In diesem Jahr feiert die Diözese Gurk, beziehungsweise Gurk-Klagenfurt, ihr 950-jähriges Bestehen. Ein kleines Suffraganbistum der Erzdiözese Salzburg, das sich aus den Besitzungen der Heiligen Hemma über das Gurk- und Metnitztal sowie die Gegenden der Wimitzer und Glantaler Berge erstreckte. Am 6. Mai 1072 wurde es als eine Stiftung der Gräfin Hemma von Zeltschach gegründet. Sitz der Bischöfe von Gurk war jahrhundertelang Schloss Straßburg (bis 1783), danach für kurze Zeit Schloss Pöckstein.
Kaiser Friedrich I. Barbarossa verlieh dem Gurker Bischof Roman I. (1131-1167) den Titel »Fürst«, und Salzburgs Erzbischof Eberhard I. nannte ihn seinen vertrautesten Ratgeber. Die bescheidene Marienkirche der heiligen Hemma konnte dem Ehrgeiz dieses mächtigen Mannes nicht mehr genügen, ein stolzer Dom sollte der Zeuge seiner Machtfülle sein. Im Rahmen der josephinischen Kirchenreformen wurde 1787 der Bischofssitz nach Klagenfurt verlegt und das Bistum erheblich vergrößert. Heute umfasst das Gebiet der Diözese Gurk-Klagenfurt das gesamte Kärntner Landesgebiet.
Blick in die Geschichte
Der südliche Teil des Diözesangebietes wird neben einer deutschsprachigen Mehrheit auch von Kärntner Slowenen besiedelt. Deshalb sind die zentralen Diözesanstrukturen zweisprachig (Deutsch, Slowenisch) angelegt. Für die geistliche Betreuung der Katholiken in 336 Pfarren (mit insgesamt 700 Filialen) innerhalb von 24 Dekanaten stehen 161 Diözesanpriester, 50 Weltpriester aus anderen Diözesen, 42 Ordenspriester und 60 ständige Diakone zur Verfügung. In 38 Ordensniederlassungen und klösterlichen Gemeinschaften leben 42 Ordenspriester, 6 Ordensbrüder und 191 Ordensschwestern. »Es ist keine Selbstverständlichkeit, als Kirche 950 Jahre lang ohne Unterbrechung ein Wirtschaftsunternehmen, wie es das Bistum auch ist, zu erhalten. Es hat in den 950 Jahren viel Licht und Schatten und auch viele Krisen gegeben«, so der Bischof der heutigen Diözese Gurk-Klagenfurt. Dr. Josef Marketz.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Salzburg und Kärnten in ihren Anfängen eng miteinander verbunden sind, vor allem auch kirchlich. Seit der Mitte des 8. Jahrhunderts hat sich die Kirche der heiligen Bischöfe Rupert und Virgil der Evangelisierung der karantanischen Slawen angenommen. Von Süden waren Missionare aus Aquileja, der Bischofsstadt an der oberen Adria, in die Alpen vorgedrungen. 811 bestimmte Karl der Große die Drau zur Grenze zwischen dem Erzbistum Salzburg und dem Patriarchat Aquileia. Jahre zuvor hatte Salzburg den ersten Versuch gemacht, dem Missionsland ein organisatorisches Rückgrat zu geben. Etwa seit 767 leitete Modestus, ein Hilfsbischof, eng an die Weisungen Salzburgs gebunden, das Missionswerk. Von Maria Saal aus, seiner ersten Gründung, errichtet er die Urpfarren, vorgeschobene Posten der Mission. Zwei Jahrhunderte hielt Salzburg an diesem Experiment fest, um es schließlich abzubrechen. Vielleicht waren es die hartnäckigen Versuche der Chorbischöfe, ihren Freiheitsraum auszuweiten und die Bindungen an Salzburg zu lockern.
Das 10., mehr aber noch das 11. Jahrhundert wurde für die Kirche in Kärnten entscheidend: Die Missionsverhältnisse wichen der geordneten Seelsorge. In Salzburg spürte man von neuem die Notwendigkeit, südlich der Tauern besser präsent zu sein. Die Erfahrungen mit dem Chorbischof von Maria Saal hatte man freilich nicht vergessen. So kam es zu einer für die damalige Zeit einzigartigen Lösung: Erzbischof Gebhard II. weihte 1072, also vor 950 Jahren, den Edlen Gunter von Krappfeld zum Bischof, ohne ihm ein Diözesangebiet zu umschreiben, ohne ihm einen Teil des Zehnten zu überlassen und ohne ihm ein Domkapitel zuzubilligen. Er sollte nur einfach der Vertreter des Erzbischofs südlich der Tauern sein. Seinen Standort würde er in Gurk haben. Hier waren dem Erzbischof in den letzten Jahren ausgedehnte Gü-ter zugefallen. Ein Zufall war es in der Tat: Die Gräfin Hemma von Zeltschach-Friesach hatte vor der Mitte des Jahrhunderts ein Gutteil ihres Besitzes für ein Nonnenkloster in Gurk gegeben. Die Stiftung war aber nicht so recht aufgekommen und um 1060 wieder verschwunden.
Der Besitz ging in die Hände des Erzbischofs über und stand jetzt für das Bischofsprojekt zur Verfügung. Der Plan war klug ausgedacht, ein wenig zu klug, denn die Gurker Konstruktion stieß sich heftig an der allgemeinen Kirchenverfassung, die ein so an die Ketten gelegter Bischof nicht kannte. So muss-ten die Erzbischöfe in den nächsten Jahrzehnten ihrem Vikar in Gurk nacheinander alle bischöflichen Rechte einräumen und 1131 schließlich auch ein Diözesangebiet zugestehen.
