In der Bergpredigt sagt Jesus seinen Zuhörern: »Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden« (Mt 5,6).
Im heutigen Evangelium (Lk 18,9-14) stellt er uns zwei menschliche Haltungen im Hinblick auf die Gerechtigkeit vor Augen: einen Pharisäer und einen Zöllner. Beide treten im Tempel vor das Angesicht Gottes. Sie wollen beten, mit Gott ins Gespräch kommen. Doch die Haltung, die beide einnehmen, könnte unterschiedlicher nicht sein.
Der Pharisäer ist ganz und gar von sich überzeugt und eingenommen. Seine Selbstgerechtigkeit geht so weit, dass er sich vor Gott hinstellt, seine guten Taten und Verdienste aufzählt und ihm dafür dankt, dass er nicht ist wie die Anderen. Er muss sich nicht ändern; er hat es nicht nötig, umzukehren: er ist schon perfekt; er ist schon gerecht und gerechtfertigt.
Ganz anders der Zöllner: er ist sich seiner Schwachheit und Bedürftigkeit bewusst. Statt sich wie der Pharisäer selbst zu loben, richtet er sein demütiges Gebet an Gott: »Sei mir Sünder gnädig.« Er setzt seine ganze Hoffnung auf Gott. Er vertraut nicht auf eigene Leistung, sondern darauf, dass Gott ihn rechtfertigt, dass er ihn erlöst und ihm hilft, sein Leben gelingen zu lassen.
Die Haltung des Zöllners erinnert an die Haltung vieler Heiligen. Sie haben sich nicht selbst gelobt. Sie haben sich nicht als vollkommen betrachtet. Jeder Heilige war sich seiner Schwäche bewusst und hat nichts von sich selbst, dafür aber alles von Gott erwartet.
Von dieser Haltung sagt Jesus, dass sie rechtfertigt. Denn der Zöllner »ging gerechtfertigt nach Hause hinab«, der Pharisäer nicht. Das ist die ganz andere Logik des Reiches Gottes: »Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt; wer sich selbst erniedrigt wird erhöht werden.«
Der Mensch wird gerechtfertigt durch die Gnade Gottes, der selbst die Initiative ergreift, der auf uns zukommt. Voll Hunger und Durst die Gerechtigkeit zu suchen, die von Gott kommt: das ist Heiligkeit. Mit dem seligen Papst Johannes Paul I. dürfen wir Gott bitten: »Herr, nimm mich, wie ich bin; mit meinen Fehlern und meinen Mängeln. Und lass mich so werden, wie Du mich haben willst.«
P. Dr. Markus Graulich SDB,
Untersekretär des Dikasteriums
für die Gesetzestexte