· Vatikanstadt ·

FRAUEN KIRCHE WELT

Die Ideen

Die Methode, um zu einer anderen Art von Glück
zu gelangen

 Metodo per una felicità diversa  DCM-010
05. November 2022

Armut? Das ist ein komplexes, ein vielschichtiges Wort, wie Alexandra Smerilli, Ordensfrau, Wirtschaftswissenschaftlerin, Sekretärin des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen, in dem Artikel erklärt, mit dem die Behandlung des Themas dieser Monatsausgabe eröffnet wird. Und das, so fügt sie hinzu, trifft sogar noch sehr viel mehr dann zu, wenn man die Armut vom Standpunkt der Frauen aus behandelt.

Wer sind »die armen Frauen«? Handelt es sich dabei um jene Frauen, die bedauernswert sind wie all jene Leute (Männer und Frauen), die nichts besitzen und zu einem schwierigen und oft schmerzlichen Leben gezwungen sind? Oder gibt es auch eine Armut, die eine Frucht der Vorstellung eines andersartigen Glückes ist, bei dem zwar die Bande zum Konsum und zum Markt gekappt werden, während man aber gleichzeitig Entscheidungsfreiheit, Gleichberechtigung und Gleichstellung für sich beansprucht? Jawohl, es gibt die Armut als Methode, als Prophetie, auch als Auflehnung und als Grenzüberschreitung. Die Armut, die frei macht, um Papst Franziskus zu zitieren. Die Armut, die reich macht.

In dem Monat, in dem – am 13. November – der VI. Welttag der Armen stattfindet, ergreift »Frauen – Kirche - Welt« die Gelegenheit, über die weibliche Armut zu sprechen. Beiträge, Interviews, Reflexionen, Geschichten: in all den Zeugnissen, die zusammengetragen wurden, bereichert sich die Armut um alternative Werte, sie färbt sich mit Bedeutungen, die für gewöhnlich vernachlässigt werden, erlangt Sinn und Attraktivität. Smerilli unterstreicht, dass »die Armut ein Segen ist, das Elend hingegen ein Fluch«.

Die heilige Klara, die dem Historiker Giuseppe Perta zufolge sowohl für sich selbst als auch für ihre Mitschwestern dieses »Privileg« erbat, war überzeugt davon, dass die Armut ein Segen sei. Jahrhunderte später und nach vielen anderen denkt eine junge Frau genau dasselbe: Sr. Veronica Maria, die früher einmal eine Balletttänzerin war, um die sich europäische Ballettensembles rissen und die dann brillant ein Jurastudium absolvierte, verteidigt heute die Entscheidung zugunsten der Armut als »Transgression«, als Verstoß gegen gesellschaftliche Regeln bzw. Grenzüberschreitung, die umstürzlerischste von allen, »weil sie gegen den Strom schwimmt«, wie sie in dem Gloria Satta gewährten Interview sagt. Dasselbe erläutert auch Sr. Françoise Petit, Generaloberin der Genossenschaft der Töchter der christlichen Liebe vom heiligen Vinzenz von Paul (Vinzentinerinnen): das Armutsgelübde ist nicht die gehorsame Befolgung einer Regel, sondern ein aus freien Stücken gewähltes Verhalten.

Wir haben uns auch Fragen über die »armen Frauen« in der Kirche bzw. der Kirche gestellt. Wer sind sie? Und dazu hören wir die Stimmen – viele, bedeutungsträchtige, leidenschaftliche Stimmen – von Theologinnen, Dozenten, Gläubigen, Priestern, Bischöfen, die Lucia Capuzzi und Vittoria Prisciandaro zusammengetragen haben: es handelt sich um die Frauen, die gerade innerhalb der Kirche marginalisiert und gedemütigt werden, denen trotz all ihrer Bemühungen, ihrer Kultur und Intelligenz keine Rolle zugestanden wird. »(Fast all) die Frauen sind arm, die an der rechten Stelle, auf einem mitverantwortlichen Posten unter den Augen der Welt und aller Gläubigen, die Kirchen mit Hoffnung füllen und die Welt dem Plan des Reiches Gottes gemäß verändern könnten, es aber nicht tun können«, sagt Maria Pia Veladiano in knappen und erhellenden Worten.