Im letzten Satz des Evangeliums, das wir soeben gehört haben, macht Jesus eine Aussage, die uns Hoffnung gibt und gleichzeitig zum Nachdenken bringt. Er sagt zu den Jüngern: »Der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, […] wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe« (Joh 14,26). Wir sind erstaunt über dieses »alles«, und fragen uns: In welchem Sinn gibt der Geist denen, die ihn empfangen, dieses neue und volle Verständnis? Es ist weder eine Frage der Quantität, noch eine akademische Frage. Gott will aus uns keine Enzyklopädien oder Gelehrte machen. Nein, es ist eine Frage der Qualität, der Perspektive, des Gespürs. Der Geist lässt uns alles auf eine neue Art und Weise sehen, so wie Jesus es gesehen hat. Ich würde es so ausdrücken: Auf der großen Lebensreise lehrt er uns, wo wir anfangen sollen, welche Wege wir einschlagen und wie wir gehen sollen. Es ist der Geist, der uns sagt, wo wir anfangen sollen, welchen Weg wir einschlagen und wie wir gehen sollen, der Stil des »Wie man gehen soll«.
Wo sollen
wir anfangen?
Zunächst einmal: Wo sollen wir anfangen? Der Heilige Geist zeigt uns in der Tat den Ausgangspunkt des geistlichen Lebens. Was ist das? Jesus spricht davon im ersten Vers des heutigen Tages, wo er sagt: »Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten« (V. 15). Wenn ihr mich liebt, werdet ihr euch daran halten: Das ist die Logik des Geistes. Wir denken oft das Gegenteil: Wenn wir uns daran halten, dann lieben wir. Wir sind daran gewöhnt zu denken, dass die Liebe im Wesentlichen von unserer Gesetzestreue, von unseren Fähigkeiten unserer Religiosität abhängt. Stattdessen erinnert uns der Geist daran, dass ohne die Liebe an der Basis alles andere umsonst ist. Und dass diese Liebe nicht so sehr von unseren Fähigkeiten stammt, diese Liebe ist sein Geschenk. Er lehrt uns zu lieben, und wir müssen ihn um dieses Geschenk bitten. Es ist der Geist der Liebe, der in uns die Liebe einpflanzt, er ist es, der uns das Gefühl gibt, geliebt zu sein, und uns lehrt zu lieben. Er ist – gleichsam – der »Motor« unseres geistlichen Lebens. Er ist es, der alles in uns bewegt. Er ist es, der alles in uns bewegt. Aber wenn wir nicht im Geist oder mit dem Geist oder durch den Geist beginnen, kann der Weg nicht bewältigt werden.
Er selbst erinnert uns, denn er ist das Gedächtnis Gottes und derjenige, der uns an alle Worte Jesu erinnert (vgl. V. 26). Und der Heilige Geist ist ein lebendiges Gedächtnis, das die Liebe Gottes im Herzen entzündet und neu entfacht. Wir haben seine Gegenwart in der Vergebung der Sünden erfahren, als wir von seinem Frieden, seiner Freiheit, seinem Trost erfüllt wurden. Es ist wichtig, diese geistige Erinnerung zu pflegen. Wir erinnern uns immer an die Dinge, die miss-glückt sind: Oft ertönt jene Stimme in uns, die uns an Scheitern und Unzulänglichkeiten erinnert, die uns sagt: »Siehst du, noch ein Sturz, noch eine Enttäuschung, du wirst es nie schaffen, du bist zu nichts fähig.« Das ist ein hässlicher und gemeiner Spruch. Der Heilige Geist hingegen erinnert uns an etwas ganz anderes: »Bist du gefallen? Aber du bist Sohn. Bist du gestürzt oder gefallen? Du bist eine Tochter Gottes, du bist ein einzigartiges, auserwähltes, kostbares Geschöpf. Du bist gefallen oder gestürzt, aber du bist immer geliebt und gewollt. Auch wenn du das Vertrauen in dich selbst verloren hast, Gott vertraut dir!« Das ist das Gedächtnis des Geistes, das, woran der Geist uns ständig erinnert: Gott erinnert sich an dich. Du wirst die Erinnerung an Gott verlieren, aber Gott verliert die Erinnerung an dich nicht. Er erinnert sich immerzu an dich.
Aber man könnte einwenden: Das sind schöne Worte, doch ich habe so viele Probleme, Wunden und Sorgen, die sich nicht mit einfachen Tröstungen lösen lassen! Nun, genau hier bittet der Geist, eintreten zu können. Denn er, der Tröster, ist der Geist der Heilung und der Geist der Auferstehung und kann die Wunden, die in dir brennen, verwandeln. Er lehrt uns, die Erinnerungen an Menschen und Situationen, die uns verletzt haben, nicht auszumerzen, sondern sie von seiner Gegenwart heimsuchen zu lassen. So hat er es auch mit den Aposteln und ihrem Versagen gemacht. Sie hatten Jesus vor der Passion im Stich gelassen, Petrus hatte ihn verleugnet, Paulus hatte die Christen verfolgt: wie viele Fehler, wie viel Schuld! Und wir, wir denken an unsere Fehler: wie viele Fehler, wie viel Schuld!
