Gedanken zum Sonntag - 29. Mai: 7. Sonntag der Osterzeit

Vollendet in der Einheit

 Vollendet in der Einheit  TED-021
27. Mai 2022

Überall, vor allem in Krisenzeiten, hören wir von »Einheit« und »Zusammenhalt« sprechen. Wenn es brenzlig wird, dann rückt man zusammen. Aber wo können wir eine echte Einheit finden – auch, wenn es nicht brennt?

Die Geschichte zeigt uns, wie Versuche, eine »Einheit am Schreibtisch« zu generieren, oft missglückt sind. Oft haben diese Bemühungen nur noch heftigere Spaltungen und Kriege ausgelöst, und auf eine »Gleichschaltung« folgte eine scharfe Trennung. Eine künstlich herbeigeführte Einheit scheitert oft – paradoxerweise – an ihrer Zweckmäßigkeit, denn sie übergeht die Einzigartigkeit des je Individuellen.

Dennoch ist der Wunsch nach Einheit eine anthropologische Ursehnsucht. Einheit ist mehr denn eine soziopolitische Kennziffer. Einheit ist ein Gefühl, eine Ahnung, ein Verlangen nach Verbindung und Verbundenheit, eine Sehnsucht.

Aristoteles nannte drei Arten dieser Einheit unter Menschen und gab ihnen einen Namen: Freundschaft aus Lust, Freundschaft aus wechselseitigem Nutzen und Charakterfreundschaft. Obgleich alle drei eine Einheit aus frei-willigem, wechselseitigem Einverständnis und Wohlwollen darstellen, haben sie eines gemein: sie verfolgen einen Zweck.

Seit Jesus Christus kennen wir nun eine vierte Form von Beziehungen: die Agape. Sie ist anders als die anderen Beziehungen, denn sie ist uneigennützig, zweckfrei, ja sogar völlig zweck-los. Nun fällt es Menschen aber schwer, eine Einheit in der Uneigennützigkeit zu erlangen. Versuche bleiben oft an der Oberfläche stehen.

Damit das nicht passiert, lässt Gott uns Anteil haben an seiner eigenen Liebe, an jener unauflöslichen Liebesbeziehung zwischen Vater und Sohn, in die er uns auch aufgenommen hat, indem er uns in der Taufe an Kindes Statt angenommen hat. Aus dem offenen Herzen des Gekreuzigten sind die Sakramente der Kirche hervorgegangen. Ein für alle Mal offen, haben wir so Zugang zum Innersten des Herrn, zu seinem Herzen, das aus Liebe zu uns durchbohrt worden ist. Wir können nur im Herzen Jesu vollendet werden in der Einheit, denn im Herzen des Erlösers sind wir alle eins. Er ist das Haupt und wir sind seine Glieder. Nur im Herrn finden wir wirkliche Einheit. In der Liebe Gottes werden wir vollendet in der Einheit mit unseren Mitmenschen und mit Gott selbst.

Br. Immanuel Lupardi OSB, Missionsbenediktiner von St. Ottilien und Student am Päpstlichen Athenäum Sant’Anselmo in Rom.