Die heutige abschließende Meditation über die Eucharistie geht von einer Frage aus: Warum spricht Johannes im Bericht vom Letzten Abendmahl nicht von der Einsetzung der Eucharistie, sondern stattdessen von der Fußwaschung? Gerade er, der ein ganzes Kapitel seines Evangeliums dem Brot des Lebens gewidmet hatte, um die Jünger darauf vorzubereiten, sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken?
Der Grund ist, dass Johannes in allem, was das Pascha und die Eucharistie betrifft, mehr das Ereignis als das Sakrament betonen will, das heißt mehr das Bezeichnete als das Zeichen. Für ihn beginnt das neue Pascha weniger im Abendmahlssaal, als der Gedächtnisritus eingesetzt wird. (Es ist bekannt, dass das Letzte Abendmahl bei Johannes kein »Paschamahl« ist.) Es beginnt eher am Kreuz, als das Ereignis geschieht, dessen gedacht werden soll. Dort geschieht der Übergang vom alten zum neuen Pascha. Daher betont er, dass Jesus am Kreuz »kein Gebein zerbrochen wurde«: denn so lautete die Vorschrift für das Pascha-Lamm beim Auszug aus Ägypten (Joh 19,36; Ex 12,46).
Die Bedeutung der Fußwaschung
Es ist wichtig, gut zu verstehen, welche Bedeutung die Geste der Fußwaschung für Johannes hat. Die kürzlich veröffentlichte Apos-tolische Konstitution Praedicate evangelium erwähnt sie im Vorwort: als Symbol für jenes Dienen, das die gesamte Arbeit der Römischen Kurie nach der Reform kennzeichnen muss. Es hilft uns zu verstehen, wie das Leben zur Eucharistie werden kann und so »im Leben nachzuahmen, was am Altar gefeiert wird«. Wir stehen vor einer jener Szenen (eine andere ist die der Öffnung der Seite durch den Lanzenstoß am Kreuz), in der der Evangelist zu verstehen gibt, dass dahinter ein Geheimnis liegt, das über die bloße Tatsache hinausgeht, die an sich nebensächlich erscheinen könnte.
»Ich habe euch ein Beispiel gegeben«, sagt Jesus. Für was hat er uns ein Beispiel gegeben? Dafür, wie man konkret den Brüdern und Schwestern die Füße waschen soll, jedes Mal, wenn sie sich zu Tisch setzen? Sicherlich nicht nur dafür! Die Antwort steht im Evangelium: »Wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele« (Mk 10,44-45).
Im Lukasevangelium wird gerade im Kontext des Letzten Abendmahls ein Wort Jesu wiedergegeben, das zum Abschluss der Fußwaschung gesprochen werden könnte: »Denn wer ist größer: Der bei Tisch sitzt oder der bedient? Ist es nicht der, der bei Tisch sitzt? Ich aber bin unter euch wie der, der bedient« (Lk 22,27). Dem Evangelisten zufolge hat Jesus diese Worte gesagt, weil unter den Jüngern ein Streit darüber entstanden war, wer von ihnen wohl der Größte sei (vgl. Lk 22,24). Vielleicht war es genau diese Situation, die Jesus zur Geste der Fußwaschung inspirierte, als eine Art in die Tat umgesetztes Gleichnis. Während die Jünger aufgeregt diskutieren, steht Jesus in aller Stille vom Tisch auf, sucht ein Wasserbecken und ein Tuch, kommt zurück, kniet vor Petrus nieder, um ihm die Füße zu waschen. Und damit bringt er ihn verständlicherweise in größte Verlegenheit: »Du, Herr, willst mir die Füße waschen?« (Joh 13,6).
In der Fußwaschung wollte Jesus gleichsam den ganzen Sinn seines Lebens zusammenfassen, damit es sich dem Gedächtnis der Jünger gut einprägt und sie es eines Tages verstehen, wenn sie dazu in der Lage sein werden: »Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen« (Joh 13,7). Jene an den Schluss des Evangeliums gesetzte Geste sagt uns, dass das ganze Leben Jesu von Anfang bis Ende »Fußwaschung« war, das heißt Dienst an den Menschen. Es war, wie manche Exegeten sagen, eine Pro-Existenz, das heißt ein für die anderen gelebtes Leben.
