Konsistorium zur Kreierung neuer Kardinäle im Petersdom am 27. August

»Feurige Mission« im Großen und im Kleinen

 »Feurige Mission« im Großen und im Kleinen  TED-035
02. September 2022

Vatikanstadt. In einer feierlichen Zeremonie im Petersdom hat Papst Franziskus am 27. August 20 neue Kardinäle aus
vier Kontinenten kreiert. Es war das achte Konsis-torium zur Kreierung neuer Kardinäle seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013. Insgesamt hat die Weltkirche nun 226 Kardinäle. In einleitenden Worten hatte zu Beginn des Gottesdienstes einer der neuen Purpurträger, der für das Dikasterium für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung zuständige Kardinal Arthur Roche, dem Papst stellvertretend für die anderen Kardinäle Gehorsam gelobt und ihm für sein Zeugnis gedankt. Aufgabe der Kardinäle sei es, dem Papst beim Tragen des ihm von Jesus anvertrauten »Kreuzes« des Aufbaus der Kirche zu helfen »und es nicht noch schwerer zu machen«. Papst Franziskus hielt die folgende Predigt:

Diese Worte Jesu direkt in der Mitte des Lukasevangeliums treffen uns wie ein Pfeil: »Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen« (12,49).

Als der Herr mit den Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem ist, verkündigt er in typisch prophetischem Stil und verwendet dabei zwei Bilder: Feuer und Taufe (vgl. 12,49-50). Das Feuer muss er in die Welt bringen; die Taufe muss er selbst empfangen. Ich verwende nur das Bild des Feuers, das hier für die mächtige Flamme des Geistes Gottes steht, der »verzehrendes Feuer« (Dtn 4,24; Hebr 12,29) ist und leidenschaftliche Liebe, die alles reinigt, erneuert und verklärt. Dieses Feuer – wie ja auch die »Taufe« – wird in seiner ganzen Fülle im Ostergeheimnis Christi offenbar, wenn er als brennende Säule durch das dunkle Meer der Sünde und des Todes hindurch den Weg zum Leben eröffnet.

Es gibt aber noch eine andere Art Feuer, nämlich das Kohlenfeuer. Davon spricht das Johannesevangelium im Bericht über die dritte und letzte Erscheinung des auferstandenen Jesus vor den Jüngern am See von Tiberias (vgl. 21,9-14). Jesus selbst hatte dieses kleine Feuer am Ufer entzündet, während die Jünger in den Booten saßen und das mit Fischen prall gefüllte Netz emporzogen. Und Simon Petrus kam als erster freudig angeschwommen (vgl. V. 7). Das Kohlenfeuer ist sanft und unauffällig, hält aber lange an und dient zum Kochen. Und dort, am Ufer des Sees, schafft es eine familiäre Atmosphäre, in der die Jünger staunend und gerührt die innige Vertrautheit mit ihrem Herrn genießen.

Es wird uns guttun, liebe Brüder und Schwestern, an diesem Tag gemeinsam über das Bild des Feuers in dieser zweifachen Gestalt nachzudenken und in diesem Licht für die Kardinäle zu beten, vor allem für euch, die ihr eben in dieser Feier diese Würde und Aufgabe übertragen bekommt.

Mit den Worten aus dem Lukasevangelium ruft uns der Herr erneut auf, uns hinter ihm einzureihen und ihm auf dem Weg seiner Sendung zu folgen. Eine »feurige Mission« – wie die des Elias –, sowohl wegen dem, was er zu tun hatte, als auch wegen der Art und Weise, wie er es gemacht hat. Und für uns, die wir in der Kirche zu einem besonderen Dienst unter den Menschen berufen sind, ist es, als würde Jesus uns die brennende Fackel übergeben und sagen: Nehmt sie, »wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (Joh 20,21). So will der Herr uns seinen apos-tolischen Mut, seinen Eifer für das Heil aller Menschen, niemand ausgeschlossen, weitergeben. Er möchte uns seine Großherzigkeit, seine grenzenlose, vorbehaltlose, bedingungslose Liebe mitteilen, denn in seinem Herzen brennt die Barmherzigkeit des Vaters. Das ist es, was im Herzen Jesu brennt: die Barmherzigkeit des Vaters. Und in diesem Feuer findet sich auch die geheimnisvolle Spannung, die der Sendung Christi eigen ist, zwischen der Treue zu seinem Volk, zum Land der Verheißung, zu denen, die der Vater ihm gegeben hat, und gleichzeitig der Offenheit gegenüber allen Völkern – diese universale Spannung –, gegenüber der weiten Welt, gegenüber den noch unbekannten Peripherien.