Alleine gab es da keinen Ausweg. Alleine nicht, mit dem Tröster schon. Denn der Geist heilt Erinnerungen. Er heilt die Erinnerungen. Wie tut er das? Indem wir das, was zählt, wieder an die Spitze der Liste stellen: die Erinnerung an Gottes Liebe, seinen Blick auf uns. So bringt er das Leben in Ordnung: Er lehrt uns, uns selbst anzunehmen, er lehrt uns zu vergeben, uns selbst zu vergeben. Es ist nicht einfach, sich selbst zu vergeben. Der Geist lehrt uns aber diesen Weg, er lehrt uns, uns mit der Vergangenheit zu versöhnen. Wieder neu anzufangen.
Der Geist erinnert uns nicht nur an den Ausgangspunkt, sondern lehrt uns auch, welche Wege wir einschlagen sollen. Er erinnert uns an den Ausgangspunkt, lehrt uns aber zugleich, welchen Weg wir einschlagen müssen.
Das erfahren wir aus der zweiten Lesung, wo Paulus erklärt, dass diejenigen, die »sich vom Geist Gottes leiten lassen« (Röm 8,14), »nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist« wandeln (V. 4). Mit anderen Worten: Der Geist schlägt angesichts der Scheidewege der Existenz den besten Weg vor. Deshalb ist es wichtig, seine Stimme von der des Geistes des Bösen unterscheiden zu können. Beide sprechen zu uns: Wir müssen daher lernen, zu unterscheiden, um zu verstehen, wo die Stimme des Geistes ist, sie zu erkennen und dem Weg zu folgen, den Weisungen zu folgen, die er uns gibt.
Dazu einige Beispiele: Der Heilige Geist wird dir niemals sagen, dass auf deinem Weg alles in Ordnung ist. Er wird es dir nie sagen, denn es ist nicht wahr. Nein, er korrigiert dich, er bringt dich sogar dazu, wegen deiner Sünden zu weinen; er spornt dich an, dich zu ändern, gegen deine Falschheit und Doppelzüngigkeit anzukämpfen, auch wenn dies Mühe, inneren Kampf und Opfer erfordert. Der böse Geist hingegen drängt dich dazu, immer das zu tun, was dir gefällt und was du willst; immer das zu tun, was dir gefällt; er bringt dich zu der Überzeugung, dass du das Recht hast, deine Freiheit so zu nutzen, wie es dir gefällt. Wenn du aber dann mit einer inneren Leere zurückbleibst, – es ist hässlich, diese Erfahrung der inneren Leere: so viele von uns haben sie gefühlt! –, und du, wenn du mit einer inneren Leere zurückbleibst, klagt er dich an: der böse Geist klagt dich an, wird zum Ankläger und wirft dich zu Boden, zerstört dich. Der Heilige Geist, der dich auf deinem Weg korrigiert, lässt dich nie im Stich, niemals, sondern nimmt dich an die Hand, tröstet dich und ermutigt dich immer wieder.
Weiter gilt: Wenn du merkst, dass in dir Bitterkeit, Pessimismus und traurige Gedanken aufsteigen – wie oft sind wir schon in diese Situation geraten! –, wenn diese Dinge vorkommen, ist es gut zu wissen, dass dies niemals vom Heiligen Geist kommt. Niemals: Bitterkeit, Pessimismus, traurige Gedanken kommen nicht vom Heiligen Geist. Sie kommen vom Bösen, das in der Negativität zu Hause ist und sich oft dieser Strategie bedient: Es schürt die Ungeduld, das sich als Opfer fühlen, das Bedürfnis, uns selbst zu bemitleiden – es ist hässlich, dieses Selbstmitleid, aber wie oft ... –, und mit dem Bedürfnis, sich selbst zu bemitleiden, das Bedürfnis auf Probleme zu reagieren, indem wir kritisieren und alle Schuld auf andere schieben. Er macht uns nervös, misstrauisch und wei-nerlich. Die Klage, das ist wirklich die Sprache des bösen Geistes: es führt dich zum Jammern, was immer ein trauriges Wesen ist, mit dem Geist eines Leichenzuges. Die Klagen… Der Heilige Geist lädt uns im Gegenteil dazu ein, niemals das Vertrauen zu verlieren und immer wieder neu anzufangen: Steh auf! Steh auf! Er gibt dir immer Mut: Steh auf! Und nimmt dich bei der Hand: Steh auf! Wie macht er das? Indem wir uns selbst einbringen, ohne darauf zu warten, dass jemand anderes beginnt. Und indem wir allen, denen wir begegnen, Hoffnung und Freude bringen, statt zu klagen; indem wir andere nicht beneiden, niemals! Der Neid ist die Tür, durch die der böse Geist eintritt, so sagt es bereits die Bibel: Durch den Neid des Teufels ist das Böse in die Welt gekommen. Niemals neidisch sein, niemals! Der Heilige Geist bringt dir Gutes, aber er bringt dich dazu, dich über die Erfolge anderer zu freuen: »Wie wunderbar! Aber wie schön, dass es gut gelaufen
