Audienz für Mitglieder der Föderation Katholischer Familienverbände Europas (FAFCE)

Die Familie ist die Schule des Friedens

 Die Familie ist die Schule des Friedens  TED-024
17. Juni 2022

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag und willkommen!

Ich danke dem Präsidenten für seine Worte der Begrüßung und Einführung. Diese Begegnung findet an einem Jubiläum statt: Ihr feiert das 25-jährige Bestehen, und es ist gut, zu feiern und Dank zu sagen. Leider erlebt Europa, und ich würde sagen insbesondere die Familien in Europa, eine Zeit, die für viele tragisch und für alle dramatisch ist aufgrund des Krieges in der Ukraine. Ich schließe mich eurer Erklärung an: »Mütter und Väter, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, wollen keinen Krieg. Die Familie ist die Schule des Friedens« (Resolution der FAFCE-Vorstandssitzung, 6. Mai 2022). Die Familien und Familiennetzwerke standen und stehen bei der Aufnahme von Flüchtlingen, insbesondere in Litauen, Polen und Ungarn, an vorderster Front.

In eurem täglichen Engagement für die Familie leistet ihr einen zweifachen Dienst: Ihr tragt ihre Stimme in die europäischen Institutionen und setzt euch dafür ein, Familiennetzwerke in ganz Europa zu bilden. Diese Mission steht in vollem Einklang mit dem synodalen Prozess, den wir erleben, um zu bewirken, dass die Kirche zunehmend eine Familie aus Familien wird.

Ich danke euch für das Seminar, das ihr in Zusammenarbeit mit dem Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben organisiert habt und in dessen Mittelpunkt das Zeugnis für die Schönheit der Familie stand. Das Weltfamilientreffen wenige Tage vorwegnehmend, richtet es die Aufmerksamkeit auf den Geburtenmangel in Europa und besonders in Italien. Dieser demographische Winter ist gravierend; bitte, seid aufmerksam! Das ist äußerst gravierend. Es gibt eine enge Verbindung zwischen dieser generativen Armut und dem mangelnden Bewusstsein von der Schönheit der Familie: »Das Zeugnis der gesellschaftlichen Würde der Ehe wird eben auf diesem Weg, dem Weg des anziehenden Zeugnisses […] überzeugend« (Katechese, 29. April 2015).

Ich möchte die Aufforderung erneuern, die ich vor fünf Jahren (1. Juni 2017) an euch gerichtet habe, und euch ermutigen, eure Arbeit fortzusetzen, um die Entstehung und Konsolidierung von Familiennetzwerken zu fördern. Dies ist ein wertvoller Dienst, denn es besteht ein Bedarf an Orten, Begegnungen und Gemeinschaften, bei denen sich Ehepaare und Familien willkommen, begleitet und nicht allein fühlen. Es ist dringend notwendig, dass die Ortskirchen in Europa und darüber hinaus offen sind für das Engagement von Laien und Familien, die Familien begleiten.

Hoffnung und Zuversicht

Wir erleben derzeit – das ist offensichtlich – nicht nur eine Epoche der Veränderungen, sondern einen Epochenwandel. Eure Arbeit findet innerhalb dieses Wandels statt, der manchmal die Gefahr der Entmutigung mit sich bringen kann. Aber mit Gottes Gnade sind wir aufgerufen, uns einzusetzen, mit Hoffnung und Zuversicht und in wirksamer Gemeinschaft mit der Kirche. Jüngste Beispiele dafür sind die im vergangenen Jahr von eurer Föderation unterzeichnete Vereinbarung mit dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen und die Zusammenarbeit mit der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union, in deren Büros in Brüssel sich euer Generalsekretariat befindet.

Die Herausforderungen sind groß und stehen alle miteinander in Zusammenhang. Zum Beispiel kann »ohne eine Solidarität zwischen den Generationen […] von nachhaltiger Entwicklung keine Rede mehr sein« (Enzyklika Laudato si’, 159), und diese Solidarität setzt ein Gleichgewicht voraus. Aber genau dieses Gleichgewicht fehlt heute in unserem Europa. Ein Europa, das altert und nicht generativ ist, ist ein Europa, das es sich nicht erlauben kann von Nachhaltigkeit zu sprechen und das immer größere Mühe hat, solidarisch zu sein. Daher betont ihr immer wieder, dass Familienpolitik nicht als Machtinstrument der Staaten gesehen werden darf, sondern in allerers-ter Linie im Interesse der Familien selbst ihre Grundlage hat. Die Staaten haben den Auftrag, die Hindernisse für die Generativität der Familien zu beseitigen und anzuerkennen, dass die Familie ein gemeinsames Gut darstellt, das zu belohnen ist, mit den für alle positiven logischen Konsequenzen.

