwohl die Wüste überwiegt, eine reiche und vielfältige Pflanzen- und Tierwelt aufweist.
Die Worte Jesu, die wir gehört haben, sprechen von dem lebendigen Wasser, das aus Christus und den Gläubigen fließt (vgl. Joh 7,37-39). Sie haben mich an dieses Land erinnert: Es gibt zwar viel Wüste, aber auch Quellen mit Süßwasser, die still unter der Erde fließen und es bewässern. Es ist ein wunderschönes Bild für das, was ihr seid, und vor allem für das, was der Glaube im Leben bewirkt: An der Oberfläche zeigt sich unser Menschsein, das von so vielen Schwächen, Ängsten, Herausforderungen, denen man sich stellen muss, persönlichen und sozialen Übeln verschiedener Art ausgedörrt ist; aber in der Tiefe der Seele, ganz drinnen, in der Tiefe des Herzens, fließt ruhig und still das Süßwasser des Geistes, das unsere Wüsten bewässert, dem, was zu vertrocknen droht, neue Kraft verleiht, das, was uns hässlich macht, abwäscht und unseren Durst nach Glück stillt. Und immer erneuert es das Leben. Von diesem lebendigen Wasser spricht Jesus und dieses ist die Quelle neuen Lebens, die er uns verheißt: die Gabe des Heiligen Geistes, die zärtliche, liebende und erneuernde Gegenwart Gottes in uns.
Es ist also gut für uns, bei der Begebenheit, die das Evangelium beschreibt, zu verweilen. Jesus befindet sich im Tempel in Jerusalem, wo gerade eines der wichtigsten Feste gefeiert wird, bei dem das Volk den Herrn für die Gabe des Landes und der Ernte preist und dabei des Bundes gedenkt. Und an diesem Festtag fand ein wichtiger Ritus statt: Der Hohepriester ging zum Teich Siloe, schöpfte Wasser und goss es dann, während das Volk sang und jubelte, außerhalb der Stadtmauern aus, als Zeichen dafür, dass von Jerusalem ein großer Segen für alle ausgehen würde. Von Jerusalem nämlich hatte der Psalmist gesagt: »Alle meine Quellen entspringen in dir« (Ps 87,7), und der Prophet Ezechiel hatte von einer Wasserquelle gesprochen, die, aus dem Tempel sprudelnd, die ganze Erde wie ein Fluss bewässern und befruchten würde (vgl. Ez 47,1-12).
Unter diesen Voraussetzungen verstehen wir gut, was uns das Johannesevangelium mit dieser Begebenheit sagen will: Wir sind am letzten Tag des Festes und Jesus stellt sich hin und verkündet laut: »Wer Durst hat, komme zu mir« (Joh 7,37), denn aus seinem Innern werden »Ströme von lebendigem Wasser fließen« (V. 38). Welch schöne Einladung! Und der Evangelist erklärt: »Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war« (V. 39). Damit wird die Stunde angedeutet, in der Jesus am Kreuz stirbt: In diesem Augenblick wird nicht mehr aus dem steinernen Tempel, sondern aus der offenen Seite Christi das Wasser des neuen Lebens, das lebenspendende Wasser des Heiligen Geistes, hervorströmen, das dazu bestimmt ist, die ganze Menschheit zu erneuern und von Sünde und Tod zu befreien.
Brüder und Schwestern, denken wir immer daran: Die Kirche wird dort geboren, aus der offenen Seite Christi, aus einem Bad der Wiedergeburt im Heiligen Geist (vgl. Tit 3,5). Wir sind nicht Christen aufgrund unserer Verdienste oder bloß, weil wir einem Glaubensbekenntnis anhangen, sondern weil wir in der Taufe das lebendige Wasser des Geistes empfangen haben, das uns zu geliebten Kindern Gottes und zu Brüdern und Schwestern untereinander macht und uns so zu neuen Geschöpfen werden lässt. Alles fließt aus der Gnade – alles ist Gnade! –, alles kommt aus dem Heiligen Geist. Erlaubt mir daher, kurz auf drei große Gaben einzugehen, die der Heilige Geist uns übergibt, mit der Bitte, sie anzunehmen und zu leben: die Freude, die Einheit und die Prophetie. Die Freude, die Einheit und die Prophetie.
