Awali/Rom. Papst Franziskus hat erläutert, wie es zu dem historischen »Dokument von Abu Dhabi« kam, das den Weg für eine Annäherung von Christen und Muslimen geebnet hat. Auf dem Rückflug von Bahrain nach Italien erzählte der Papst am Sonntagnachmittag, 6. November, nach einem Besuch im Vatikan habe er den Kairoer Groß-imam Ahmed al-Tayyeb spontan zum Mittagessen eingeladen. Beim Brotbrechen am Tisch als Geste der Freundschaft sei dann die Idee entstanden, ein Grundsatzdokument über die geschwisterlichen Beziehungen zwischen Muslimen und Christen zu verfassen.
Franziskus unterstrich, dass die jüngsten Erklärungen von Al-Tayyeb in Bahrain über eine mögliche Aussöhnung zwischen Sunniten und Schiiten ihn sehr beeindruckt hätten. Er erinnerte in diesem Kontext an die »hässliche Geschichte« der konfessionellen Konflikte und Kriege im Christentum. »Das haben wir zum Glück überwunden«, erklärte der Papst.
Außerdem machte sich Papst Franziskus für eine europaweite Einigung bei der Aufnahme von Bootsflüchtlingen stark. Migranten müssten aufgenommen, begleitet, gefördert und integriert werden. Ziel müsse die Integration sein. Weiter sagte der Papst, jede Regierung in der Europäischen Union müsse sich darüber klar werden, wie viele Migranten sie aufnehmen könne. Die Migrationspolitik müsse zwischen den Staaten abgestimmt werden, Ziel müsse eine Politik der Zusammenarbeit und der Hilfe sein. »Man kann nicht die Mittelmeerstaaten wie Griechenland, Italien oder Spanien alleine lassen mit der Verantwortung für alle Migranten, die an ihren Küsten landen«, so Papst Franziskus. Angesichts der schweren Staatskrise im Libanon hat er die Politiker des Landes aufgerufen, Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen und ihre Einzelinteressen zurückzustellen. Er beschwor die Politiker aller Konfessionen im Libanon, das Land nicht untergehen zu lassen.
Nach seiner Meinung zur Situation in Deutschland gefragt, antwortete der Papst, dass die Katholiken sich auf die Wurzeln ihres Glaubens besinnen sollten. Bei der Pressekonferenz sagte er, es bestehe auch in Deutschland die Gefahr, den Glaubenssinn des Volkes Gottes aus den Augen zu verlieren. »Und dann verfallen wir in rein ethische Debatten, in Diskussionen gemäß dem aktuellen Zeitgeist, in kirchenpolitische Diskussionen, in Diskussionen, die nicht aus der Theologie kommen und die nicht den Kern der Theologie treffen«, so Franziskus. Man müsse fragen, was der Glaube der einfachen Leute sei. Weiter sagte er: »Wir alle haben eine persönliche Geschichte, woher unser Glaube kommt, und auch die Völker haben eine solche Geschichte. Die muss man wiederfinden!« In diesem Zusammenhang zitierte der Papst einen Satz von Hölderlin: »Dass dir halte der Mann, was er als Knabe gelobt.« Die Wurzel des Glaubens sei die ursprüngliche existenzielle Erschütterung durch das Evangelium. »Die Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus – von da geht alles aus. Von da kommt der (…) Impuls, an die Ränder zu gehen, auch an die moralischen Ränder, um den Menschen zu helfen. Aber wenn das alles nicht von der Begegnung mit Jesus Christus ausgeht, wird es zu einem Ethik-Gerede, das sich als Christentum verkleidet.«