»Super« ist heutzutage ein viel benutztes Schlagwort. Der Titel der Ausstellung »Superbarock – Kunst in Genua von Rubens bis Magnasco« ist aber noch mehr ausgeweitet zu verstehen. Er bezieht sich auf »superb« im Sinne von großartig und prächtig. Denn diese Schau, die noch bis 3. Juli in den
Scuderie des römischen Quirinalspalastes besichtigt werden kann, illustriert das sogenannte »goldene Zeitalter« der Seerepublik Genua von Ende 1500 bis Anfang 1700, das »Genova superba«, nämlich das superbe Genua.
Damals war die Stadt, schon seit der Zeit der Kreuzzüge eine der reichsten europäischen Handelsmächte, eine der größten Wirtschaftsmetropolen, die Handel mit aller Welt betrieb. Die adeligen Familien der Stadt schwelgten im Luxus. Zwar gaben sie auch ab an die Armen und notleidenden Kranken, indem sie in Sozialeinrichtungen und Krankenhäuser investierten. Doch ganz besonders förderten sie die Kunst. Sie ließen nicht nur sich selbst von international berühmten Malern porträtieren und ihre Paläste teuer ausschmücken. Sie ließen auch kostbare Skulpturen und Gemälde für ihre Kirchen schaffen.
Dieses »goldene Zeitalter«, zu dem derzeit auch eine weitere Schau in Genua im Dogenpalast läuft, wird in den römischen Scuderie in 120 Werken wiedergegeben. Ursprünglich sollten diese zunächst in der Nationalgalerie von Washington gezeigt werden, doch das war wegen der anhaltenden Pandemie nicht möglich. So reisten europäische Museumsstücke nicht nach Übersee, sondern es wurden in Amerika beheimatete Meisterwerke der Zeit in die italienische Hauptstadt gebracht. Und die Nationalgalerie von Washington blieb in die Mitorganisation eingebunden. So ist jetzt Rom, wo einst der Barock »erfunden« und von dort in alle Welt getragen wurde, zum Schauplatz dieser blühenden Genua-Epoche geworden. Er steht, nach dem Rom-Barock, gleich an zweiter Stelle, urteilen Experten. »Das Kriterium für die Ausstellung in Rom«, so Piero Boccardo, Kurator zusammen mit Jonathan Bober und Franco Boggero, »ist das Bewusstsein für die Einzigartigkeit und Außergewöhnlichkeit Genuas im 17. und 18. Jahrhundert. Unglaubliche Künstler kamen in Genua zusammen, Talente, die das Neue von außen betrachteten.«
Die Namen der in Genua wirkenden Künstler sprechen da für sich. Da sind Rubens, van Dyck, Vouet, aber natürlich auch bedeutende Italiener wie Giulio Cesare Procaccini und Gregorio De Ferrari vertreten. Beginnen wir mit Pieter Paul Rubens (1577-1640), dem in Siegen geborenen Maler flämischen Ursprungs, auch Diplomat der spanisch-habsburgischen Krone. Die Ausstellung zeigt sein großes Ölgemälde von Giovanni Carlo Doria aus dem Jahre 1606, in einer Szene voller Aktion vor historischem Hintergrund. Der Sohn des damaligen Dogen Agos-tino Doria prescht aus einem Wald kommend zu Pferde voran. So ließ der damals 30-Jährige seine Investitur zum Ritter des Jakobsordens feiern, die ihm der spanische König Philipp II. verliehen hatte. Das rote Ordenskreuz schmückt die Brustpartie seiner Rüstung. Dieses Bild war 1940 in Neapel versteigert, auf Anraten von Mussolini von Adolf Hitler erworben, nach Kriegsende aber an Italien zurückgegeben worden.
Rubens’ »Wunder des heiligen Ignatius von Loyola« (um 1619), ein 442 mal 287 Zentimeter großes Altarbild aus der Chiesa del Gesù, ist ein weiteres Juwel der römischen Ausstellung. Das Werk wurde vom Künstler in Antwerpen geschaffen, für die Grabkapelle von Niccolò Pallavicino, der an der Spitze des genuesischen Zweiges der weit verzweigten italienischen Adelsfamilie stand. Die Figuren des Gemäldes bewegen sich in einer großen Vielfalt aus Lichtern und Farben, typisch für die Rubens-Kunst. Ein sehr aufwändiges und theatralisches Szenarium, das Vorbild für die Malerei der Barockzeit in der ligurischen Hafenstadt wurde.