Dieses mächtige Feuer war es, das den Apostel Paulus in seinem unermüdlichen Dienst am Evangelium anspornte, in seinem missionarischen »Wettlauf«, der immer vom Geist und vom Wort geleitet und angetrieben wurde. Es ist auch das Feuer der vielen Missionare und Missionarinnen, die die anstrengende und zugleich süße Freude der Evangelisierung erlebt haben und deren Leben selbst zu einem Evangelium geworden ist, weil sie vor allem Zeugen waren.

Das, liebe Schwestern und Brüder, ist das Feuer, das »auf die Erde zu werfen« Jesus gekommen ist und das der Heilige Geist auch in den Herzen, Händen und Füßen derer entzündet, die ihm folgen. Das Feuer Jesu, das Feuer, das Jesus bringt.

Nun ist da noch das andere Feuer, das Kohlenfeuer. Auch das will der Herr uns vermitteln, damit wir wie er mit Sanftmut und Treue, mit Nähe und Zärtlichkeit – das ist der Stil Gottes: Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit – viele Menschen die Gegenwart des lebendigen Jesus in unserer Mitte spüren lassen können. Eine Gegenwart, die trotz ihres Geheimnischarakters so offensichtlich ist, dass man nicht einmal zu fragen braucht »Wer bist du?«, weil das Herz bereits weiß, dass er es ist, der Herr. Dieses Feuer brennt in besonderer Weise in der Anbetung, wenn wir in Stille vor der Eucharistie verweilen und die demütige, unauffällige und verborgene Gegenwart des Herrn wie ein Kohlenfeuer erfahren, so dass diese Gegenwart selbst zur Nahrung für unser tägliches Leben wird.

Das Kohlenfeuer erinnert zum Beispiel an den heiligen Charles de Foucauld, der lange Zeit in einer nichtchristlichen Umgebung, in der Einsamkeit der Wüste, lebte und sich dabei ganz auf das Gegenwärtig-sein konzentrierte: die Gegenwart des lebendigen Jesus im Wort und in der Eucharistie und seine eigene brüderliche, freundliche und barmherzige Präsenz. Aber es lässt uns auch an jene Brüder und Schwestern denken, die ihr Leben einem säkularen Dienst in der Welt weihen, indem sie an den Arbeitsplätzen, in den zwischenmenschlichen Beziehungen, in kleinen geschwisterlichen Zusammenkünften das ruhige und nachhaltige Feuer schüren; oder, als Priester, in einem beständigen und großherzigen Dienst, ohne großes Aufsehen, mitten unter den Menschen in der Gemeinde. Ein Pfarrer von drei Gemeinden hier in Italien erklärte mir einmal, er habe viel Arbeit. »Aber schaffst du es, alle Menschen zu besuchen?«, fragte ich. »Ja, ich kenne alle!« – »Aber kennst du auch die Namen von allen?« – »Ja, sogar die Namen der Hunde der Familien.« Das ist das sanfte Feuer, das das Apos-tolat zum Licht Jesu führt. Und ist nicht auch das, was das Leben so vieler christlicher Ehepartner täglich wärmt, eine Art Glut? Die eheliche Heiligkeit! Entzündet durch ein einfaches, »hausgemachtes« Gebet, durch zärtliche Gesten und Blicke und durch die Liebe, die die Kinder geduldig auf ihrem Weg des Heranwachsens begleitet. Und vergessen wir nicht die Glut, die von den Alten gehütet wird – diese sind ein Schatz, ein Schatz der Kirche –, das Herdfeuer der Erinnerung, sowohl in der Familie als auch im sozialen und zivilen Bereich. Wie wichtig ist diese Feuerstelle der Alten! Die Familien versammeln sich um sie; sie ermöglicht es ihnen, die Gegenwart im Licht vergangener Erfahrungen zu deuten und weise Entscheidungen zu treffen.