Der Geist ist vor allem die Quelle der Freude. Das Süßwasser, das der Herr in den Wüsten unseres Menschseins fließen lassen will, vermischt mit Erde und Zerbrechlichkeit, ist die Gewissheit, dass wir auf dem Weg des Lebens niemals allein sind. Der Geist ist in der Tat derjenige, der uns nicht allein lässt, er ist der Tröster; er bestärkt uns mit seiner diskreten und wohltuenden Gegenwart, er begleitet uns mit Liebe, er stützt uns in unseren Kämpfen und Schwierigkeiten, er ermutigt uns in unseren schönsten Träumen und unseren größten Wünschen und öffnet uns für das Wunder und die Schönheit des Lebens. Die Freude des Geis-tes ist also kein gelegentlicher Zustand oder ein Gefühl des Augenblicks; noch viel weniger ist sie von der Art jener »konsumorientierten und individualistischen Freude, die in einigen kulturellen Ausprägungen von heute so präsent ist« (Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 128). Die Freude des Geis-tes hingegen ist jene Freude, die aus der Beziehung zu Gott kommt, aus dem Wissen, dass wir selbst in den Kämpfen und dunklen Nächten, die wir manchmal durchmachen, nicht allein, verloren oder besiegt sind, weil er bei uns ist. Und mit ihm können wir uns allem stellen und alles überwinden, selbst die Abgründe von Schmerz und Tod.
Euch, die ihr diese Freude entdeckt habt und die ihr sie in Gemeinschaft lebt, möchte ich sagen: Bewahrt sie, ja, vermehrt sie. Und wisst ihr, was die beste Methode dafür ist? Sie zu verschenken. Ja, so ist es: Die christliche Freude ist ansteckend, denn das Evangelium bringt einen dazu, aus sich herauszugehen und die Schönheit der Liebe Gottes weiterzuvermitteln. Deshalb ist es von wesentlicher Bedeutung, dass in den christlichen Gemeinschaften die Freude nicht verschwindet und dass sie geteilt wird; dass wir uns nicht darauf beschränken, Gesten aus Gewohnheit, ohne Begeisterung und ohne Kreativität zu wiederholen. Andernfalls verlieren wir den Glauben und werden eine langweilige Gemeinschaft, und das ist schlecht! Es ist wichtig, dass wir über die Liturgie hinaus, vor allem die Feier der Messe, die Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens ist (vgl. Sacrosanctum Concilium, 10), die Freude des Evangeliums auch in einer lebendigen Pastoral weitertragen, die vor allem den jungen Menschen, den Familien und den Berufungen zum Priester- und Ordensleben gilt. Die christliche Freude kann man nicht für sich behalten, und wenn wir sie weitergeben, vermehrt sie sich.