Sein Freund und Schüler Antoon van Dyck (1599-1641), Porträtist der englischen Königsfamilie und der Adeligen von Genua, malte von 1621 bis 1623 Agostino Pallavicino, den 103. Dogen der Seerepublik. Dieser ist dargestellt als päpstlicher Botschafter in pompöser Robe. Das Bild ist eine Leihgabe des Paul Getty-Museums in Los Angeles. Die Nationalgalerie von Washington schickte hingegen van Dycks Porträt der Elena Grimaldi Catteneo (1623) nach Rom. Er inspirierte sich dabei klar an Rubens-Bildnissen. Die Aris-tokratin stand, wie damals üblich, dem flämischen Maler nur für wenige Skizzen Modell. Danach arbeitete er im Atelier weiter, wo eine lebensgroße Puppe in die prächtigen Gewänder der adeligen Dame gekleidet und von dem flämischen Künstler auf die Leinwand gebracht wurde. Das so entstandene Bild, die rotbäckige Elena Grimaldi Cattaneo mit üppiger Halskrause und einem Zweig mit Orangenblüten in der Hand, ist auch das Titelbild des Katalogs. Ein schwar-zer Diener hält einen roten Sonnenschirm über sie.
Zu bewundern sind auch zahlreiche renommierte italienische Maler, meist beeinflusst von den Flamen. Valerio Castello (1624-1659), der bedeutendste Genuese unter den Barockmalern, musste mit einer Darstellung aus dem Mythos aus einem Museum in Florida herbeigeholt werden. Bernardo Strozzi (1581-1644) aus Ligurien, genannt der »genuesische Priester«, weil er Kapuziner war. Er ist unter anderem mit seiner berühmten Köchin vertreten. Das Bild zeigt eine Frau, die zwischen Hühnern und Tauben, mit einem Truthahn im Hintergrund, eine Ente rupft. Das Werk gilt als eines der bedeutendsten des Naturalismus im 17. Jahrhundert. Auch seine Muttergottes mit Kind, im Museumskomplex von Strada Nuova-
Palazzo Rosso zuhause, ist ausgestellt. Gregorio De Ferarri (1647-1726), in Genua vor allem als Freskenmaler barocker Schule geschätzt, ist mit einem religiösen Motiv vertreten. Von dem Maler Simon Vouet (1590-1649) aus Paris, der sich zunächst an Caravaggio inspirierte und später den italienischen Barock nach Frankreich brachte, wird in Rom das Gemälde »Der heilige Sebastian wird von der heiligen Irene und einer Dienerin gepflegt« aus dem Jahr 1622 gezeigt. Es wurde, wie viele weitere, von privaten Sammlern den Scuderie zur Verfügung gestellt. Wunderschön auch Marmorskulpturen des Franzosen Pierre Puget (1620-1694) und eine ganze Reihe an kostbaren Silberarbeiten, darunter die »Immaculata« aus dem Schatzmuseum der Kathedrale von San Lorenzo sowie ein Silberteller mit einer Darstellung der Abreise von Christoph Kolumbus aus dem Jahr 1630, geschaffen von dem Flamen Matthias Melijn (1589-1653).
Im letzten Saal dann noch Werke von Alessandro Magnasco (1667-1749), aus Genua stammend und schon ein Vorreiter des Rokoko. In seiner Heimatstadt wurde seine Kunst zunächst aber nicht verstanden.
»Superbarock – Kunst in Genua von Rubens bis Magnasco«, Ausstellung in Rom bis 3. Juli, Ausstellungsgebäude Scuderie del Quirinale, Via XXIV Maggio 16, täglich geöffnet von 10 bis 20 Uhr. Kein Ruhetag. www.scuderiequirinale.it
Von Christa Langen-Peduto