Jesus hat uns das Beispiel eines für die anderen gelebten Lebens gegeben, ein Leben, das Brot geworden ist, »für die Welt gebrochenes Brot«. Mit den Worten: »Handelt auch ihr so, wie ich an euch gehandelt habe«, setzt Jesus die Diakonia ein, das heißt das Dienen, und erhebt es zum Grundsatz oder besser zum Lebensstil und Vorbild für alle Beziehungen in der Kirche. Es ist so, als würde er auch in Bezug auf die Fußwaschung sagen, was er bei der Einsetzung der Eucharistie gesagt hat: »Tut dies zu meinem Gedächtnis!«
An dieser Stelle möchte ich jedoch etwas anmerken, bevor ich den Gedankengang fortführe. Ein Kirchenvater, der selige Isaak von Ninive, gab den folgenden Rat all jenen, die die Pflicht haben, über geistliche Dinge zu sprechen, die sie im Leben noch nicht erreicht haben. Er sagte in seinen Reden zur Askese (4): »Sprich darüber wie jemand, der zur Kategorie der Schüler gehört und nicht mit Autorität, nachdem du deine Seele gedemütigt hast und kleiner geworden bist als jeder deiner Zuhörer.« Das, verehrte Mitbrüder, Brüder und Schwestern, ist der Geist, in dem ich zu euch, die ihr dies tagtäglich lebt, über den Dienst zu sprechen wage.
Ich erinnere mich an eine scherzhafte Bemerkung des damaligen Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Franjo Šeper. Er sagte einmal mit einem Lächeln zu uns, den Mitgliedern der Internationalen Theologischen Kommission: »Ihr Theologen habt kaum etwas zu Ende geschrieben und sofort schreibt ihr euren Vor- und Nachnamen darüber. Wir in der Kurie müssen alles in der Anonymität tun.« Das ist eine Qualität des Dienens im Sinne des Evangeliums, das mich mit Bewunderung und Dankbarkeit erfüllt gegenüber den vielen Dienern der Kirche, die an der Römischen Kurie, in den Ordinariaten und Nuntiaturen arbeiten.
Der Geist des Dienens
Kehren wir zu unserem Thema zurück. Wir müssen tiefer verstehen, was »Dienen« bedeutet, um es in unserem Leben verwirklichen zu können und nicht bei den Worten stehenzubleiben. Der Dienst an sich ist keine Tugend. In keinem Tugendkatalog oder bei den Früchten des Heiligen Geistes, wie das Neue Testament sie nennt, trifft man auf das Wort Diakonia, Dienst. Es ist sogar von einer Sklaverei im Dienst der Sünde (vgl. Röm 6,16) oder der Götzen (vgl. 1 Kor 6,9) die Rede, was sicherlich kein Dienst in gutem Sinne ist. An sich ist das Dienen etwas Neutrales, es verweist auf eine Lebenssituation oder auf eine Art und Weise der Beziehung zu anderen hinsichtlich der eigenen Arbeit, auf die Abhängigkeit von anderen. Es kann sogar etwas Negatives sein, wenn es aus Zwang geschieht (wie bei der Sklaverei) oder bloß zum eigenen Vorteil.
Heute sprechen alle von Dienst und Service, alle sagen, dass sie im Dienst sind: der Verkäufer bedient die Kunden, wer ein Amt in der Gesellschaft hat, von dem sagt man, dass er seinen Dienst leistet oder im Dienst ist. Aber es ist ganz klar, dass der Dienst, von dem das Evangelium spricht, etwas vollständig anderes ist, auch wenn es den Dienst, so wie ihn die Welt versteht, sicherlich per se nicht notwendigerweise ausschließt oder abwertet. Der ganze Unterschied liegt in den Beweggründen und in der inneren Haltung, mit der der Dienst getan wird.
