Der Herr versammelt uns um seinen Tisch, und dabei wird er selbst für uns zum Brot: »Es ist das Brot des Festes auf dem Tisch der Kinder, […] es schafft Teilhabe, es stärkt die Bande, es schmeckt nach Gemeinschaft« (Hymne des 27. Nationalen Eucha-ristischen Kongresses, Matera 2022). Und doch sagt uns das Evangelium, das wir gerade gehört haben, dass das Brot auf dem Tisch der Welt nicht immer geteilt wird. Das ist wahr: Es verströmt nicht immer den Wohlgeruch der Gemeinschaft; es wird nicht immer in Gerechtigkeit gebrochen.
Es tut uns gut, vor der dramatischen Szene innezuhalten, die Jesus in diesem Gleichnis beschreibt, das wir gehört haben: auf der einen Seite ein reicher Mann, gekleidet in Purpur und Byssus, der seinen Reichtum zur Schau stellt und üppig tafelt; auf der anderen Seite ein armer Mann, mit Wunden bedeckt, der vor der Tür liegt und darauf hofft, dass ein paar Krümel von diesem Tisch fallen, damit er seinen Hunger stillen kann. Und angesichts dieses Widerspruchs – den wir tagtäglich sehen –, angesichts dieses Widerspruchs fragen wir uns: Wozu lädt uns das Sakrament der Eucharistie als Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens ein?
Zunächst einmal erinnert uns die Eucharis-tie an den Primat Gottes. Der reiche Mann im Gleichnis ist nicht offen für die Beziehung zu Gott: Er denkt nur an sein eigenes Wohlergehen, an die Befriedigung seiner Bedürfnisse, an Lebensgenuss. Und damit hat er auch seinen Namen verloren. Das Evangelium sagt nicht, wie er hieß. Es benennt ihn mit einem Adjektiv: ein Reicher. Der Name des Armen hingegen wird genannt: Lazarus. Der Reichtum bringt dich dahin, er nimmt dir sogar den Namen. Selbstzufrieden, be-rauscht vom Geld, benommen vom Jahrmarkt der Eitelkeiten, gibt es in seinem Leben keinen Raum für Gott, weil er nur sich selbst anbetet.
Es ist kein Zufall, dass sein Name nicht genannt wird: Wir nennen ihn »reich«, wir definieren ihn nur durch ein Adjektiv, denn er hat mittlerweile seinen Namen verloren. Er hat seine Identität verloren, die nur noch durch die Güter gegeben ist, die er besitzt. Wie traurig ist diese Realität auch heute noch, wenn wir das, was wir sind, mit dem verwechseln, was wir haben; wenn wir Menschen beurteilen nach dem Reichtum, den sie besitzen, nach den Titeln, die sie zur Schau stellen, nach den Rollen und Ämtern, die sie bekleiden, oder nach der Marke der Kleidung, die sie tragen. Es ist die Religion des Habens und des Scheins, die oft die Bühne dieser Welt beherrscht, uns aber am Ende mit leeren Händen zurücklässt: immer. Denn diesem reichen Mann des Evangeliums ist nicht einmal der Name geblieben. Er ist ein Niemand. Im Gegensatz dazu hat der arme Mann einen Namen, Lazarus, was »Gott hilft« bedeutet. Auch in seiner Situation der Armut und Ausgrenzung kann er seine Würde bewahren, weil er in der Beziehung zu Gott lebt. Schon in seinem Namen steckt etwas von Gott, und Gott ist die unerschütterliche Hoffnung seines Lebens.
Das also ist die beständige Herausforderung, die die Eucharistie an unser Leben stellt: Gott anzubeten und nicht sich selbst, nicht uns selbst. Ihn in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die Eitelkeit des eigenen Egos. Uns daran zu erinnern, dass der Herr allein Gott ist und alles andere ein Geschenk seiner Liebe. Denn wenn wir uns selbst anbeten, ersticken wir an unserem kleinen Ego; wenn wir die Reichtümer dieser Welt anbeten, ergreifen sie von uns Besitz und machen uns zu Sklaven; wenn wir den Götzen des äußeren Scheins anbeten und uns an der Verschwendung berauschen, wird früher oder später das Leben selbst uns die Rechnung präsentieren. Immer präsentiert das Leben uns die Rechnung.
Wenn wir dagegen den in der Eucharistie gegenwärtigen Herrn anbeten, erhalten wir einen neuen Blick auch auf unser Leben: Ich bin nicht die Dinge, die ich besitze, oder die Erfolge, die mir gelingen. Der Wert meines Lebens hängt nicht davon ab, wie viel ich vorzeigen kann, und er wird auch nicht geringer, wenn ich versage und scheitere. Ich bin ein geliebtes Kind, jeder von uns ist ein geliebtes Kind. Ich bin von Gott gesegnet; er hat mich mit Schönheit bekleidet und er will, dass ich frei bin von jeglicher Versklavung. Denken wir daran: Wer Gott anbetet, wird nicht jemandes Sklave, vielmehr ist er frei. Entdecken wir das Gebet der Anbetung wieder, ein Gebet, das häufig vergessen wird. Anbeten, das Gebet der Anbetung, entdecken wir es neu: Es befreit uns und gibt uns unsere Würde als Kinder zurück, nicht als Sklaven.
