Die Rektoratskirche St. Peter

Eine der schönsten Barockkirchen Wiens

 Eine der schönsten Barockkirchen Wiens  TED-027
08. Juli 2022

QVAECVNQVE VOVI REDDAM/
PRO SALVTE DOMINO
(Was ich gelobt habe, will ich dem Herrn für die Rettung erfüllen).

Diese Inschrift steht über dem marmornen, von Säulen flankierten Haupteingang der Peterskirche in Wien. Sie erinnert an das Gelübde von Kaiser Leopold I., das er angesichts der schrecklichen Pestepidemie ablegte, die 1679 wütete. Sollte die Seuche rasch abflauen, versprach er, die Peterskirche, deren Patronatsherr er war, von Grund auf neu zu errichten, sowie ein Dankesdenkmal, die Pest-säule am Graben.

Nur einen Katzensprung vom Stephansdom entfernt – der Kathedrale, die nicht nur der eigentliche Mittelpunkt, sondern auch das Wahrzeichen der Hauptstadt ist – liegt die Peterskirche. Eingezwängt in den engen Gässchen, erwartet man nicht, hier auf so eine prächtige und große barocke Kirche zu stoßen. Sie befindet sich auf dem Areal des ehemaligen, um 100 n. Chr. gegründeten römischen Militärlagers Vindobona. Vermutet wird aufgrund von Funden, die man vor einiger Zeit in nächster Nähe machte, dass sie zu Ende des 4. Jh.s in Kasernen dieses ehemaligen Castrums, die an den Südwall angrenzten, eingebaut wurde.

Gelübde in schwerer Zeit

Möglicherweise war es ein zum Christentum bekehrter Legionär, der aus der Ewigen Stadt kam – immerhin war die Peterskirche (Alt-St. Peter) in Rom 324 n. Chr. von Kaiser Konstantin errichtet worden – und zu Ehren des heiligen Petrus den Grundstein für die heutige barocke Peterskirche legte. Eventuell war es ein anderer Stifter, der vielleicht ebenfalls Petrus hieß, nach dem das früheste Got-teshaus (nach dem Beispiel der römischen Titelkirchen) benannt wurde. Es handelte sich wahrscheinlich um eine Saalkirche. Im Frühmittelalter ersetzte man sie durch eine romanische Kirche, die der Tradition zufolge kein Geringerer als Karl der Große 792 gegründet haben soll. Daran gemahnt ein großes Relief an der Ostseite. Die erste urkundliche Erwähnung geht allerdings auf das Jahr 1137 zurück.

Im Spätmittelalter und dann in der Gotik gestaltete man sie um, wobei das Langhaus in drei ungleiche Schiffe aufgeteilt wurde. Sie wies im Westen einen rechteckigen dreigeschossigen Hauptturm auf, der von einem schmalen Dachreiter mit einem großen Kreuz bekrönt war, wie wir der »Vogelschau« von Jacob Hoefnagel aus dem Jahr 1609 entnehmen können. Wie sie innen aussah, wissen wir nicht. Im gleichen Stadtplan erkennt man auch, dass sie von niedrigen Läden umgeben war, die sich an die Außenmauern schmiegten. In einem etwas größeren Zubau war die »Stadtguardia«, Vorläuferin der heutigen Polizei, untergebracht.

Die Schäden infolge eines Großbrandes 1661 wurden nur unzureichend repariert, so dass das Gotteshaus in einem sehr schlechten Zustand war, als es 1679 der Allerheiligs-ten Dreifaltigkeitsbruderschaft übergeben wurde, die natürlich danach trachtete, es zu renovieren, oder im besten Fall neu zu errichten, was dann auch geschah. Ihr bekanntestes Mitglied war Kaiser Leopold I. (geb. 1640 in Wien, römisch-deutscher Kaiser ab 1658, gest. 1705 in Wien). Angesichts der zahllosen Opfer und der schrecklichen Zustände, die in Wien infolge der beängstigenden Pestepidemie herrschten, sowie der rasanten Verbreitung der Krankheit legte er das Gelübde ab, ein Dankesdenkmal, die spätere Pestsäule, die man am Graben heute noch bewundern kann, sowie die Peterskirche neu zu bauen. Danach floh auch er aus Wien, zuerst nach Prag und dann nach Linz. Zwar wollte er nur mit geringem Gefolge reisen, doch die Schar war groß und überall, wo man vorbeikam, gab es danach Pesttote (heute wissen wir, aufgrund der Corona-Pandemie besser informiert, dass es asymptomatisch Infizierte gibt, die ansteckende Krankheiten verbreiten. Anzunehmen ist also, dass in der Begleitung Leopolds I. solche Personen mit dabei waren).