Blicken wir noch einmal auf die Fußwaschung, um zu sehen, in welcher Geisteshaltung Jesus sie vollzieht und was ihn antreibt: »Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung« (Joh 13,1). Das Dienen ist keine Tugend, aber es entspringt den Tugenden und in erster Linie der Liebe, ja es ist der größte Ausdruck des neuen Gebots. Das Dienen ist eine Art und Weise, wie sich die Agape offenbart, das heißt jene Liebe, die »nicht ihren Vorteil sucht« (vgl. 1 Kor 13,5), sondern den der anderen, die nicht nur aus dem Streben danach besteht, sondern auch aus Hingabe. Kurz gesagt, es ist Teilhabe und Nachahmung von Gottes Handeln, der als »das Gute, jegliches Gut, das höchste Gut« nur ganz vorleistungsfrei und unentgeltlich lieben und wohltun kann, ohne irgendein Eigeninteresse.
Daher kommt der Dienst im Sinne des Evangeliums – im Gegensatz zu dem der Welt – nicht dem Unterlegenen, dem Bedürftigen zu, dem, der nichts hat, sondern vielmehr dem Besitzenden, dem Höhergestellten, dem, der hat. »Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden«, auch was das Dienen anbelangt (vgl. Lk 12,48). Daher sagt Jesus, dass in seiner Kirche vor allem »der Führende« werden soll »wie der Dienende« (Lk 22,26) und »der Ers-te der Sklave aller« (Mk 10,44). Die Fußwaschung – das sagte mein Professor für Exegese in Freiburg, Ceslas Spicq – ist »das Sakrament der christlichen Autorität«.
Neben der Unentgeltlichkeit bringt das Dienen ein weiteres Merkmal der göttlichen Agape zum Ausdruck: die Demut. Die Worte Jesu: »Auch ihr müsst einander die Füße waschen« bedeuten: Ihr müsst einander die Dienste einer demütigen Nächstenliebe erweisen. Liebe und Demut bilden zusammen den Dienst, wie das Evangelium ihn versteht. Jesus hat gesagt: »Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig« (Mt 11,29). Aber wenn man recht darüber nachdenkt: Was hat Jesus getan, um sich als »demütig« zu bezeichnen? Hat er sich vielleicht selbst gering geschätzt oder bescheiden von sich selbst gesprochen? Keineswegs, selbst bei der Fußwaschung sagt er, dass er »der Herr und Meister« ist (vgl. Joh 13,13).
Was also hat er getan, um sich »demütig« zu nennen? Er hat sich erniedrigt, er ist hinabgestiegen, um zu dienen! Vom Augenblick der Menschwerdung an hat er nichts anderes getan als hinabzusteigen, hinabzusteigen, bis hin zu jenem äußersten Punkt, wo wir ihn sehen, wie er niederkniet und den Aposteln die Füße wäscht. Welch ein Erschrecken unter den Engeln, als sie den Sohn Gottes, den sie nicht anzublicken wagten, in einer derartigen Erniedrigung sahen (vgl. 1 Petr 1,12). Der Schöpfer kniet vor dem Geschöpf! »Erröte, hochmütige Asche: Gott erniedrigt sich und du erhöhst dich!«, mahnte der heilige Bernhard von Clairvaux sich selbst (Marienlob, I,8). So verstanden – das heißt als Hinabsteigen, um zu dienen – ist die Demut wahrhaft der Königsweg, um Gott ähnlich zu sein und die Eucharistie in unserem Leben nachzuahmen.
Unterscheidung der Geister
Die Frucht dieser Meditation sollte eine mutige Prüfung unseres Lebens sein: Gewohnheiten, Aufgaben, Arbeitszeiten, Aufteilung und Gebrauch der Zeit, um zu sehen, ob unser Leben wirklich ein Dienst ist und ob es in diesem Dienst Liebe und Demut gibt. Der springende Punkt ist zu wissen, ob wir unseren Brüdern und Schwestern dienen oder ob wir uns ihrer bedienen. Man bedient sich seines Nächsten und instrumentalisiert ihn, wenn man zwar für die anderen keine Mühen scheut, aber in allem, was man tut, nicht uneigennützig ist und auf irgendeine Weise Bestätigung, Beifall oder die Zufriedenheit im eigenen Inneren sucht und sich als Wohltäter fühlen will. Das Evangelium fordert im Hinblick auf diesen Aspekt eine extreme Radikalität: »Deine linke Hand soll nicht wissen, was deine rechte tut« (Mt 6,3). Alles was bewusst und absichtlich getan wird, »um von den Menschen gesehen zu werden«, ist verlorene Mühe. »Christus non sibi placuit«: Denn auch Christus hat nicht sich selbst zu Gefallen gelebt (Röm 15,3), das ist die Regel des Dienens.
