Kardinal Bernardin Gantin war über drei Jahrzehnte hinweg in einflussreichen Positionen an der Römischen Kurie tätig und gehörte zu den engen Vertrauten von Johannes Paul II., vergaß aber nie seine afrikanischen Wurzeln.
Für eine ganze Generation zählte der hochaufgeschossene Kardinal Bernardin Gantin aus Benin zu den eindrucksvollsten Gestalten an der Römischen Kurie. Zwischen 1971 und 2002 leitete er wichtige Behörden, war zuletzt sogar Dekan des Kardinalskollegiums. Mit 80 Jahren kehrte er in seine Heimat zurück und starb sechs Jahre später. Am 8. Mai jährte sich sein Geburtstag zum 100. Mal.
In Rom war Gantin zunächst an der Missionskongregation tätig. Rasch stieg er dann zum Präsidenten der Sozialbehörden »Iustitia et Pax« und »Cor unum« auf, bevor er schließlich 1984 Präfekt der Kongregation für die Bischöfe wurde. Damit betreute erstmals ein Schwarzafrikaner die Bischofsernennungen für die »weiße« Welt, für Europa, Nord-amerika und Teile Südamerikas. Zu den spektakulärsten Vorgängen dieser Amtsjahre gehörte seine Unterschrift unter das Dekret vom 30. Juni 1988, mit dem er dem traditionalistischen Erzbischof Marcel Lefebvre nach vier illegalen Bischofsweihen die Exkommunikation mitteilte.
Als Präfekt eines »großen Ministeriums« gehörte Gantin in Rom zum »inner circle« von Papst Johannes Paul II. Er begleitete den Pontifex auf vielen seiner Auslandsreisen, nahm an rund einem Dutzend Weltbischofssynoden teil. Dabei sah sich der stets freundlich lächelnde Kirchenmann immer auch als Repräsentant Afrikas.
Erster
schwarzafrikanischer Metropolit
Schon als Student erwies sich der Sohn eines Eisenbahnangestellten als Ausnahmetalent. Bald nach seiner Priesterweihe 1951 und zwei Jahren als Kaplan und Sprachlehrer ging er nach Rom und promovierte in Theologie und in Kirchenrecht. Noch während der Studienzeit ernannte Papst Pius XII. ihn 1956 zum Weihbischof; vier Jahre später wurde er Erzbischof seiner Heimatstadt Cotonou. Gantin war damit der erste schwarzafrikanische Metropolit.
Er ging sein Amt mit viel Elan an, nahm am Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) teil und versuchte, dessen Beschlüsse in der Heimat umzusetzen. Er förderte die Einrichtung von Schulen und bezog Katecheten und einheimische Ordensschwestern in die Pastoral ein.
Freundschaft mit
Kardinal Ratzinger
Bis Paul VI. den bescheidenen wie dynamischen Geistlichen 1971 nach Rom holte. Erste Station war die Kongregation für die Evangelisierung der Völker, wo Gantin zunächst als beigeordneter Sekretär und dann als Sekretär die Anliegen, Bedürfnisse und Hoffnungen seines Kontinents in die Römische Kurie einbrachte. Ein Kontinent, dessen Kirche immer eigenständiger und selbstbewusster wurde. Dass sie auch im Vatikan zunehmend so wahrgenommen wurde, war ein Verdienst Gantins.
Mit der Ernennung zum Präsidenten vatikanischer Dikasterien war auch die Kardinalswürde verbunden. In seinem letzten Mini-Konsistorium von 1977 nahm Paul VI. den Geistlichen aus Benin in den »Senat« der Kirche auf – zusammen mit dem damals neuen Münchner Oberhirten Joseph Ratzinger. Gantin war bereits zu Ratzingers Bischofsweihe gereist. Beide verband seither eine hohe Wertschätzung und Freundschaft. Gantin verteidigte den deutschen Präfekten der Glaubenskongregation mehrfach öffentlich gegen »viele, oft unberechtigte Kritik«, die er stellvertretend für die ganze Kurie einstecken müsse.
Dekan des
Kardinalskollegiums
1993 wurde Gantin Dekan des Kardinalskollegiums. Damals wollte mancher in ihm einen ersten möglichen afrikanischen Papst sehen. Aber beim Konklave 2005 war Gantin aus Altersgründen nicht mehr wahlberechtigt, er reiste jedoch nach Rom an.
Er kehre nach seinen langen Dienstjahren in Rom nun als »römischer Missionar« in seine Heimat Afrika zurück, sagte Gantin bei seiner römischen Abschiedsmesse 2002. Dort konnte der große Sohn des Landes das Ansehen der Kirche noch etliche Jahre fördern und neue Impulse geben. Ein Erbe, das bis heute zählt. Wer nach Benin reist, landet in der Regel auf dem Flughafen »Cardinal Bernardin Gantin« von Cotonou. Auch theologische und missiologische Institute in aller Welt tragen heute seinen Namen.
Als Gantin am 13. Mai 2008 in einem Pariser Krankenhaus starb, würdigte ihn sein ehemaliger Konsistoriums-Kollege Ratzinger, inzwischen Benedikt XVI., als »herausragenden Sohn Benins und Afrikas«. Er habe »in bewundernswerter Synthese afrikanische Seele mit christlichem Geist« verbunden.
Von Johannes Schidelko