Bericht zur Tagung »Kultur und Memoria« in der Benediktinerabtei Admont

Wissensspeicher und Erinnerungsort

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10. Juni 2022

Die »große Gestaltungskraft der benediktinischen Klöster beim Werden Europas« hat der österreichische Altbundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel, Vorsitzender des Kuratoriums der Konrad-Adenauer-Stiftung (Berlin), herausgestellt. In seinem Festvortrag zur Eröffnung der internationalen und interdisziplinären Tagung »Kultur und Memoria. Die steirische Abtei Admont und das europäische Benediktinertum« (18.-20. Mai 2022), welche der Historiker Andreas Sohn in Zusammenarbeit mit dem Benediktinerstift Admont organisierte und veranstaltete, betonte er seine hohe Wertschätzung benediktinischen Klos-terlebens. Dieses hatte er schon als Schüler und Maturant des Gymnasiums des Wiener Schottenstiftes kennengelernt und durch persönliche Kontakte besonders zu Mönchen der Abtei Seckau vertiefen können. Die Regel des heiligen Benedikt aus dem 6. Jahrhundert bezeichnete er als »gelungene Anleitung zu einem ganzheitlichen Lebensstil«.

Die Schirmherrschaft der hochkarätigen Tagung hatten neben Abt Gerhard Hafner von Admont der Salzburger Erzbischof Dr. Franz Lackner, Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und der Landeshauptmann der Steiermark, Hermann Schützenhöfer, übernommen. Die Tagung war bereits hingeordnet auf das Jubiläumsjahr 2024, in welchem die Abtei Admont – sie beherbergt die weltweit größte Klosterbibliothek, seit dem frühen 19. Jahrhundert als »achtes Weltwunder« gepriesen – ihr 950-jähriges Bestehen feiern wird.

Die feierliche Eröffnung der Tagung fand mit Festmusik im prächtigen historischen Bibliothekssaal des Stiftes Admont statt, der 70m lang, 14m breit und 11m hoch (in der Mittelkuppel 12,7m) ist und sieben Deckenfresken (zu Stufen der menschlichen Erkenntnis, zu den Wissenschaften, zur göttlichen Offenbarung) hat, welche der über 80-jährige Barockmaler Bartolomeo Altomonte im Geist der Aufklärung bis 1776 vollendete. Der emeritierte Grazer Diözesanbischof Dr. Egon Kapellari, dem Benediktinertum seit langem stark zugewandt, unterstrich in seinem Grußwort »die bleibenden Spuren unzähliger Klöster in Europa, die sie nicht nur in Bibliotheken und Archiven, sondern auch sichtbar und begreifbar, zumal in Ländern wie Österreich, hinterlassen haben«. An der festlichen Eröffnung nahmen auch die Benediktiner Maximilian Aichern, ehemals Abt von Sankt Lambrecht und Bischof von Linz, und der emeritierte Erzabt von Pannonhalma, dem »ungarischen Montecassino«, Bischof Asztrik Várszegi, Abt Johannes Perkmann von Michaelbeuern, Abtpräses der Österreichischen Benediktinerkongregation, und Abt Philipp Helm vom Zisterzienserstift Rein teil.

Wie stark das Benediktinertum mit seinem Kulturerbe Europa im Laufe der Jahrhunderte prägte, legte Andreas Sohn in seinem Einleitungsvortrag an Beispielen wie der Westmins-ter Abbey in London, der gotischen Abteikirche Saint-Denis bei Paris mit der Grablege der französischen Könige, der Klosterinsel Mont-Saint-Michel vor der Küste der Normandie und der Kathedrale von Monreale bei Palermo in Sizilien dar. Er charakterisierte die Abtei Admont, die von der Steiermark auch dank ihres allmählich sich entwickelnden Skriptoriums und ihres prosopographischen Beziehungsnetzes weit ausstrahlte, als »europäischen Erinnerungsort, un lieu de mémoire« und als »Wissensspeicher par excellence«. Mit der 1074 erfolgten Gründung Admonts durch den Erzbischof Gebhard von Salzburg (ergänzt durch ein späteres, vom 12. bis zum 16. Jahrhundert bestehendes Frauenkloster in der Nähe) sei es zu einer erfolgreichen und kulturell nachhaltigen Einwurzelung des Reformmönchtums, hervorgegangen aus der Abtei Cluny in Burgund und vermittelt über das Schwarzwaldkloster Hirsau, in der Steiermark und in Österreich gekommen.

»Frischzellen«
des Heiligen Geistes

Dieses Beispiel entspreche einem Wort von Kardinal Walter Kasper, wonach monastische Reformbewegungen und Orden »gleichsam Frischzellen des Heiligen Geistes im Organismus der Kirche« seien, »welche das Leben der Kirche durch den Reichtum und die Vielfalt ihrer geistlichen Gaben immer wieder bereichern und erneuern«.