Übrigens weist der Name »Graben« – heute mit eine der besten Wiener Adressen für internationale Modemarken und elegante Läden – darauf hin, dass sich da einmal der »Graben« vor den Palisaden und den Mauern des römischen Lagers, die es umfassten, erstreckte. Das zeigt, dass die Peterskirche, als wohl älteste Kirche der Stadt, innerhalb der alten römischen Mauern entstand.

Es sollte noch etwa zwanzig Jahre dauern, bis mit dem neuen Petersdom begonnen wurde. Kaiser Leopold I. legte am 22. April 1701 während einer feierlichen Zeremonie den Grundstein. Zunächst befasste sich der italienische Architekt Gabriele Montani (gest. 1729) mit dem Projekt. Er hatte einige Jahre vorher den Pfarrhof renoviert. Zwei Jahre später, 1703, setzte einer der wichtigsten österreichischen Künstler, der Barockarchitekt und Hofingenieur Johann Lucas von Hildebrandt (1668-1745), das Projekt fort. Unter Berücksichtigung der
bereits gemauerten Fundamente entwarf er den ovalen Hauptraum mit der luftigen Kuppel über dem Tambour, sowie die enge, doch mächtige Hauptfassade mit den beiden Türmen, die – kommt man vom Graben durch die schmale Jungferngasse – den Blick auf die Kuppel mit ihrer zierlichen Laterne freilassen.

Im Jahr 1707 war der Rohbau fertig, jedoch nicht die beiden mit einer Ecke nach vorne gedrehten Türme. Das vermindert ihre Größe nicht, lässt jedoch die gesamte Fassade schlanker erscheinen, was ihr viel Eleganz verleiht. Das war indessen kein Hindernis, das Gotteshaus ein Jahr später provisorisch zu konsekrieren, so dass man es für liturgische und seelsorgerische Zwecke bereits nutzen konnte.

Es ist ein weiter Innenraum, den man durch einen kurzen Eingangsbereich, über dem sich die Orgel befindet, betritt. Sofort zieht die ovale Kuppel mit dem grandiosen Fresko den Blick nach oben. Es stellt die Krönung Mariens durch Gottvater und Sohn dar und ist ein Werk von Michael Rottmayer (1654-1730), dem wohl angesehensten, meistbeschäftigten und wohl auch bedeutendsten Barockmaler Österreichs. Apostel, Heilige, Märtyrer, Kirchenlehrer, Päpste und Engel bevölkern das riesige Bild im Gewölbe, das nach oben zu immer heller wird, um in der Mitte in die Laterne zu münden, in welcher hoch oben der Heilige Geist in Form einer Taube thront.

Andrea Pozzo, der Schöpfer der illusionis-tischen Gewölbefresken und der Scheinkuppel von Sant’Ignazio in Rom, sollte ab 1707
St. Peter in Wien mit Fresken versehen. Er hatte fünf Kapellen bereits beendet, als er nach zwei Jahren 1709 plötzlich verstarb. Johann Michael Rottmayer, kaiserlicher Kammermaler, folgte ihm nach. Da man ein einheitliches Aussehen anstrebte, mussten die Wandbilder Pozzos weichen. Der Innenraum wurde von Rottmayer zwischen 1713 und 1715 vollständig neu ausgestaltet.

Die feierliche Weihe erfolgte 1733 unter Kaiser Karl VI. (geb. 1685 in Wien, römisch-deutscher Kaiser ab 1711, gest. 1740 in
Wien). Allerdings fehlte noch die Fassade, die erst ein Jahr später fertiggestellt wurde. Der Portalvorbau wurde sogar erst 1754 vollendet. Die Peterskirche hat sich seither nicht verändert und wurde nur restauriert und instandgehalten.