Um die Geister zu unterscheiden, das heißt die Absichten, die uns in unserem Dienst leiten, ist es nützlich zu sehen, welche Dienste wir gerne tun und welche wir in jeder Weise zu vermeiden suchen. Und darüber hinaus zu sehen, ob unser Herz bereit ist – sollte dies von uns gefordert werden –, einen ehrenvollen, edlen Dienst aufzugeben für einen demütigen Dienst, den niemand zu schätzen weiß. Die sichersten Dienste sind solche, die wir tun, ohne dass es jemandem auffällt, auch nicht dem, für den wir es tun, sondern die nur der Vater im Himmel bemerkt, der das Verborgene sieht. Jesus hat eine der demütigs-ten Gesten, die es zu seiner Zeit gab und mit der normalerweise die Sklaven beauftragt wurden, zum Symbol des Dienens erhoben: die Fußwaschung. Der heilige Paulus mahnt: »Strebt nicht hoch hinaus, sondern bleibt demütig« (Röm 12,16).
Dem Geist des Dienens ist entgegengesetzt die Herrschsucht, die Gewohnheit, den anderen den eigenen Willen und die eigene Sicht- und Handlungsweise aufzuzwingen, selbstherrliche Dominanz also. Wer von diesen Haltungen beherrscht wird, ist sich oft überhaupt nicht bewusst, welches Leid er verursacht, sondern wundert sich vielmehr, wenn er sieht, dass die anderen keine Dankbarkeit für sein »Interesse« und seine Bemühungen zeigen, und fühlt sich sogar als Opfer. Jesus hat zu seinen Aposteln gesagt, sie sollten wie »Schafe mitten unter Wölfen« sein, aber jene sind im Gegenteil Wölfe unter Schafen. Ein großer Teil des Leids, das zuweilen eine Familie oder eine Gemeinschaft bedrückt, ist zurückzuführen auf die Anwesenheit eines autoritären und despotischen Geistes in ihnen, der die anderen mit Füßen tritt und unter dem Vorwand, den anderen zu »dienen«, diese versklavt.
Und es ist sehr wahrscheinlich, dass wir selbst dieser »jemand« sind! Wenn uns in dieser Hinsicht auch nur ein klitzekleiner Zweifel kommen mag, dann wäre es gut, wenn wir die Menschen in unserer Umgebung aufrichtig fragen und ihnen die Möglichkeit geben würden, ohne Angst zu sprechen. Wenn herauskommen sollte, dass auch wir irgendjemandem durch unseren Charakter das Leben schwer machen, müssen wir demütig die Realität akzeptieren und unseren Dienst überdenken.
Dem Geist des Dienens ist auf der anderen Seite auch die übertriebene Anhänglichkeit an die eigenen Gewohnheiten und Bequemlichkeiten entgegengesetzt. Wer stets bestrebt ist, die eigene Zufriedenheit in den Mittelpunkt zu stellen, die eigene Ruhe, die eigene Freizeit, den eigenen Zeitplan zum Götzen zu erheben, kann den anderen nicht ernsthaft dienen. Die Regel des Dienens bleibt stets dieselbe: Christus hat nicht sich selbst zu Gefallen gelebt.
Das Dienen, so haben wir gesehen, ist die Tugend dessen, der führt, und es ist das, was Jesus den Hirten der Kirche als sein teuerstes Erbe hinterlassen hat. Alle Charismen sind auf das Dienen hingeordnet, aber in ganz besonderer Weise das Charisma der »Hirten und Lehrer« (vgl. Eph 4,11), das heißt das Charisma der Autorität. Die Kirche ist »charismatisch«, um zu dienen, und sie ist »hierarchisch«, um zu dienen!