Zweitens ist der Heilige Geist die Quelle der Einheit. Alle, die ihn aufnehmen, empfangen die Liebe des Vaters und werden zu seinen Kindern (vgl. Röm 8,15-16); und wenn sie Kinder Gottes sind, sind sie auch Brüder und Schwestern. Es darf keinen Raum geben für die Werke des Fleisches, das heißt der Selbstsucht: für Spaltungen, Streit, Verleumdungen, Gerede. Hütet euch vor dem Geschwätz, bitte: Das Gerede zerstört eine Gemeinschaft. Die Spaltungen der Welt und selbst ethnische, kulturelle und rituelle Unterschiede können die Einheit des Geistes nicht verletzen oder gefährden. Im Gegenteil, sein Feuer verbrennt die weltlichen Begierden und entzündet unser Leben mit jener einladenden und barmherzigen Liebe, mit der Jesus uns liebt, damit auch wir einander auf diese Weise lieben können. Deshalb wird der Geist des Auferstandenen, wenn er auf die Jünger herabkommt, zu einer Quelle der Einheit und der Geschwisterlichkeit gegen jeden Egoismus; er führt die eine Sprache der Liebe ein, damit die verschiedenen menschlichen Sprachen nicht fern und unverständlich bleiben; er bricht die Schranken des Miss-trauens und des Hasses nieder, um Räume der Annahme und des Dialogs zu schaffen; er befreit uns von der Angst und flößt uns den Mut ein, den anderen mit der entwaffneten und entwaffnenden Kraft der Barmherzigkeit zu begegnen.
Das tut der Heilige Geist, der die Kirche von Anfang an auf diese Weise formt: Seit dem Pfingstereignis werden unterschiedliche Herkünfte, Sensibilitäten und Anschauungen in der Gemeinschaft in Einklang gebracht und zu einer Einheit geschmiedet, die nicht Uniformität ist. Sie ist Harmonie, weil der Heilige Geist Harmonie ist. Wenn wir den Geist empfangen haben, besteht unsere kirchliche Berufung vor allem darin, die Einheit zu wahren und das Miteinander zu pflegen, das heißt, wie der heilige Paulus sagt, »die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens. Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung in eurer Berufung« (Eph 4,3-4).
In ihrem Zeugnis sagte Chris, dass sie, als sie noch sehr jung war, an der katholischen Kirche »die gemeinsame Frömmigkeit aller Gläubigen« faszinierte, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer geografischen Herkunft und Sprache. Alle waren in einer Familie versammelt und sangen das Lob des Herrn. Dies ist die Stärke der christlichen Gemeinschaft, das erste Zeugnis, das wir der Welt geben können. Versuchen wir Hüter und Erbauer der Einheit zu sein! Um im Dialog mit anderen glaubwürdig zu sein, sollten wir geschwisterlich miteinander umgehen. Tun wir das in den Gemeinschaften, indem wir die Charismen aller wertschätzen und niemanden benachteiligen; tun wir es in den Ordenshäusern, als lebendige Zeichen der Eintracht und des Friedens; tun wir es in den Familien, damit das Band der Liebe, das das Sakrament knüpft, sich in alltäglichen Haltungen des Dienens und der Vergebung niederschlägt; tun wir es auch in der multireligiösen und multikulturellen Gesellschaft, in der wir leben: immer zugunsten des Dialogs, immer, als Stifter von Gemeinschaft mit den Brüdern und Schwestern anderer Glaubensrichtungen und Konfessionen. Ich weiß, dass ihr bereits ein gutes Beispiel auf diesem Weg gebt, aber Geschwisterlichkeit und Gemeinschaft sind Gaben, um die wir den Geist unermüdlich bitten müssen, damit wir die Versuchungen des Feindes abwehren können, der immer Zwietracht sät.
Schließlich ist der Geist die Quelle der Prophetie. Die Heilsgeschichte ist bekanntlich durchzogen von zahlreichen Propheten, die Gott beruft, salbt und zu den Menschen schickt, damit sie in seinem Namen sprechen. Die Propheten erhalten vom Heiligen Geist das innere Licht, das sie zu aufmerksamen Deutern der Wirklichkeit macht, die fähig sind, in den manchmal undurchsichtigen Handlungssträngen der Geschichte die Gegenwart Gottes zu erkennen und sie dem Volk aufzuzeigen. Oft sind die Worte der Propheten vernichtend: Sie nennen die bösen Pläne, die sich in den Herzen der Menschen einnisten, beim Namen, sie stellen falsche menschliche und religiöse Gewissheiten in Frage, sie laden zur Umkehr ein.
