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Die Mütter des ägyptischen Mönchtums: Sarrha, Theodora und Synkletika

Frauen Gottes

 Frauen Gottes  TED-020
20. Mai 2022

»Wie kann ich das Heil erlangen?« Das war die Frage, die man den geistlichen Müttern und Vätern in der Wüste des antiken Ägyptens stellte, denn man wollte wissen, was man im »konkreten Leben tun muss«, um gerettet zu werden. Welche Wege sollte man gehen, welche asketischen Übungen auf sich nehmen, welche Tugenden erstreben, wie die Angriffe des Teufels und seiner Versuchungen besiegen, das heißt: Wie sollte man hier und jetzt leben, um das ewige Leben zu erlangen?

Die mahnenden und belehrenden Worte dieser Abba und Amma des spätantiken ägyptischen Mönchtums, die ihren Schülern und Schülerinnen aus dem Mönchs- und Laienstand eine Hilfe sein sollten, wurden gesammelt und in den verschiedenen Reihen der Apophthegmata Patrum schriftlich festgehalten. Die bedeutendsten Sammlungen sind sicherlich das Alphabetikon, wo die Sprüche alphabetisch nach dem Namen des Autors geordnet sind, und das Gerontikon mit seiner Ordnung nach Themen wie Demut, Gehorsam, Nächstenliebe, Nicht-Urteilen.

In der alphabetischen Sammlung werden 133 Väter und drei Mütter aufgelistet: Amma Sarrha, Theodora und Synkletika. Obgleich ihre Zahl im Vergleich zu den Vätern äußerst gering ist, waren sie doch nicht weniger wichtig. Ihre Sprüche sind ein bedeutendes Zeugnis für ihre Berühmtheit, ihre Lehre und die Rolle, die sie spielten.

Aber wer waren diese Mütter, deren einziger Lebenssinn und -zweck es war, dem Auferstandenen nachzufolgen? Es handelte sich um Frauen, die von Jugend an – im eigenen Haus und in der Einsamkeit eines Grabes wie Synkletika oder an einsamen Orten wie Sar-rha oder in einem Koinobium wie Theodora – ihr Leben dem Mönchtum geweiht hatten, um einen harten asketischen Weg zu gehen, der sie unter der Führung des Heiligen Geis-tes zu den höchsten Gipfeln der Tugenden geführt hatte. Dieser geistliche Weg hatte ihnen auch das Charisma der geistlichen Leitung verliehen, das heißt sie verstanden es, die den Weg des Heils suchenden Menschen, die zu ihnen kamen, zu leiten durch die erleuchtete Unterscheidung des Wortes Got-tes.

Sie waren immer bereit, mit Strenge und Zärtlichkeit zu ermahnen, zu ermutigen, zu trösten und zu begleiten, indem sie ihre geistlichen Söhne und Töchter in ihre Gebete einhüllten, damit sie nach der Überwindung aller Fallstricke des Teufels durch den Heiligen Geist belebt und verwandelt würden.

Ihre geistliche Mutterschaft erstreckte sich nicht nur auf Frauen, seien es nun Jungfrauen oder Ehefrauen, sondern auch auf Mönche, Abba, Priester und sogar Bischöfe sowie gläubige Laien. Die geistliche Leitung war nicht an geschlechtsspezifische Faktoren gebunden, sondern an den im Heiligen Geist zurückgelegten Weg, daran, dass sie eine »Frau Gottes« waren und zu den »Pneumatophoren« (Trägerinnen des Geistes) zählten. Das versetzte sie in die Lage, »das Schiff ruhig im Hafen des Heils zu vertäuen und am Glauben an Gott wie an einem sicheren Anker festzumachen« (Leben der Synkletika 19). Diese Amma waren ein Bezugspunkt für die gesamte klösterliche und kirchliche Gemeinschaft.

Von Sarrha, Theodora und Synkletika sind verschiedene Apophthegmata überliefert, Weisungen für einen einfachen, aber sicheren geistlichen Weg.

Sarra zum Beispiel richtet besondere Aufmerksamkeit auf die wahre und konstruktive Weise der Beziehung zum Nächsten, in Freiheit und Seelenreinheit, ohne sich von dem Wunsch beeinflussen zu lassen, von den anderen angenommen und gut beurteilt zu werden. Sie sagt: »Wenn ich Gott anflehe, dass ich mit den Menschen gut stehe, dann wird man mich vor der Tür eines jeden finden, um Buße zu tun. Aber noch mehr werde ich bitten, dass mein Herz gegen alle rein sei« (Sarrha 5).

Theodora dagegen betont das Ertragen des Leids und jeder Widrigkeit, um »die Zeit [des Lebens] zu gewinnen und zu erkaufen« (Theodora 1). Denn Leiden und Versuchungen können uns wachsen und Fortschritte machen lassen und uns so zum ewigen Leben führen: »Es ist ähnlich wie bei den Bäumen: Wenn sie nicht Unwetter und Regengüsse erhalten, tragen sie keine Frucht. So ist auch für uns dieser Aion ein Unwetter. Nur durch viele Bedrängnisse und Anfechtungen werden wir Erben des Himmelreiches« (Theodora 2).

Synkletika vertieft das Thema der universalen Berufung zur Heiligkeit, denn diese ist Frucht des persönlichen Einsatzes und des Glaubens an Gott, der in uns wirkt. Sie warnt die Gottgeweihten mit den folgenden Worten: »Uns kommt es vor, als würden wir auf ruhiger See vorangehen, während die Menschen in der Welt von Gefahren umgeben sind. Wir bewegen uns bei Tag, geleitet von der Sonne der Gerechtigkeit, jene dagegen bei Nacht, der Unwissenheit folgend. Aber es kommt oft vor, dass jene in der Welt in einer stürmischen Nacht durch Rufen und Wachen das Boot retten können, während wir fahrlässig in der ruhigen See ertrinken, weil wir das Ruder der Gerechtigkeit losgelassen haben« (Synkletika 26).

Bei diesen Amma handelt es sich um Persönlichkeiten, die allzulange nicht genügend bekannt waren und von der sowohl akademischen wie theologischen Forschung nicht genug geschätzt wurden. Heute sollte man sie wiederentdecken, um die Rolle wertzuschätzen, die Frauen in der Kirchengeschichte gespielt haben.

Maria Luciana Tartaglia OSB;
Päpstliches Athenäum Sant’Anselmo, Rom


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