Liebe Brüder Kardinäle, im Licht und kraft dieses Feuers wandelt das heilige und gläubige Volk, aus dem wir herausgenommen wurden – aus dem Volk Gottes – und zu dem wir als Diener Christi, des Herrn, gesandt worden sind. Was sagt dieses zweifache Feuer Jesu speziell mir und euch – das ungestüme Feuer und das sanfte Feuer? Es scheint mir, dass es uns daran erinnert, dass ein Mensch mit apostolischem Eifer vom Feuer des Geis-tes beseelt ist, um sich mutig um die großen wie um die kleinen Dinge zu kümmern, denn es gilt: »Non coerceri a maximo, contineri tamen a minimo, divinum est.« Vergesst das nicht: Das schreibt der heilige Thomas in der Prima Primae: Non coerceri a maximo: große Horizonte und großes Verlangen nach großen Dingen haben; contineri tamen a minimo, ist göttlich, divinum est.

Ein Kardinal liebt die Kirche, immer mit demselben geistlichen Feuer, ob er nun mit großen oder kleinen Fragen befasst ist, ob er die Großen dieser Welt trifft – das muss er tun, sehr oft – oder die Kleinen, die vor Gott groß sind. Ich denke zum Beispiel an Kardinal Casaroli, der zu Recht berühmt ist für seine Aufgeschlossenheit, mit der er die neuen Möglichkeiten Europas nach dem Kalten Krieg mit einem klugen und geduldigen Dialog begleitet hat – und Gott bewahre uns davor, dass die menschliche Kurzsichtigkeit die von ihm eröffneten Horizonte wieder verschließt! Aber in Gottes Augen sind die Besuche, die er regelmäßig bei den jungen Insassen eines Jugendgefängnisses in Rom machte, wo er »Don Agostino« genannt wurde, ebenso wertvoll. Er praktizierte die große Diplomatie – das Martyrium der Geduld, so war sein Leben – und gleichzeitig besuchte er wöchentlich die Jugendlichen in Casal del Marmo. Und wie viele solcher Beispiele ließen sich anführen! Ich erinnere mich an Kardinal Van Thuân, der in einem anderen bedeutenden geschichtlichen Zusammenhang des 20. Jahrhunderts dazu berufen war, das Volk Gottes zu hüten, und der gleichzeitig vom Feuer der Liebe Christi beseelt war, sich um die Seele des Gefängniswärters zu bemühen, der seine Zellentür bewachte. Diese Menschen hatten keine Angst vor dem »Großen«, vor dem »Maximum«, aber sie ließen sich auch auf das alltägliche »Kleine« ein. Nach einem Treffen, bei dem der [spätere] Kardinal Casaroli dem heiligen Johannes XXIII. über seine letzte Mission berichtet hatte – ich weiß nicht, ob in die Slowakei oder in die Tschechische Republik, eines dieser Länder, es ging um hohe Politik –, rief ihn der Papst beim Hinausgehen und sagte: »Ah, Monsignore, eine Sache noch: Gehen Sie weiterhin zu diesen jungen Gefangenen?« – »Ja.« – »Verlassen Sie sie nie!« Die große Diplomatie und die kleine pastorale Angelegenheit. Das ist das Herz eines Priesters, das Herz eines Kardinals.

Liebe Brüder und Schwestern, richten wir unseren Blick wieder auf Jesus: Nur er kennt das Geheimnis dieser demütigen Großherzigkeit, dieser sanften Kraft, dieser auf Details bedachten Universalität. Das Geheimnis des göttlichen Feuers, das vom Himmel herabsteigt, um ihn von einem Ende zum anderen zu erhellen, und das langsam das Essen der armen Familien, der Migranten oder der Obdachlosen kocht. Jesus will dieses Feuer auch heute auf der Erde entfachen; er will es an den Ufern unseres täglichen Lebens erneut entzünden. Er ruft uns beim Namen, jeden von uns, er ruft uns beim Namen: Wir sind keine Nummer; er sieht uns in die Augen, jedem von uns, lassen wir uns in die Augen schauen, und er fragt uns: Du, neuer Kardinal – und ihr alle, Brüder Kardinäle –, kann ich auf dich zählen? Diese Frage des Herrn.

Und ich möchte nicht schließen, ohne an Kardinal Richard Kuuia Baawobr, den Bischof von Wa, zu erinnern, der sich gestern bei seiner Ankunft in Rom schlecht fühlte und wegen eines Herzproblems ins Krankenhaus eingeliefert wurde und, ich glaube, operiert werden musste. Lasst uns für diesen Bruder beten, der hier sein wollte und im Krankenhaus liegt. Danke.