Auch wir haben diese prophetische Berufung: Alle Getauften haben den Geist empfangen und alle sind Propheten. Deshalb können wir nicht so tun, als würden wir die Werke des Bösen nicht sehen und im »ruhigen Leben« verharren, um uns nicht die Hände schmutzig zu machen. Ein Christ muss sich früher oder später die Hände schmutzig machen, um sein christliches Leben zu leben und Zeugnis zu geben. Im Gegenteil, wir haben den Geist der Prophetie empfangen, um das Evangelium durch unser Lebenszeugnis ans Licht zu bringen. Deshalb ermahnt Paulus: »Strebt aber auch nach den Geistesgaben, vor allem nach der prophetischen Rede!« (1 Kor 14,1). Die Prophetie befähigt uns, die Seligpreisungen des Evangeliums im Alltag zu praktizieren, das heißt mit unerschütterlicher Sanftmut das Reich Gottes aufzubauen, in dem Liebe, Gerechtigkeit und Frieden allen Formen von Egoismus, Gewalt und Erniedrigung entgegengesetzt sind. Ich habe mich gefreut, dass Schwester Rose von ihrem Dienst bei weiblichen Häftlingen in den Gefängnissen gesprochen hat, dies ist schön! Eine Möglichkeit, für die man dankbar sein muss. Die Prophetie, die diese Menschen aufbaut und tröstet, besteht darin, mit ihnen Zeit zu verbringen, das Wort des Herrn mit ihnen zu teilen und mit ihnen zu beten. Es geht darum, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, denn wo Brüder und Schwestern in Not sind, wie die Gefangenen, da ist Jesus, der verwundete Jesus, in jedem Leidenden (vgl. Mt 25,40). Weißt du, was ich denke, wenn ich ein Gefängnis betrete? »Warum sie und nicht ich?« Das ist das Erbarmen Gottes. Aber die Betreuung von Gefangenen tut allen, als menschlicher Gemeinschaft, gut, denn daran, wie man die Letzten behandelt, zeigt sich die Würde und Hoffnung einer Gesellschaft.
Liebe Brüder und Schwestern, in diesen Monaten beten wir intensiv für den Frieden. In diesem Zusammenhang ist das unterzeichnete Abkommen, das die Situation in Äthiopien betrifft, ein Lichtblick. Ich ermutige alle, dieses Bemühen um einen dauerhaften Frieden zu unterstützen, damit mit Gottes Hilfe weiterhin der Weg des Dialogs beschritten wird und das Volk bald wieder ein friedliches und würdevolles Leben führen kann. Und ich möchte auch nicht vergessen, für die leidge-prüfte Ukraine zu beten und euch zu sagen, dass ihr für sie betet, damit dieser Krieg aufhört.
Und nun, liebe Brüder und Schwestern, sind wir am Ende angelangt. Ich möchte »danke« sagen für diese gemeinsam verbrachten Tage; aber vergesst nicht die Freude, die Einheit und die Prophetie, vergesst sie nicht! Mit dankerfülltem Herzen segne ich euch alle, insbesondere diejenigen, die für diese Reise gearbeitet haben. Und da dies meine letzten öffentlichen Worte sind, erlaubt mir, Seiner Majestät dem König und den Autoritäten dieses Landes – auch dem Justizminister, der hier ist – für ihre vorzügliche Gastfreundschaft zu danken. Ich ermutige euch, euren geistlichen und kirchlichen Weg mit Beständigkeit und Freude fortzusetzen. Und nun wollen wir die Jungfrau Maria, die ich gerne als Unsere Liebe Frau von Arabien verehre, um ihre mütterliche Fürsprache anrufen. Möge sie uns helfen, dass wir uns immer vom Heiligen Geist leiten lassen. Sie erhalte in uns die Freude und lasse uns geeint sein in Zuneigung und im Gebet. Ich verlasse mich darauf: Vergesst nicht, für mich zu beten.