Außerdem ist es so, wie es in einer eurer Resolutionen heißt, »dass Kinder niemals als Verantwortungslosigkeit der Schöpfung oder ihren natürlichen Ressourcen gegenüber verstanden werden dürfen. Der Begriff ›ökologischer Fußabdruck‹ lässt sich nicht auf Kinder übertragen, da sie eine unverzichtbare Ressource für unsere Zukunft sind. Stattdessen sollten Konsumismus und Individualismus thematisiert werden, und ein Blick auf die Familien offenbart das beste Beispiel für die Optimierung von Ressourcen« (FAFCE, Familien für eine nachhaltige und ganzheitliche Entwicklung, 26. Oktober 2021).

Außerdem müssen wir die Geißel der Pornographie erwähnen, die sich über das Internet mittlerweile überall verbreitet hat: Sie muss angeprangert werden als kontinuierlicher Angriff auf die Würde des Mannes und der Frau. Es geht nicht nur darum, die Kinder zu schützen – eine dringende Aufgabe der zuständigen Behörden und von uns allen –, sondern die Pornographie auch zu einer Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung zu erklären. »Es wäre eine schlimme Täuschung zu glauben, eine Gesellschaft, in der der abnorme Konsum von Sexualität im Netz unter den Erwachsenen überhandnimmt, könnte fähig sein, Minderjährige wirksam zu schützen« (Ansprache an die Teilnehmer am Kongress »Child Dignity in the Digital World«, 6. Oktober 2017). Familiennetzwerke sind in Zusammenarbeit mit Schulen und lokalen Gemeinschaften von entscheidender Bedeutung für die Vorbeugung und Bekämpfung dieser Geißel und für die Heilung der Wunden derer, die in den Strudel der Abhängigkeit geraten sind.

Die Würde des Mannes und der Frau wird auch durch die unmenschliche und zunehmende Praxis der »Leihmutterschaft« bedroht, bei der – fast immer arme – Frauen ausgebeutet und Kinder als Ware behandelt werden.

Eure Föderation hat auch eine eigene Verantwortung, Zeugnis für die Einheit abzulegen und für einen Frieden zu arbeiten, der Frieden in Fülle ist, in diesem historischen Augenblick, wo es leider viele Bedrohungen gibt und wir uns auf das konzentrieren müssen, was uns eint, und nicht auf das, was uns trennt. In diesem Zusammenhang bin ich euch dankbar, dass eure Föderation in den letzten fünf Jahren zehn neue Familienorganisationen und vier neue europäische Länder, darunter die Ukraine, aufgenommen hat.

Pandemie der Einsamkeit

Schließlich – und das ist vielleicht die Herausforderung, die hinter allen anderen steht – hat die Pandemie eine andere, eher verborgene Pandemie ans Licht gebracht, über die wenig gesprochen wird: die Pandemie der Einsamkeit. Auch wenn viele Familien ihre Rolle als Hauskirchen wiederentdeckt haben, so ist es doch wahr, dass allzu viele Familien die Erfahrung der Einsamkeit gemacht haben und ihre Beziehung zu den Sakramenten oft nur noch virtuell war. Familiennetzwerke sind ein Gegenmittel gegen Einsamkeit. Denn sie sind ihrem Wesen nach dazu berufen, in Gemeinschaft mit den Hirten und den Gemeinden vor Ort, niemanden im Stich zu lassen.

»Die gegenseitige Liebe zwischen Mann und Frau ist ein Widerschein der absoluten, unerschütterlichen Liebe, mit der Gott den Menschen liebt, dazu bestimmt, fruchtbar zu sein und sich im gemeinsamen Werk der gesellschaftlichen Ordnung und der Bewahrung der Schöpfung zu verwirklichen« (Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften, 29. April 2022). Die auf die Ehe gegründete Familie steht demnach im Mittelpunkt. Sie ist die Grundzelle unserer Gemeinschaften und muss als solche in ihrer generativen, einzigartigen und unverzichtbaren Funktion anerkannt werden. Nicht weil sie eine ideale, vollkommene Institution wäre, nicht weil sie ein ideologisches Modell wäre, sondern weil sie der natürliche Ort der ersten Beziehungen und der Generativität ist: »Wenn die Familie die anderen aufnimmt und zu ihnen hinausgeht, besonders zu den Armen und Verlassenen, dann ist sie Symbol und Zeugin für die […] Mutterschaft der Kirche, an der sie aktiv teilnimmt« (Apostolisches Schreiben Amoris laetitia, 324).

Liebe Brüder und Schwestern, macht weiter in eurem Dienst! Sorgt dafür, dass die Organisation ganz auf den Dienst ausgerichtet ist, dass sie so »leicht« wie möglich und bereit ist, den Anforderungen des Evangeliums zu entsprechen. Der Herr segne euch und die Gottesmutter behüte euch. Ich segne euch alle von Herzen, und ich bitte euch, für mich zu beten. Danke!

(Orig. ital. in O.R. 10.6.2022)