Im Evangelium gibt es eine Reihe wichtiger Wendepunkte, auch im ganz buchstäblichen Sinn: So wandte sich Jesus entschlossen dem Weg nach Jerusalem zu (Lk 9,51), dem Ort seines Leidens, Sterbens und Auferstehens.
Unser Leben gewinnt mit der Taufe eine klare Orientierung. Als Getaufte haben wir uns zur Christusnachfolge entschlossen – wie jene drei Männer, die Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem begegneten und mit ihm sprachen. »Was also war die Antwort des Herrn?«, fragt der heilige Augustinus († 430) seine Hörer während der Predigt über diese Evange-liumspassage. Und er fährt fort: »›Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.‹ Wo hat er keinen Platz? Er hat keinen Platz in deinem Glauben!«, resümiert der heilige Kirchenvater.
Gilt das auch für uns, die wir Christus so viel Raum in unserem Leben gewähren, ihm so viel Platz einräumen? Womöglich liegt das Problem gerade im »Einräumen«! Vielleicht sollten wir öfter entschlossen »ausräumen« in unserem Leben. Das Evangelium legt nahe, dass Jesus Menschen mit einem vollen Terminkalender offenbar nicht gebrauchen kann. Unser christlich-soziales Engagement, unsere familiären und beruflichen Aufgaben und Tätigkeitsfelder, unsere (Ehren-)Ämter und Verpflichtungen können über kurz oder lang zur Mitte unseres Lebens werden, zum Ort, wo wir uns einrichten. Wir haben ein Nest gefunden, vielleicht sogar eine Art Versteck oder ein Königreich, wo wir uns von niemandem hereinreden lassen, nicht einmal von Gott.
Mit Christus unterwegs zu sein bedeutet jedoch Offenheit, immer neue Suche, Aufbruch. Dabei werden unsere Hauptsachen vielleicht zur Nebensache und vermeintliche Nebensachen zur Hauptsache! Alles wendet sich plötzlich. Welche falschen Ziele müssen wir zurücklassen, welche trügerischen Hoffnungen begraben? Fragen wie diese fordern uns zu einer Christusnachfolge heraus, die unter dem Zeichen der Unsicherheit steht, in der alles in Bewegung bleibt und es immer auch Wendepunkte, ja totale Kehrtwenden geben wird und muss.
Sr. Manuela Scheiba OSB, Dozentin am Monastischen Institut der Benediktinerhochschule Sant’Anselmo in Rom