Vatikanstadt. In dem langen, auf Italienisch geführten Interview mit Philip Pullela von der Nachrichtenagentur Reuters beantwortete Papst Franziskus am 4. Juli Fragen zu den verschiedensten Themen. Reuters veröffentlichte das Interview in den folgenden Tagen abschnittsweise.
China
Der am 5. Juli veröffentlichte Abschnitt bezog sich auf China. Der Papst sagte, er hoffe, das Abkommen mit der Volksrepublik China erneuern zu können, räumte aber zugleich ein, dass eine abgestimmte Ernennung von Bischöfen in China, wie es die Vereinbarung beider Seiten vorsieht, nur langsam vorangehe. Das liege auch an Abstimmungsproblemen in China. »Aber die Vereinbarung ist gut, und ich hoffe, dass sie im Oktober verlängert werden kann«, so Franziskus weiter. Die Verhandlungen mit Peking führe Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, betonte der Papst, »ein Mann mit hohem diplomatischem Ansehen«.
Parolin wisse, wie man sich in China bewege und die Kommission, die er leite, habe alles getan, um Fortschritte zu erzielen. »In Anbetracht einer festgefahrenen Situation muss man das Mögliche suchen, nicht das Ideale; denn Diplomatie ist die Kunst des Möglichen und der Verwirklichung des Möglichen«, so Franziskus. Das im Oktober 2018 in Kraft getretene vorläufige Abkommen wurde 2020 erstmals um weitere zwei Jahre verlängert. Die Frist läuft im Herbst aus. Seitdem gab es wenige Bischofsernennungen, denen sowohl chinesische Behörden wie auch der Papst zustimmten. Im Frühjahr hatte Parolin erklärt, dass nach der Pandemie wieder direkte Kontakte mit China aufgenommen werden sollten. Dabei sollte es auch um die Ergebnisse der Vereinbarung gehen und gewisse Punkte sollten eventuell überarbeitet werden. Einzelheiten nannte Parolin damals nicht.
Frauen und Laien in Führungspositionen
Papst Franziskus plant weitere hochrangige Posten in der Kurie mit Frauen zu besetzen. »Zum ersten Mal werden zwei Frauen in die Kommission zur Auswahl von Bi-schöfen in die Kongregation für die Bischöfe berufen«, sagte er im am 6. Juli veröffentlichten Ausschnitt des Interviews. Die Ernennung erfolgte dann einige Tage später, am 13. Juli. »Auf diese Weise öffnen sich die Dinge ein wenig«, fügte Franziskus hinzu. Mit der zu Pfingsten in Kraft getretenen Kurienreform Praedicate evangelium können die meisten Vatikanbehörden künftig auch von Laien – Frauen und Männern – geführt werden. Auf die Frage, welche anderen vatikanischen Abteilungen von einem Laien geleitet werden könnten, nannte Franziskus unter anderem die neu geschaffene Behörde für Kultur und Bildung sowie die Vatikanbibliothek.
Finanzreform
Der am 7. Juli veröffentlichte Abschnitt drehte sich um die Finanzreform im Vatikan, die der Papst für gelungen hält. Er glaube, dass es damit genug Veränderungen gegeben habe, um weitere Finanzskandale zu verhindern. Etwa die Investition in eine Londoner Luxusimmobilie, derzeit Gegenstand in einem Strafprozess im Vatikan, habe an der »Verantwortungslosigkeit der damaligen Struktur« gelegen. Aufgrund mangelnder Qualifikation sei die Verantwortung an Personen von außen abgegeben worden, »ohne ausreichende Kontrolle von innen«, so Franziskus. Dies könne nun durch das Wirtschaftssekretariat und dessen Besetzung mit Fachleuten verhindert werden. »Die Idee für das Wirtschaftssekretariat stammt von Kardinal George Pell. Er war der Genius«, so Franziskus abschließend mit Blick auf den inzwischen emeritierten australischen Kurienkardinal Pell (81). Das Wirtschaftssekretariat soll die ökonomischen, finanziellen und adminis-trativen Angelegenheiten der Kurie und anderer vatikanischer Institutionen regulieren, kontrollieren und überwachen. Hier wird auch der Jahreshaushalt erstellt.
Kampf gegen Missbrauch
Im letzten, am 8. Juli veröffentlichten Teil des Interviews hat Papst Franziskus Widerstände einiger nationaler katholischer Kirchen bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch eingeräumt. »Es gibt Widerstände, aber mit jedem neuen Schritt wächst das Bewusstsein, dass dies der richtige Weg ist«, erklärte er. »Ich denke, die Richtung, die wir in dieser Sache eingeschlagen haben, ist unumkehrbar«, so Franziskus weiter. Nach dem Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan 2019 regelte Franziskus etwa, wie Verantwortliche weltweit, vor allem Bischöfe, bei auftretenden Verdachtsfällen verfahren sollen. Außerdem kippte er die besondere Vertraulichkeitsstufe des Päpstlichen Geheimnisses bei Vorgängen rund um Missbrauch. Die Kooperation mit staatlichen Behörden kann damit nicht mehr verweigert werden.
Mit der Kurienreform in diesem Jahr siedelte Franziskus zudem die Päpstliche Kinderschutzkommission beim Dikasterium für die Glaubenslehre an und wertete sie damit auf. »Wir müssen gegen jeden einzelnen Fall kämpfen«, sagte Franziskus im Reuters-Interview. »Als Priester muss ich den Menschen helfen zu wachsen und sie retten. Wenn ich sie missbrauche, bringe ich sie um. Das ist schrecklich. Null Toleranz«, so der Papst.