Der Dienst des Geistes
Wenn Dienen für alle Christen bedeutet, »nicht mehr für sich zu leben« (vgl. 2 Kor 5,15), so bedeutet es für die Hirten, »sich nicht selbst zu weiden«: »Weh den Hirten Israels, die sich selbst geweidet haben! Müssen die Hirten nicht die Schafe weiden?« (Ez 34,2). In den Augen der Welt ist nichts natürlicher und gerechter als das: Wer Herr (dominus) ist, »dominiert«, spielt den Herrn und gibt den Ton an. Unter den Jüngern Jesu jedoch soll es »nicht so sein«, sondern wer der Herr ist, muss dienen. Der heilige Paulus schreibt: »Wir sind nicht Herren über euren Glauben, sondern wir sind Mitarbeiter eurer Freude« (2 Kor 1,24). Dasselbe rät der Apos-tel Petrus den Hirten: »Seid nicht Beherrscher der Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde!« (vgl. 1 Petr 5,3).
Im pastoralen Dienst ist es nicht leicht, die Mentalität eines »Herrn des Glaubens« zu vermeiden, diese Haltung hat sich sehr früh in den Begriff der Autorität eingeschlichen. In einem der ältesten Dokumente über das Bischofsamt (die Syrische Didaskalia) sehen wir bereits eine Vorstellung, die den Bischof als Herrscher darstellt, in dessen Kirche nichts ohne sein Einverständnis unternommen werden darf, weder von den Menschen noch von Gott.
Für die Hirten, gerade in ihrer Funktion als Hirten, ist es häufig genau dieser Punkt, der für das Problem der Umkehr entscheidend ist. Wie eindringlich klingen jene Worte Jesu nach der Fußwaschung: »Ich, der Herr und Meister…!« Jesus »war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein« (Phil 2,6), das heißt, er hatte keine Angst, seine göttliche Würde zu beeinträchtigen, fehlenden Respekt von Seiten der Menschen zu begünstigen, wenn er sich seiner Privilegien entäußerte und sich äußerlich als Mensch unter anderen Menschen zeigte (»den Menschen gleich«).
Jesus hat einfach gelebt. Einfachheit war immer der Beginn und das Zeichen für eine wahre Rückkehr zum Evangelium. Man muss Gottes Handeln nachahmen. Tertullian hat geschrieben, dass nichts das Handeln Gottes besser charakterisiert als der Gegensatz zwischen der unscheinbaren Einfachheit der äu-ßeren Mittel und Wege und der Größe der geistlichen Wirkungen (vgl. De baptismo, 1). Die Welt braucht ungewöhnlichen Aufwand, um zu handeln und zu beeindrucken, Gott nicht.
Es gab eine Zeit, in der die Würde des Bischofs durch Insignien, Titel, Schlösser, Armeen zum Ausdruck kam. Es waren, wie man sagt, Fürstbischöfe, dabei aber sehr viel mehr Fürsten als Bischöfe. Die Kirche lebt heute in dieser Hinsicht in einer Zeit, die uns im Gegensatz dazu als Goldenes Zeitalter erscheinen mag. Ich habe vor vielen Jahren einen Bischof kennengelernt, der es ganz natürlich fand, jede Woche einige Stunden in einem Altenheim zu verbringen, um den alten Menschen beim Anziehen und beim Essen zu helfen. Er hatte die Fußwaschung wörtlich genommen. Ich selbst muss sagen, dass ich in meinem Leben von einigen hochrangigen Kirchenmännern die besten Beispiele für Einfachheit empfangen habe.
Aber auch in diesem Punkt muss man eine große Freiheit im Sinne des Evangeliums behalten. Einfachheit erfordert, dass wir uns nicht über die anderen stellen. Aber es bedeutet genauso wenig, dass wir uns immer und hartnäckig den anderen unterstellen, um in der einen oder anderen Weise die Distanz zu wahren. Vielmehr sollen wir akzeptieren, dass wir in den gewöhnlichen Dingen des Lebens genauso sind wie alle anderen. Es gibt Menschen, so bemerkt Manzoni sehr scharfsinnig, die genug Demut haben, sich guten Menschen unterzuordnen, die aber nicht auf gleicher Ebene mit ihnen sein können (vgl. Die Verlobten, Kap. 38.).
Zuweilen besteht der beste Dienst nicht darin zu dienen, sondern sich bedienen zu lassen, wie Jesus, der bei Gelegenheit auch wusste, zu Tisch zu sein und sich die Füße waschen zu lassen (vgl. Lk 7,38), und der auch gerne die Dienste annahm, die ihm bei seinem Unterwegssein von einigen großherzigen und anhänglichen Frauen erwiesen wurden (vgl. Lk 8,2-3).
