Die italienische Ordensfrau Tosca Ferrante

Von der Staatspolizei ins Institut der Königin der Apostel

 Von der Staatspolizei ins Institut der Königin der Apostel  TED-021
27. Mai 2022

Von Valentina Angelucci
und Giuditta Bonsangue

Dunkelblauer Einreiher, schräg auf dem Kopf sitzendes Barett, ein am Gürtel befestigtes Holster und das historische Motto »Sub Lege Libertas«: das ist das Bild, das einem in den Sinn kommt, wenn man an eine Frau in der Uniform der Staatspolizei denkt. Und genau so können wir uns Tosca Ferrante im Jahr 1989 vorstellen: stolzer Blick und strenge Haltung, aber mit einem anderen Licht in den Augen in den fünf Jahren, in denen sie bei der italienischen Polizei Dienst leistete. »In jenen Jahren spürte ich bei aller Freude eine gewisse Unruhe im Hinblick auf die Zukunft, und ich stellte mir unentwegt Fragen über den Sinn des Lebens und darüber, wie wie ich mein Leben mit Gott teilen wollte«, erzählt sie uns in ihrem Bericht über diese für sie so prägende Zeit.

Aber seit einigen Jahrzehnten ist zum his-torischen Motto der Staatspolizei noch ein weiteres hinzugekommen: »Immer da sein.« Und es ist gerade die die diesem Satz innewohnende Nähe, die Tosca Ferrante dazu bringt, ihr Leben als Polizistin anders zu erleben: »Die Gesichter der ›Armen‹, denen ich in jenen Jahren begegnet bin, waren vielfältiger Art: Straftäter, Drogenabhängige, junge Frauen, die Opfer der Prostitution geworden waren, Ausländer, die auf eine Aufenthaltsgenehmigung warteten, oft Opfer von Betrügereien durch selbsternannte Mittelsleute: kurz und gut viel Armut, viel Leere und auch viel Böses.«

Endgültige Wende

Berührende, blutige, bissige Geschichten. Geschichten, die einen nicht gleichgültig lassen. Und eines Tages kam die endgültige Wende: »Eines Tages war ich im Kommissariat in Torpignattara in Rom und mir wurde aufgetragen, in Erwartung weiterer Dienstanweisungen auf einen minderjährigen Jugendlichen aufzupassen, der einen Diebstahl begangen hatte. Wir waren im selben Raum und ich habe angefangen, mich mit ihm da-rüber zu unterhalten, warum er den Diebstahl verübt hatte (es war sein erster Gesetzesverstoß). Ich erinnere mich an jedes Detail jenes Augenblicks: er begann zu weinen und sagte er habe Angst, er schluchzte und war verängstigt. Ich hörte ihn an und gab ihm ein Taschentuch: er wirkte wirklich hilflos. An einem gewissen Punkt fragte er, während er weiter weinte: »Ich habe Angst, umarmst du mich?« Ich sagte »Nein«. Ich konnte nicht, ich war in Uniform. Aber worum hatte er mich im Grunde gebeten? Um eine Umarmung! Eine Geste, die eine der allerersten Formen darstellt, mit der Welt zu kommunizieren: ein Kind wird, kaum geboren, seiner Mutter in die Arme gelegt: Sie steht für Wärme, für beständige Liebe, für Zärtlichkeit, für Obhut. Aber ich hatte »Nein« gesagt! Als ich wieder zuhause war, schaute ich mich im Spiegel an und sagte: ›Aber in wen verwandelst du dich eigentlich gerade?‹«

Das war der Beginn ihrer wahren Begegnung mit dem Auferstandenen, es war ihr Weg nach Damaskus, der einen ernsthaften Unterscheidungsprozess auslöste, der zu einem unwiderruflichen Urteil ihres Gewissens führte: »Mir wurde klar, dass ich die Liebe riskieren musste!« Einige Jahre später tritt sie bei den »Apostelinnen« vom Institut der Schwestern der Königin der Apostel ein, wo sie sich weiterhin der »Armen« annimmt, denen sie begegnet war, als sie noch die Pistole am Gürtel trug: »Der Übergang vom Polizeidienst zum Ordensleben war für mich nichts Aufregendes, es war ganz natürlich: der Kontakt zu den oben genannten Menschen hatte mich verstehen lassen, was Gott mit mir vorhatte.«

Mit Sicherheit eine gewaltige Lebensveränderung, bei der es Sr. Tosca letztlich gelingt, die Spuren dessen zu erkennen, der sie geführt hat: »De facto erkenne ich aus dem Abstand vieler Jahre den roten Faden, der mein Leben zusammengehalten hat: es ist der Wunsch, mich des Lebens der anderen anzunehmen, indem ich ihnen mein Leben widme.«

Von klein auf hatte Sr. Tosca davon geträumt, entweder Krankenschwester oder Grundschullehrerin zu werden; als sie groß war, träumte sie davon, Polizistin zu werden; jetzt erkennt sie in ihrem Dasein als Ordensfrau, dass der gemeinsame Nenner all dieser Berufungen der Wunsch ist, ihr Leben für die Bedürfnisse des Nächsten zur Verfügung zu stellen, der neben ihr lebt. Und in der Tat befasst sie sich heute mit der Berufungs- und der Jugendpastoral. Außerdem koordiniert sie die regionalen Dienste zum Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Erwachsenen in der Toskana.

Eindrucksvolle Botschaft

Die besondere Geschichte dieser Ordensfrau vermittelt eine eindrucksvolle Botschaft an die heutige, dank eines Mangels an Bezugspunkten so verwirrte und bereits durch das bloße Wort »Berufung« verschreckte Jugend: »Wer oder was uns dabei hilft, zu verstehen, wozu wir berufen sind, ist in unserer Nähe, es sind die Lebenssituationen, es ist jener »Stern«, der uns von außen Orientierung schenkt, uns führt, uns leitet. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Berufung etwas ist, das wir ganz allmählich erleben, indem wir auf unsere Lebenswirklichkeit schauen, auf die uns umgebende Armut. Zumindest für mich ist es so gewesen: ich bin Gott begegnet im Antlitz und in den Geschichten der Armen: Ich verneige mich vor ihnen! Und ich danke Gott!«

#sistersproject