Betritt man St. Peter, beeindrucken den Besucher nicht nur das Kuppelfresko, sondern auch der Altarraum, der durch das verlängerte Presbyterium wie mystisch in die Ferne entrückt erscheint. Das bemerkenswerte Altarblatt stammt von Martino Altomonte (1657-1747), ebenfalls ein Meister der Barockmalerei. Es stellt den heiligen Petrus und den Evangelisten Johannes dar, im Begriff, einen Lahmen zu heilen. Hoch über ihnen schweben Gottvater, Sohn und die Taube des Heiligen Geistes, eben die Heilige Dreifaltigkeit. Das erinnert an die beiden Patrozinien der Kirche, jenes des heiligen Petrus (Festtag am 29. Juni) sowie das der heiligen Dreifaltigkeit (erster Sonntag nach Pfingsten). Die beiden Marmorstatuen links und rechts stellen wohl Konstantin den Großen, der im Jahr 313 das Toleranzedikt erließ und somit durch die Religionsfreiheit die rasche Entwicklung des Christentums ermöglichte (und die Peters-kirche in Rom gründete), sowie Karl den Großen dar, welcher der Tradition zufolge die Peterskirche in Wien im Frühmittelalter von Grund auf renovierte. In der Peters-kirche in Rom wurde er durch Papst Leo III. (geb. 750, Papst 795-816) am Weihnachtstag des Jahres 800 zum Kaiser gekrönt.

Beeindruckend sind auch die reich verzierte Barockkanzel sowie gegenüber der großartig pathetische Nepomuk-Altar von Lorenzo Mattielli aus dem Jahr 1729. Er zeigt in einer bewegten vollplastischen Szene mit zahlreichen Figuren aus vergoldetem Holz das Martyrium des heiligen Nepomuk (1350-1393), der von seinen Häschern von der Karlsbrücke in Prag gestürzt wird. Darüber schwebt in einer Wolke die Muttergottes von Bunzlau (heute Stará Boleslav in Tschechien). Dieses Gnadenbild der Madonna besuchte der 1729 heiliggesprochene Johannes Nepomuk vor seinem Märtyrertod 1393, um dort Beistand zu erbitten.

Irgendwie an maurische Architektur erinnern die beiden Oratorien links und rechts oben im Presbyterium. Hier konnten der Kaiser und seine Familie den heiligen Messen ungesehen beiwohnen. Sehr modern wirken indessen die beiden kleinen Halbkuppeln aus Glas, die sie bekrönen. Über ihnen bewacht der habsburgische Doppeladler das Geschehen.

Mystische Eindrücke

In der Kapelle links der wunderschönen Kanzel liegen unter dem Altar der Heiligen Familie die Gebeine des heiligen Donatus in einem Glasschrein. Uns mag es kurios erscheinen, doch war es früher durchaus üblich die vollständigen Skelette von Katakombenheiligen, in zeitgenössische Kleidung gehüllt, in durchsichtigen Schreinen den Gläubigen nahezubringen.

Das Vorsatzbild hier stammt von Michael Fuchs und zeigt den heiligen Josemaría Escrivá (1902-1975), der 2002 von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) heiliggesprochen wurde. Er war der Gründer des Opus Dei, dessen Rektoratskirche St. Peter ist. An
der rechten Seitenwand hängt das Porträt
seines Nachfolgers Álvaro del Portillo (1914-1994, seliggesprochen 2014). Die Peterskirche wurde 1970 der Personalprälatur Opus Dei anvertraut, deren Mitglieder sie heute noch betreuen.

Verlässt man das Gotteshaus durch die kurze Vorhalle, sollte man sich nochmals umwenden, um den von Antonio Galli da Bibiena 1729 entworfenen Hauptaltar zu bewundern. Er hinterlässt – vor allem am Abend – einen geheimnisvoll mystischen Eindruck.

Tritt man wieder auf die Straße hinaus, sollte man auch hier zurückblicken und
den von Joachim Georg von Schwandtner, Superintendent der Erzbruderschaft der Allerheiligs-ten Dreifaltigkeit, gewidmeten Portalvorbau betrachten, der 1751–1753 nach Plänen von Andrea Altomonte aus Marmor geschaffen wurde. Die drei dunklen Figuren über dem Giebel symbolisieren links die »Hoffnung« mit dem Anker, rechts die »Liebe« mit einem kleinen Kind und auf der Spitze den »Glauben« mit dem Kelch und der Hostie.

Über dem Eingang prangt die besagte »Gründungs-Inschrift«: QVAECVNQVE VOVI REDDAM / PRO SALVTE DOMINO (Buch Jona 2,10: »Was ich gelobt habe, will ich erfüllen. Vom Herrn kommt die Rettung«). Sie erinnert an Leopold I., der eine der schönsten Barockkirchen von Wien stiftete. Seine knieende Figur – im Beten begriffen – kann man an der Pestsäule gleich um die Ecke am Graben erblicken, welche er ebenfalls zum Dank für das Ende der furchtbaren Seuche hier widmete.

Von Silvia Montanari