ist ...«
Auf das Hier und Jetzt konzentrieren
Weiterhin ist der Heilige Geist konkret und ist nicht idealistisch: Er will, dass wir uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren, denn der Ort, an dem wir uns befinden, und die Zeit, in der wir leben, sind die Orte der Gnade. Der Ort der Gnade ist der konkrete Ort von heute: hier und jetzt. Wie? Es gibt keine Hirngespinste, die wir uns ausdenken können, und der Heilige Geist bringt dich zum Konkreten, immer. Der Geist des Bösen hingegen will uns vom Hier und Jetzt ablenken, uns woanders hinführen: Er klammert sich oft an die Vergangenheit: an das Bedauern, an die Nostalgie, an das, was das Leben uns vorenthalten hat. Oder er projiziert uns in die Zukunft und nährt Ängste, Illusionen und falsche Hoffnungen. Der Heilige Geist tut das nicht, er bringt uns dazu, hier und jetzt zu lieben, ganz konkret: nicht eine ideale Welt, eine ideale Kirche, nicht eine ideale Ordensgemeinschaft, sondern das, was da ist, im Licht der Sonne, in der Transparenz, in der Einfachheit. Wie anders als das Böse, das hinter dem Rücken Gerüchte, Klatsch und Tratsch schürt! Das Geschwätz ist eine hässliche Angewohnheit, die die Identität der Menschen zerstört.
Der Geist will uns zusammenbringen, er gründet uns als eine Kirche und lehrt heute – das ist der dritte und letzte Aspekt – die Kirche, wie sie gehen soll. Die Jünger hatten sich im Abendmahlssaal verkrochen, dann kommt der Geist herab und drängt sie, hinauszugehen. Ohne den Geist blieben sie unter sich, mit dem Geist öffnen sie sich für alle. In jeder Epoche wirft der Geist unsere Pläne über den Haufen und öffnet uns für seine Neuheit. Es gibt immer die Neuheit Gottes, die die Neuheit des Heiligen Geistes ist; er lehrt die Kirche stets die lebenswichtige Notwendigkeit, hinauszugehen, die naturgegebene Notwendigkeit, zu verkünden, nicht in sich selbst verschlossen zu bleiben: keine Herde zu sein, die in einen Zaun eingezwängt ist, sondern eine offene Weide, damit sich alle von der Schönheit Gottes nähren können; der uns lehrt, ein gastfreundliches Haus ohne trennende Mauern zu sein. Der weltliche Geist hingegen drängt uns, uns nur auf unsere eigenen Probleme, unsere Interessen zu konzentrieren, auf die Notwendigkeit, relevant zu erscheinen, auf die mühsame Verteidigung unserer nationalen Identitäten und Gruppenzugehörigkeiten. Der Heilige Geist tut das nicht: Er lädt uns ein, uns selbst zu vergessen und uns für alle zu öffnen. Und so verjüngt sich die Kirche. Achtung: Er verjüngt sie, nicht wir. Wir versuchen, sie ein wenig zu schminken, aber das hilft nicht. Er verjüngt sie. Denn die Kirche kann man nicht programmieren, und Modernisierungsprojekte sind nicht genug. Der Geist befreit uns von der Besessenheit auf Dringlichkeiten und lädt uns ein, alte und immer neue Wege zu gehen, die Wege des Zeugnisses, die Wege der Armut, die Wege der Mission, um uns von uns selbst zu befreien und uns in die Welt auszusenden.
Und zum Schluss – das ist das Kuriose – ist der Heilige Geist der Urheber der Spaltung, ja des Aufruhrs, einer gewissen Unordnung. Denken wir an den Pfingstmorgen: Der Autor schafft eine Unterscheidung der Sprachen, der Haltungen ... das war ein Aufruhr! Aber er ist auch der Urheber der Harmonie. Er trennt mit der Auffächerung der Charismen, aber es ist eine vorgetäuschte Trennung, denn der wirkliche Gegensatz fügt sich in die Harmonie ein. Er bewirkt die Aufteilung mit den Charismen und bildet die Harmonie mit all dieser Spaltung, und das ist der Reichtum der Kirche.
Brüder und Schwestern, begeben wir uns in die Schule des Heiligen Geistes, damit er uns alles lehrt. Rufen wir ihn jeden Tag an, damit er uns daran erinnert, immer von Got-tes Blick auf uns auszugehen, in unseren Entscheidungsfindungen auf seine Stimme zu hören, gemeinsam als Kirche zu gehen, fügsam gegenüber ihm und offen für die Welt. So möge es sein.