Neben dem Primat Gottes ruft uns die
Eucharistie dazu auf, unsere Brüder und Schwes-tern zu lieben. Dieses Brot ist das Sakrament der Liebe schlechthin. Es ist Christus, der sich für uns aufopfert, sich für uns zerbrechen lässt und uns auffordert, dasselbe zu tun, damit unser Leben zu gemahlenem Weizen und zu Brot wird, das unsere Brüder und Schwestern nährt. Der reiche Mann des Evangeliums erfüllt diese Aufgabe nicht; er lebt im Überfluss und tafelt üppig, ohne den stummen Schrei des armen Lazarus, der erschöpft vor seiner Tür liegt, auch nur zu bemerken. Erst am Ende seines Lebens, als der Herr das Blatt wendet, wird er auf Lazarus aufmerksam, aber Abraham sagt ihm: »Zwischen uns und euch ist ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund« (Lk 16,26). Aber den hast du gegraben! Du selbst. Wir sind es,
die wir mit unserem Egoismus Abgründe schaffen. Es war der reiche Mann, der während seines irdischen Lebens einen Abgrund zwischen sich und Lazarus schuf, und jetzt, im ewigen Leben, bleibt dieser Abgrund bestehen.
Denn unsere ewige Zukunft hängt von diesem gegenwärtigen Leben ab: Wenn wir jetzt einen Graben zu unseren Brüdern und Schwestern aufreißen, »schaufeln wir unser eigenes Grab« für später; wenn wir jetzt Mauern gegen unsere Brüder und Schwes-tern errichten, bleiben wir auch später in Einsamkeit und Tod gefangen.
Liebe Brüder und Schwestern, es ist schmerzlich zu sehen, dass dieses Gleichnis immer noch die Geschichte unserer Gegenwart ist: Die Ungerechtigkeiten, die Ungleichheiten, die ungleiche Verteilung der Ressourcen der Erde, die Übergriffe der Mächtigen auf Kosten der Schwachen, die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schrei der Armen, der Abgrund, den wir jeden Tag graben und der Ausgrenzung hervorbringt, all diese Dinge dürfen uns nicht gleichgültig lassen. Und so wollen wir heute gemeinsam erkennen, dass die Eucharistie die Prophetie einer neuen Welt ist, dass sie die Gegenwart Jesu ist, der uns auffordert, uns einzusetzen, damit eine wirksame Umkehr stattfinden kann: eine Umkehr von der Gleichgültigkeit zum Mitgefühl, eine Umkehr von der Verschwendung zum Teilen, eine Umkehr vom Egoismus zur Liebe, eine Umkehr vom Individualismus zur Geschwisterlichkeit.
Brüder und Schwestern, träumen wir! Träumen wir von einer solchen Kirche: einer eucharistischen Kirche aus Frauen und Männern, die sich wie Brot für all jene brechen, die an Einsamkeit und Armut nagen, für jene, die nach Zärtlichkeit und Mitgefühl hungern, für jene, deren Leben zerbröckelt, weil der gute Sauerteig der Hoffnung gefehlt hat. Eine Kirche, die vor der Eucharistie kniet und staunend den im Brot gegenwärtigen Herrn anbetet; die es aber auch versteht, sich mit Mitleid und Zärtlichkeit über die Wunden der Leidenden zu beugen, indem sie die Armen aufrichtet, die Tränen der Leidenden abwischt und sich selbst zum Brot der Hoffnung und der Freude für alle macht. Denn es gibt keine wahre eucharistische Anbetung ohne Mitgefühl für die vielen »Lazarusse«, die auch heute noch unter uns leben. Es sind so viele!