Prof. DDr. Bernard Ardura OPraem, Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften, zeigte in einem historischen Überblick auf, wie päpstliche Büchersammlungen im Laufe der Jahrhunderte entstanden und Papst Nikolaus V. die Vatikanische Bibliothek in der Mitte des 15. Jahrhunderts offiziell gründete. Mit Leo XIII. (1878-1903), unterstützt von dem oberschwäbischen Präfekten und späteren Kardinal Franz Ehrle aus dem Jesuitenorden, wurde die Vaticana zu »einer Stätte der Begegnung mit der Kultur, der Wissenschaft und der Künste«. Vorbildwirkung für andere große Bibliotheken in aller Welt entfaltete die dortige Restaurierungswerkstätte für Handschriften. Dr. Christine Maria Grafinger, emeritierte Leiterin des Archivs der Präfektur der Vatikanischen Bibliothek, beschrieb Unterschiede und Gemeinsamkeiten von päpstlichen Büchersammlungen und Klosterbibliotheken und wies auf einzelne benediktinische Handschriften in der Vaticana hin.

Wie grundlegend und eng sich die Beziehungen zwischen Admont und bayerischen Klöstern wie Sankt Emmeram zu Regensburg und Michelsberg in Bamberg gestalteten, zum Beispiel bei der Herstellung von Handschriften, bei der Wahl von Äbten und im gegenseitigen Totengedenken, führte der Mediävist Christof Paulus von der Universität München aus. Der evangelische Kirchenhis-toriker Volker Leppin, an der Universität Yale lehrend, beleuchtete das Eindringen reformatorischen Gedankenguts in die Obersteiermark und in das Kloster Admont, wo jedoch eine dauerhafte Bindung an das Luthertum unterblieb. Zu den Abteien, mit denen die Admonter Mönche die intensivsten Memorialbeziehungen unterhielten, zählte die Salzburger »Mutterabtei« Sankt Peter, welche den Gründungskonvent stellte, wie der Ordenshistoriker Gerald Hirtner aus der Mozartstadt unterstrich.

In vergleichender Perspektive beschrieben der Historiker Thomas O’Connor (National University of Ireland Maynooth) die reiche Klösterlandschaft Irlands und die sogenannten »Schottenklöster« irischer Mönche auf dem europäischen Festland, der Schweizer Mediävist Ernst Tremp die Bibliotheken auf der Reichenau und in Sankt Gallen. Ein weiterer Vortrag – von Erzabt Várszegi – galt der Bibliothek von Pannonhalma in Ungarn. Der Innsbrucker Liturgiewissenschaftler Reinhard Meßner befasste sich mit bislang noch nicht näher ausgewerteten liturgischen Handschriften, den Admonter Libri ordinarii, und zeigte anhand der dort niedergelegten »Regieanweisungen« auf, wie die Festtage von Gründonnerstag bis Ostern im Mittelalter abliefen. Die steirischen Mönche gedachten ihrer verstorbenen Mitbrüder, beteten für sie und vollzogen christozentrisch verankerte liturgisch-soziale Dienste an den Armen, beispielsweise mit Fußwaschung, Wein- und Geldgaben.

Wissenschaftliche Ausstrahlung
des Klosters

Der Münchner Mediävist Herbert Schneider widmete sich dem Universalgelehrten Engelbert von Admont (ca. 1250-1331) und seinen zahlreichen Schriften, von denen ein größerer Teil noch nicht in einer kritischen Edition vorliegt und die zur wissenschaftlichen Ausstrahlung des steirischen Klosters beitrugen. Einer der größten Gelehrten Admonts war Albert von Muchar (1786-1849), Philologe und Historiker, dessen Lebensweg und Wirken die Grazer Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler nachzeichnete. Die Krönung seiner Karriere erreichte er als Professor und Rektor der Universität Graz.

Prior Maximilian Schiefermüller skizzierte Lebensbilder ausgewählter Admonter Stiftsarchivare und -bibliothekare, die Bibliothekarin Karin Schamberger stellte Preziosen aus Archiv und Bibliothek vor. Der Jesuit Andreas Batlogg, der ehemalige Herausgeber und Chefredakteur der Kulturzeitschrift »Stimmen der Zeit«, sah in seinen aktuell gehaltenen Ausführungen die Wertigkeit und den Erfolg benediktinischer Klöster darin begründet, dass diese in nach Orientierung suchenden Gesellschaften »Gegenwelten« vermittelten. Er hob hervor, wie wichtig die digitale Vermittlung von Glaube und Kultur in der gegenwärtigen Zeit sei, und meinte abschließend: »Ohne OSB geht es nicht.«

Die Tagung leistete einen anregenden Beitrag zum öffentlichen Diskurs in Politik und Massenmedien, Kirche und Wissenschaft, welcher der Bedeutung des kulturellen Erbes für ein immer mehr zusammenwachsendes Europa gilt, gewährte vertiefende Einblicke in die steirische, österreichische und europäische Geschichte des Benediktinertums und bot aufschlussreiche Bilanzen von dessen kulturellen Leistungen in Mittelalter und Neuzeit. Die Ansprachen und Vorträge der Tagung werden in einem eigenen Band veröffentlicht werden.

Univ.-Prof. Dr. Andreas Sohn
(Universität Sorbonne Paris Nord)