Das heutige Evangelium (Lk 12,13-21) provoziert, ja, fordert genau das Gegenteil von dem, was die Zeit, in der wir leben, von uns fordert. Ich muss unwillkürlich an Heinrich Bölls »Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral« denken. Dort begegnet uns ein Urlauber, der einen Fischer beim Dösen in der Mittagshitze trifft und ihm zahlreiche Gründe nennt, weshalb er lieber noch einmal ausfahren sollte, anstatt in der Sonne zu liegen und zu dösen. Nur wenn der Fischer hart arbeite, so der Urlauber, könne er sich eines Tages zufrieden ausruhen. Als der Fischer erwidert, dass er das ja bereits jetzt schon tue, wird dem Urlauber bewusst, dass Glück keine wirtschaftliche Kennziffer ist und empfindet Neid und wohl auch Scham über die einfache Zufriedenheit des Fischers.
Ein Lob der Faulheit? Mitnichten! Stattdessen eine tiefe Botschaft. Denn im Gleichnis, das Jesus auf die Frage eines Menschen aus der Volksmenge erwidert, geht es im Grunde um dieselbe Aussage. Auch hier möchte ein nur betriebswirtschaftlich denkender Mann seinen Gewinn maximieren und seine Infrastrukturen ausbauen, um im Endeffekt noch mehr Gewinn zu erzielen. Daran ist auch nichts auszusetzen. Das Problem aber entsteht dadurch, dass er, von seiner Habgier geblendet, den Gedanken an seine Endlichkeit ausklammert und dadurch vergisst, dass sein Leben ein »Darlehen« ist, das Gott jederzeit zurückfordern kann. Diesen Gedanken klammern auch wir nur allzu gerne aus. Vor einer solchen Haltung warnt uns der heilige Benedikt und schreibt
im vierten Kapitel seiner Regel, man solle den unberechenbaren Tod täglich vor Augen haben. Wenn wir den Tod täglich vor Augen haben, sind wir nicht überrascht, wenn er plötzlich kommt. Im Gegenteil: wir sind vorbereitet zu gehen. Wir leben also in Wachsamkeit und aus dieser Wachsamkeit üben wir uns ein in eine demütige Dankbarkeit gegenüber dem Geschenk des Lebens, das von Gott und von nirgendwo sonst herkommt. Wenn wir demütig werden, lassen wir uns nicht vom »Dämon der Habgier« versuchen, der uns ins Verderben zieht, indem er uns suggeriert, wir könnten unsere Sehnsucht nach Materiellem dadurch stillen, dass wir noch mehr Materielles ansammeln.
Lassen wir uns nicht von unserem Wachstums- und Machbarkeitswahn zum Narren machen. Gott wird uns einst nicht nach unserem Kontostand oder nach unserem Vermögen beurteilen, sondern nach dem Maß unserer Liebe. Mit anderen Worten: Wir sollen uns Schätze im Himmel sammeln (Mt 6,19) und nicht unsere Hoffnung auf Dinge setzen, die wir zwar ansammeln und besitzen können, die aber im Augenblick unseres Todes völlig belanglos werden.
Br. Immanuel Lupardi OSB, Missionsbenediktiner von St. Ottilien und Student am Päpstlichen Athenäum Sant’Anselmo in Rom.