Brüder, Schwestern, aus dieser Stadt Matera, der »Stadt des Brotes«, möchte ich euch sagen: Kehren wir zu Jesus zurück, kehren wir zur Eucharistie zurück. Kehren wir zum Geschmack des Brotes zurück, denn wenn wir nach Liebe und Hoffnung hungern oder durch die Mühen und Leiden des Lebens zerbrochen sind, wird Jesus zur Nahrung, die unseren Hunger stillt und uns heilt. Kehren wir zum Geschmack des Brotes zurück, denn während in der Welt weiterhin Ungerechtigkeit und Diskriminierung gegenüber den Armen herrschen, schenkt uns Jesus das Brot des Teilens und sendet uns Tag für Tag aus als Apostel der Geschwisterlichkeit, Apostel der Gerechtigkeit, Apostel des Friedens. Kehren wir zum Geschmack des Brotes zurück, um eine eucharistische Kirche zu sein, die Jesus in den Mittelpunkt stellt und zum Brot der Zärtlichkeit, zum Brot der Barmherzigkeit für alle wird. Kehren wir zum Geschmack des Brotes zurück, um daran zu erinnern: Während unsere irdische Existenz aufgerieben wird, nimmt die Eucharistie die Verheißung der Auferstehung vorweg und führt uns zum neuen Leben, das den Tod besiegt.
Machen wir uns heute ernsthaft Gedanken über den Reichen und Lazarus. Es geschieht jeden Tag. Und oftmals – wir sollten uns dafür schämen – geschieht es in uns, dieser Kampf, unter uns, in der Gemeinschaft. Und wenn die Hoffnung schwindet und wir in uns die Einsamkeit des Herzens, die innere Müdigkeit, die Qual der Sünde, die Angst vor dem Scheitern spüren, dann wollen wir wieder zum Geschmack des Brotes zurückkehren. Wir alle sind Sünder: Jeder von uns trägt die eigenen Sünden. Aber wir Sünder wollen zum Geschmack der Eucharistie, zum Geschmack des Brotes zurückkehren. Kehren wir zu Jesus zurück, beten wir Jesus an, nehmen wir Jesus auf. Denn er ist der Einzige, der den Tod besiegt und unser Leben immer wieder erneuert.
Nach der heiligen Messe sagte der Papst:
Am Ende dieser Feier möchte ich euch allen danken, die ihr daran teilgenommen und das heilige Volk Gottes in Italien vertreten habt. Und ich bin Kardinal Zuppi dankbar, der als sein Sprecher fungierte. Ich beglückwünsche die Diözesangemeinschaft Matera-Irsina zum organisatorischen und gastgeberischen Einsatz und danke all denen, die an diesem eucharistischen Kongress mitgearbeitet haben.
Bevor wir schließen, wenden wir uns nun an die Jungfrau Maria, die eucharistische Frau. Ihr vertrauen wir den Weg der Kirche in Italien an, damit in jeder Gemeinde der Wohlgeruch Christi, des vom Himmel herabgekommenen lebendigen Brotes, wahrnehmbar wird. Ich möchte es heute wagen, für Italien zu bitten: mehr Geburten, mehr Kinder. Und wir bitten um ihre mütterliche Fürsprache für die dringendsten Nöte der Welt.
Ich denke dabei vor allem an Myanmar. Seit über zwei Jahren wird dieses edle Land von schweren bewaffneten Auseinandersetzungen und Gewalttaten heimgesucht, die zahlreiche Opfer und Vertriebene gefordert haben. Diese Woche hat mich der Schmerzensschrei über den Tod von Kindern in einer ausgebombten Schule erreicht. Man sieht, dass es heute in der Welt Mode ist, Schulen zu bombardieren! Möge der Schrei dieser Kleinen nicht ungehört verhallen! Solche Tragödien dürfen nicht passieren!
Maria, Königin des Friedens, möge das gemarterte ukrainische Volk trösten und den Führern der Nationen die Willenskraft erwirken, um sofort wirksame Initiativen zur Beendigung des Krieges zu finden.
Ich schließe mich dem Appell der Bischöfe Kameruns zur Freilassung einiger in der Diözese Mamfe entführter Personen an, darunter fünf Priester und eine Ordensfrau. Ich bete für sie und für die Menschen in der Kirchenprovinz Bamenda: Möge der Herr den Herzen und dem sozialen Leben dieses lieben Landes Frieden schenken.
Heute, an diesem Sonntag, begeht die Kirche den Welttag der Migranten und Flüchtlinge unter dem Motto »Mit den Migranten und Flüchtlingen die Zukunft gestalten«. Wir erneuern unsere Verpflichtung, die Zukunft nach Gottes Plan zu gestalten: eine Zukunft, in der jeder Mensch seinen Platz findet und respektiert wird; in der Migranten, Flüchtlinge, Vertriebene und Opfer von Menschenhandel in Frieden und Würde leben können. Denn das Reich Gottes wird mit ihnen verwirklicht, niemand ausgeschlossen. Diesen Brüdern und Schwestern ist es auch zu verdanken, dass die Gemeinschaften auf sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und geistlicher Ebene wachsen können; und der Austausch verschiedener Traditionen bereichert das Volk Gottes. Engagieren wir uns alle für den Aufbau einer inklusiveren und geschwisterlicheren Zukunft! Migranten müssen aufgenommen, begleitet, gefördert und integriert werden.
(Orig. ital. in O.R. 26.9.2022)