In einem Punkt hielt Salzburg das junge Bistum noch eng an sich gebunden: Wer Bischof in Gurk wurde, bestimmte der Erzbischof von Salzburg. Eine harte Zumutung für ein selbstbewusstes Domkapitel des 12. Jahrhunderts, hatte doch zu jenen Zeiten der Domklerus noch ein entscheidendes Wort bei der Wahl des Bischofs mitzureden. Was Wunder, wenn die Gurker schon bald versuchten, das Recht der Bischofsbestellung an sich zu ziehen. Schließlich scheute man auch nicht einen Krieg gegen Salzburg.
Aber die Gurker hatten bei der ganzen Geschichte kein rechtes Glück. Nach vielem Hin und Her behielt der Metropolit in Salzburg sein Recht, den Gurker Bischof zu ernennen. So blieb es bis ins späte Mittelalter, wo ihm dann mächtigere Herren, Kaiser und Papst, dieses Recht aus der Hand nahmen. Im Jahre 1535 verglichen sich Kaiser und Erzbischof in der Gurker Bistumsfrage: Zweimal sollte der Kaiser den Bischof von Gurk ernennen, das dritte Mal der Erzbischof. Ein Kompromiss, der bis zum Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie anhielt.
Kirchliches Antlitz Kärntens
Im späten Mittelalter lösen sich die großen übergreifenden Ordnungen auf: Im Reich und in der Kirche. Schwierig wurde die Situation mit der beginnenden Reformation. Zwar versuchte der Erzbischof Mat-thäus Kardinal Lang von Wellenburg, den um sich greifenden Protestantismus zurückzudrängen. aber der Versuch war schwach. Nicht nur, weil von der Lehre Martin Luthers viel Faszination ausging, sondern weil auch Äbte und Pröpste und andere Kirchenherren auf ihr Recht pochten, nicht auf den Bischof hören zu müssen. Vollends hilflos wurde man, als der landständische Adel die Reformation zu seiner Sache machte. Was sollte wohl der Archidiakon von Friesach gegen den mächtigen Khevenhilller auf Hochosterwitz unternehmen, wenn dieser den Prädikanten Schutz und Aufenthalt bot? Das Konzil von Trient stärkte dann die Stellung der Bischöfe und übergab ihnen die katholische Erneuerung. Katholische Landesherren sollten mit den Bischöfen zusammen ihre Lande dem alten Glauben wieder zuführen. Aber gerade dieses Konzept der Gegenreformation zeigte dem habsburgischen Erzherzog in Graz wieder einmal, wie ungünstig in seinen Erblanden die kirchliche Verfassung war. So er-schien es am Ende des 16. Jahrhunderts der innerösterreichischen Regierung vordringlich, den Einfluss der ausländischen Bischöfe zurückzudrängen und die landeseigenen Bistümer zu vermehren. Eine gründliche Regelung hatte man sich vorgenommen: In Graz, Görz, Cilli sollten Bistümer errichtet werden. Für Kärnten dachte man an ein Bistum in Villach, dann wollte man eines in Klagenfurt haben. Aber Villach gehörte dem Bischof von Bamberg, und Klagenfurt war die Stadt der Kärntner Stände; damit beide den kirchenpolitischen Plänen des Erzherzogs entzogen. Nicht so jedoch Völkermarkt, die Stadt war landesherrlich. Hier wurde die Bistumsgründung so weit vorangetrieben, dass bereits Erhebungen über das Diözesangebiet und den Unterhalt des Bischofs vorgenommen wurden. Das Bistum Völkermarkt würde alle Pfarren Aquileias und einige salzburgische in Kärnten umfassen. Aber es sollte nicht dazu kommen.
Kaiser Josef II. beanspruchte mit Beginn seiner Regierung ab 1780 ein Machtmonopol über die Kirche. Auch das kirchliche Antlitz Kärntens veränderte sich in diesen Jahren bis zur Unkenntlichkeit: Am meisten wohl dadurch, wie der Kaiser die Diözesangrenzen neu zog. Dass dabei auf Traditionen verzichtet werden musste, Rechte und Grenzen abgeschafft wurden, waren dem Kaiser und seinem Ratgeber, dem Gurker Bischof Franz Anton von Auersperg, gleich. 1786 wich der Salzburger Erzbischof Hieronymus Colloredo der Forderung Josef II. aus und verzichtete auf seine Rechte außerhalb des Erzstifts. Wer den Salzburger Erzbischof in Kärnten beerbte war der Bischof von Gurk: Ihm wies der Kaiser mit Ausnahme des Lavanter Sprengels ganz Kärnten zu. Aus dem kleinen Bistum Gurk mit seinen knapp Dutzend Pfarren war ein Diözesanbereich mit 280 Seelsorgestellen geworden.
1787 übersiedelte der Bischof, Franz Altgraf von Salm-Reiferscheid, später auch Kardinal, nach Klagenfurt, wo er 1790 das stilvolle Palais der Erzherzogin Marianna bezog. Die vormalige Jesuitenkirche St. Peter und Paul wurde zur Kathedralkirche erhoben. Dass dem Bischof, der in Klagenfurt saß, bald ganz Kärnten zufallen würde, war nur mehr eine Frage der Zeit. 1857 verlegte der Bischof von Lavant seinen Sitz von St. Andrä nach Marburg. Seine Kärntner Gebiete wurden der Diözese in Klagenfurt zugesprochen.
Dr. Heinz Wieser