Da ist noch etwas anderes, das in Bezug auf den Dienst der Hirten gesagt werden muss, und zwar: Der Dienst an den Brüdern und Schwestern, wie wichtig und heilig er sein mag, steht nicht an erster Stelle und ist nicht das Wesentliche. Das Allererste ist der Dienst an Gott. Jesus ist vor allem der »Got-tesknecht« und dann auch der Diener der Menschen. Seine eigenen Eltern erinnert er daran: »Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?« (Lk 2,49). Er zögerte nicht, die Menge, die gekommen war, um ihm zuzuhören und geheilt zu werden, zu enttäuschen, weil er sie plötzlich zurückließ, um sich zum Gebet an einen einsamen Ort zurückzuziehen (vgl. Lk 5,16).
Auch das Dienen im Sinne des Evangeliums ist heute von der Gefahr der Säkularisierung bedroht. Zu leicht hält man es für selbstverständlich, dass jeder Dienst am Menschen auch ein Dienst an Gott ist. Der heilige Paulus (2 Kor 3,8) spricht von einem Dienst des Geistes (»diakonía Pneumatos«), zu dem die Diener des Neuen Bundes bestimmt sind. Der Geist des Dienens muss in den Hirten durch den Dienst des Geistes zum Ausdruck kommen!
Wer wie der Priester durch seine Berufung zu einem solchen »geistlichen« Dienst auf-gerufen ist, dient den Brüdern und Schwestern nicht, wenn er ihnen tausendundeinen Dienst erweist, aber jenen einen vernachlässigt, den man zu Recht von ihm erwarten darf und den nur er geben kann. Es steht geschrieben, dass der Priester »für die Menschen eingesetzt wird zum Dienst vor Gott« (Hebr 5,1). Als dieses Problem in der Kirche zum ers-ten Mal auftauchte, löste Petrus es mit den Worten: »Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen. […] Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben« (Apg 6,2-4).
Es gibt Priester, die in der Tat zum Dienst an den Tischen zurückgekehrt sind. Sie beschäftigen sich mit allen Arten von materiellen, finanziellen, verwaltungstechnischen und zuweilen sogar landwirtschaftlichen Problemen, die es in ihrer Gemeinde gibt (auch wenn sie das sehr gut anderen überlassen könnten), und vernachlässigen ihren wahren, unersetzlichen Dienst. Der Dienst am Wort erfordert ausdauernde Lektüre, Studium, Gebet.
Nachdem Jesus den Aposteln die Bedeutung der Fußwaschung erklärt hat, sagt er ihnen sogleich: »Wenn ihr das wisst – selig seid ihr, wenn ihr danach handelt« (Joh 13,17). Auch wir werden selig sein, wenn wir uns nicht damit zufriedengeben, diese Dinge zu wissen – das heißt, dass die Eucharistie uns zum Dienen und zum Teilen drängt –, sondern sie in die Praxis umsetzen, wenn möglich von heute an. Die Eucharistie ist nicht nur ein Geheimnis, das konsekriert, empfangen und angebetet werden muss, sondern auch ein Geheimnis, das wir nachahmen sollen.
Bevor wir schließen, müssen wir aber eine Wahrheit betonen, die wir in allen unseren Reflexionen über die Eucharistie unterstrichen haben, und zwar das Handeln des Heiligen Geistes! Hüten wir uns davor, die Gabe auf eine Pflicht zu reduzieren! Wir haben nicht nur das Gebot empfangen, einander die Füße zu waschen und zu dienen: Wir haben die Gnade empfangen, dies tun zu können. Dienen ist ein Charisma und wie alle Charismen ist es eine »Offenbarung des Geistes, damit sie anderen nützt« (1 Kor 12, 7). Und der Apostel Petrus sagt in seinem ersten Brief (4,10): »Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe (dem Charisma!), die er empfangen hat!« Die Gabe geht der Pflicht voraus und macht deren Erfüllung möglich. Das ist die »frohe Botschaft« – das Evangelium –, deren tägliches tröstliches Gedächtnis die Eucharistie ist.
Von Kardinal Raniero Cantalamessa